Mandantenrundschreiben2018-02-26T13:28:25+00:00

Mandantenbrief Januar 2026

Word-DateiVor­he­ri­ger Mandantenbrief

Steuertermine

12.01.  Umsatz­steu­er, Lohn­steu­er, Kir­chen­steu­er zur Lohnsteuer 

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 15.01. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck. Zah­lun­gen per Scheck gel­ten erst drei Tage nach Ein­gang des Schecks bei der Finanz­be­hör­de (Gewer­be­steu­er und Grund­steu­er: bei der Gemein­de- oder Stadt­kas­se) als recht­zei­tig geleis­tet. Um Säum­nis­zu­schlä­ge zu ver­mei­den, muss der Scheck spä­tes­tens drei Tage vor dem Fäl­lig­keits­tag vorliegen.

Alle Anga­ben ohne Gewähr

Vor­schau auf die Steu­er­ter­mi­ne Febru­ar 2026:

10.02.  Umsatz­steu­er, Lohn­steu­er, Kir­chen­steu­er zur Lohnsteuer 

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 13.02. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck. 

16.02.  Gewer­be­steu­er, Grundsteuer 

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 19.02. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck. Zah­lun­gen per Scheck gel­ten erst drei Tage nach Ein­gang des Schecks bei der Finanz­be­hör­de (Gewer­be­steu­er und Grund­steu­er: bei der Gemein­de- oder Stadt­kas­se) als recht­zei­tig geleis­tet. Um Säum­nis­zu­schlä­ge zu ver­mei­den, muss der Scheck spä­tes­tens drei Tage vor dem Fäl­lig­keits­tag vorliegen.

Alle Anga­ben ohne Gewähr

Fäl­lig­keit der Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge Janu­ar 2026

Die Bei­trä­ge sind in vor­aus­sicht­li­cher Höhe der Bei­trags­schuld spä­tes­tens am dritt­letz­ten Ban­ken­ar­beits­tag eines Monats fäl­lig. Für Janu­ar ergibt sich dem­nach als Fäl­lig­keits­ter­min der 28.1.2026.

1. Für Vermieter: Keine Haftung des Grundstückserwerbers für unrichtige Steuerausweise in übernommenen Mietverträgen

Wenn in alten Miet­ver­trä­gen Umsatz­steu­er offen aus­ge­wie­sen ist, obwohl Ver­mie­tungs­leis­tun­gen grund­sätz­lich steu­er­frei sind, stellt sich beim Eigen­tü­mer­wech­sel die heik­le Fra­ge: Trägt der Erwer­ber das Risi­ko eines unrich­ti­gen Steu­er­aus­wei­ses nach § 14c des Umsatz­steu­er­ge­set­zes (UStG) oder bleibt es beim frü­he­ren Ver­mie­ter. Über genau die­se Kon­stel­la­ti­on haben die obers­ten Finanz­rich­ter am 5.12.2024 ent­schie­den und damit unter dem Akten­zei­chen V R 16/22 kla­re Leit­plan­ken gesetzt.

Im ent­schie­de­nen Fall erwarb die Klä­ge­rin 2013 ein ver­mie­te­tes Büro­grund­stück im Wege der Zwangs­ver­stei­ge­rung. Der Vor­ei­gen­tü­mer hat­te zuvor meh­re­re Miet­ver­trä­ge geschlos­sen, in denen jeweils »+ 19 % Mehr­wert­steu­er« zur Net­to­mie­te genannt war, dar­un­ter Ver­trä­ge mit einer Tages­kli­nik, einer Phy­sio­the­ra­pie­pra­xis und einer Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft. In ihrer Umsatz­steu­er­erklä­rung 2013 behan­del­te die Erwer­be­rin die Ver­mie­tungs­um­sät­ze als steu­er­frei. Nach einer Außen­prü­fung ver­trat das Finanz­amt die Auf­fas­sung, die Klä­ge­rin schul­de die offen aus­ge­wie­se­ne Umsatz­steu­er nach § 14c Abs. 1 UStG und erhöh­te die Steu­er. Das Finanz­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg wies die Kla­ge am 11.4.2022 unter dem Akten­zei­chen 7 K 7031/19 ab, weil es Miet­ver­trä­ge plus Zah­lungs­be­le­ge als Rech­nun­gen ansah und die Klä­ge­rin nach § 566 des Bür­ger­li­chen Gesetz­buchs (BGB) in die Rechts­stel­lung des Ver­mie­ters ein­ge­tre­ten ist. Das Gericht mein­te zudem, die Beleg­la­ge ent­sprä­che einer »Gut­schrift«, sodass die Klä­ge­rin als Rech­nungs­aus­stel­le­rin gelte.

Die Klä­ge­rin hielt dem ent­ge­gen, sie habe selbst kei­ne Rech­nun­gen erteilt. Zah­lungs­an­wei­sun­gen der Mie­ter sei­en kei­ne Abrech­nungs­do­ku­men­te. Es feh­le zudem an einer ein­deu­ti­gen Ver­bin­dung zwi­schen Miet­ver­trag und Zah­lungs­be­leg im Sin­ne des § 31 der Umsatz­steu­er-Durch­füh­rungs­ver­ord­nung (UStDV). Die in Abschnitt 14.5 Abs. 17 des Umsatz­steu­er-Anwen­dungs­er­las­ses erwähn­ten Erleich­te­run­gen beträ­fen nur den Vor­steu­er­ab­zug. Eine »Gut­schrift« set­ze eine vor­he­ri­ge Eini­gung vor­aus, die nicht vor­lag. Bank­aus­zü­ge sei­en über­dies von der Bank erstellt und kei­ne Rech­nun­gen der Mie­ter. Das Finanz­amt hielt dage­gen, für § 14c genü­ge bereits ein Doku­ment, das wie eine Rech­nung wirkt.

Das obers­te Finanz­ge­richt gab der Klä­ge­rin Recht, hob das Urteil des Finanz­ge­richts auf und setz­te die Umsatz­steu­er her­ab. Tra­gend ist der Grund­satz: § 14c Abs. 1 UStG begrün­det die Steu­er­schuld nur, wenn der Unter­neh­mer selbst in einer Rech­nung Umsatz­steu­er unrich­tig aus­weist oder ihm die Aus­stel­lung nach all­ge­mei­nen zivil­recht­li­chen Zurech­nungs­re­geln zuge­ord­net wer­den kann Die Rich­ter beto­nen, dass der als Rech­nungs­aus­stel­ler Benann­te an der Erstel­lung mit­ge­wirkt haben muss oder ihm die Aus­stel­lung nach Stell­ver­tre­tungs­grund­sät­zen zuzu­rech­nen ist. Sie ver­wei­sen hier­zu auf Ent­schei­dun­gen des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 7.4.2011 unter dem Akten­zei­chen V R 44/09 und vom 17.8.2023 unter dem Akten­zei­chen V R 3/21 sowie auf das Urteil des Gerichts­hofs der Euro­päi­schen Uni­on vom 30.1.2024 unter dem Akten­zei­chen C‑442/22.

Auf den Streit­fall über­tra­gen ist ent­schei­dend, dass alle Miet­ver­trä­ge vom Vor­ei­gen­tü­mer abge­schlos­sen wur­den. Der unrich­ti­ge Steu­er­aus­weis stammt somit von ihm. Eine Zurech­nung an die Erwer­be­rin schei­det aus. Weder § 566 BGB noch der im Zwangs­ver­stei­ge­rungs­recht ein­schlä­gi­ge § 57 des Geset­zes über die Zwangs­ver­stei­ge­rung und die Zwangs­ver­wal­tung (ZVG) füh­ren zu einer Haf­tung nach § 14c Abs. 1 UStG. § 566 BGB dient dem Mie­ter­schutz. Er lässt Ver­mie­ter­rech­te und ‑pflich­ten zur Siche­rung der bestehen­den Miet­ver­hält­nis­se über­ge­hen, nicht aber öffent­lich-recht­li­che Steu­er­schul­den aus fal­schen Rech­nun­gen. Dar­auf weist der Bun­des­ge­richts­hof im Urteil vom 27.10.2021 unter dem Akten­zei­chen XII ZR 84/20 hin. Zudem besteht kei­ne zivil­recht­li­che Pflicht, eine gesetz­lich nicht geschul­de­te Umsatz­steu­er aus­zu­wei­sen. Das hat der Bun­des­ge­richts­hof bereits am 26.6.2014 unter dem Akten­zei­chen VII ZR 247/13 klargestellt.

Auch über den Weg der Geschäfts­ver­äu­ße­rung im Gan­zen nach § 1 Abs. 1a des Umsatz­steu­er­ge­set­zes (UStG) gelingt die Zurech­nung nicht. Selbst wenn man beim Erwerb eines ver­mie­te­ten Grund­stücks eine Geschäfts­ver­äu­ße­rung annimmt, tritt der Erwer­ber nur in die umsatz­steu­er­li­che Stel­lung ein, die den über­tra­ge­nen Ver­mö­gens­ge­gen­stand betrifft. Ein im Miet­ver­trag des Ver­äu­ße­rers ent­hal­te­ner unrich­ti­ger Steu­er­aus­weis gehört nicht zu den über­tra­ge­nen Wirtschaftsgütern. 

Ein »Über­wa­chungs­ver­schul­den« nach der Recht­spre­chung des Gerichts­hofs der Euro­päi­schen Uni­on greift eben­falls nicht. Die Klä­ge­rin war in den Miet­ver­trä­gen nicht als Rech­nungs­aus­stel­le­rin benannt. Damit fehlt es schon an der Grund­la­ge, eine Pflicht­ver­let­zung die­ser Art zu konstruieren.

Die Fol­ge ist klar. Die Klä­ge­rin schul­det kei­ne Steu­er nach § 14c Abs. 1 UStG aus den vom Vor­ei­gen­tü­mer stam­men­den Vertragsunterlagen. 

Für die Pra­xis lässt sich das Ergeb­nis in Tat­be­stands­merk­ma­len und Vor­aus­set­zun­gen von § 14c Abs. 1 UStG zusam­men­fas­sen. Ers­tens muss eine Rech­nung vor­lie­gen, die den Ein­druck einer Abrech­nung für eine kon­kre­te Leis­tung ver­mit­telt. Zwei­tens muss der­je­ni­ge, dem die Steu­er zuge­rech­net wird, die­se Rech­nung selbst aus­ge­stellt haben oder sie muss ihm nach Zivil­recht zuge­rech­net wer­den kön­nen. Drit­tens ist die Steu­er höher aus­ge­wie­sen, als sie nach dem Gesetz geschul­det ist. Art. 203 MwSt­Sys­tRL erklärt nur den­je­ni­gen zum Schuld­ner, der in der Rech­nung Steu­er aus­weist. Auf Erwer­ber von Immo­bi­li­en lässt sich das ohne eige­ne Mit­wir­kung nicht über­tra­gen. Ein Eigen­tü­mer­wech­sel nach § 566 BGB oder eine Geschäfts­ver­äu­ße­rung nach § 1 Abs. 1a UStG ändern dar­an nichts.

Damit steht fest: Der Grund­stücks­er­wer­ber haf­tet nicht für fal­sche Umsatz­steu­er­aus­wei­se in über­nom­me­nen Miet­ver­trä­gen. Die Ver­ant­wor­tung bleibt bei dem­je­ni­gen, der den unrich­ti­gen Steu­er­aus­weis ver­an­lasst hat. 

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2. Für freiberufliche Partnerschaften: Nicht in jedem Fall die Ist-Versteuerung?

Frei­be­ruf­ler ste­hen bei der Umsatz­steu­er immer wie­der vor der Fra­ge, ob sie die Steu­er erst dann anmel­den müs­sen, wenn das Hono­rar tat­säch­lich auf dem Kon­to ist. Gemeint ist die soge­nann­te Ist-Ver­steue­rung. Der Gesetz­ge­ber erlaubt sie auf Antrag in klar umgrenz­ten Fäl­len. Streit ent­zün­det sich häu­fig dar­an, ob ein Frei­be­ruf­ler, der frei­wil­lig Bücher führt und sei­nen Gewinn wie ein Kauf­mann ermit­telt, trotz­dem in den Genuss die­ser Liqui­di­täts­er­leich­te­rung kommt. Genau dazu hat das Finanz­ge­richt Baden-Würt­tem­berg entschieden. 

Im ent­schie­de­nen Fall ging es um eine Part­ner­schaft von Rechts­an­wäl­ten, Wirt­schafts­prü­fern und Steu­er­be­ra­tern. Die Gesell­schaft ermit­tel­te ihren Gewinn durch Betriebs­ver­mö­gens­ver­gleich nach den Regeln des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes und führ­te frei­wil­lig Bücher. Über vie­le Jah­re hat­te das Finanz­amt die Ist-Ver­steue­rung still­schwei­gend zuge­las­sen. Spä­ter nahm es die­se Gestat­tung ab 1.1.2019 zurück. Nach einem wei­te­ren Antrag auf Geneh­mi­gung ab 2021 lehn­te das Finanz­amt erneut ab. Die Part­ner­schaft erhob dar­auf­hin Sprung­kla­ge. Hin­ter­grund war auch ein Beschluss des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 23.12.2021 unter dem Akten­zei­chen V B 22/21, wonach eine kon­klu­den­te Gestat­tung nicht als Dau­er­ver­wal­tungs­akt gilt, son­dern jeweils nur für den ein­zel­nen Besteuerungszeitraum. 

Die Klä­ge­rin berief sich vor allem auf den Wort­laut des § 20 Absatz 1 Satz 1 Num­mer 3 des Umsatz­steu­er­ge­set­zes (UStG). Danach kann das Finanz­amt bei Umsät­zen aus frei­be­ruf­li­cher Tätig­keit die Besteue­rung nach ver­ein­nahm­ten Ent­gel­ten zulas­sen. Mehr for­de­re die Norm nicht. Eine frei­wil­li­ge Buch­füh­rung sei kein Aus­schluss­grund. Die gegen­tei­li­ge Sicht der Recht­spre­chung über­schrei­te nach ihrer Ansicht die Gren­zen zuläs­si­ger Auslegung. 

Zur Unter­maue­rung ver­wie­sen die Klä­ger unter ande­rem auf das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt vom 28.11.2023 unter dem Akten­zei­chen 2 BvL 8/13 zu den Maß­stä­ben geset­zes­kon­for­mer Aus­le­gung. Außer­dem habe der Gesetz­ge­ber mit dem Jah­res­steu­er­ge­setz 2022 in § 20 Satz 1 Num­mer 4 UStG für juris­ti­sche Per­so­nen des öffent­li­chen Rechts aus­drück­lich gere­gelt, dass die Ist-Ver­steue­rung nur ohne Buch­füh­rung mög­lich ist. Hät­te er das auch für Frei­be­ruf­ler gewollt, hät­te er es dort eben­so klar for­mu­liert. Schließ­lich berief sich die Klä­ge­rin auf Gleich­be­hand­lung. In der Ver­wal­tungs­pra­xis wer­de ande­ren frei­wil­lig buch­füh­ren­den Frei­be­ruf­lern die Ist-Ver­steue­rung gestat­tet, etwa wenn sie nur eine Ein­nah­men­über­schuss­rech­nung füh­ren oder offe­ne Pos­ten in Lis­ten überwachen. 

Das Finanz­ge­richt Baden-Würt­tem­berg wies die Kla­ge ab. Die Rich­ter ent­schie­den am 9.7.2024 unter dem Akten­zei­chen 9 K 86/24, dass die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 20 UStG nicht erfüllt sind, weil die Part­ner­schaft frei­wil­lig Bücher führt. Das Gericht folg­te damit der Linie des Bun­des­fi­nanz­hofs aus dem Urteil vom 22.7.2010 unter dem Akten­zei­chen V R 4/09 und der Ent­schei­dung vom 22.7.2010 unter dem Akten­zei­chen V R 36/08. Die obers­ten Finanz­rich­ter hat­ten die Norm teleo­lo­gisch redu­ziert. Danach kommt die Ist-Ver­steue­rung bei frei­be­ruf­li­chen Umsät­zen nicht in Betracht, wenn der Unter­neh­mer gesetz­lich oder frei­wil­lig Bücher führt. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat die Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit die­ser restrik­ti­ven Aus­le­gung mit Beschluss vom 20.3.2013 unter dem Akten­zei­chen 1 BvR 3063/10 bestätigt. 

Zur Begrün­dung stell­te das Gericht auf Zweck, Sys­te­ma­tik und Ent­ste­hungs­ge­schich­te ab. § 20 UStG ver­mei­det vor allem zusätz­li­che Auf­zeich­nun­gen nur für die Umsatz­steu­er. Wer ohne­hin Bücher führt, braucht für die Soll-Ver­steue­rung kei­ne geson­der­ten Auf­zeich­nun­gen mehr. Eine Pri­vi­le­gie­rung durch die Ist-Ver­steue­rung passt dann nicht zum Kon­zept des Geset­zes. Das zeigt auch der sys­te­ma­ti­sche Zusam­men­hang mit § 20 Absatz 1 Satz 1 Num­mer 2 UStG und der dor­ti­gen Anknüp­fung an Erleich­te­run­gen nach der Abga­ben­ord­nung (AO). Für Fäl­le, in denen Unter­neh­mer schon kraft Geset­zes nicht buch­füh­rungs­pflich­tig sind, kor­ri­giert Num­mer 3 die­sen Mecha­nis­mus, ohne frei­wil­lig Buch­füh­ren­de ein­zu­be­zie­hen. Die spä­te­re Ergän­zung in § 20 Satz 1 Num­mer 4 UStG für juris­ti­sche Per­so­nen des öffent­li­chen Rechts ändert dar­an nichts. Sie bestä­tigt viel­mehr, dass das Kri­te­ri­um »kei­ne Buch­füh­rung« ent­schei­dend ist, wenn man die Ver­mei­dung zusätz­li­cher Auf­zeich­nun­gen als Leit­mo­tiv ernst nimmt. 

Auch mit dem Gleich­be­hand­lungs­ar­gu­ment hat­te die Klä­ger kei­nen Erfolg. Die Rich­ter hiel­ten die unter­schied­li­che Behand­lung gegen­über Steu­er­pflich­ti­gen, die eine Ein­nah­men­über­schuss­rech­nung nach dem Ein­kom­men­steu­er­ge­setz (EStG) nut­zen oder nur offe­ne Pos­ten Lis­ten füh­ren, für sach­ge­recht. Der Gewinn durch Betriebs­ver­mö­gens­ver­gleich passt von sei­ner Logik her zur umsatz­steu­er­li­chen Soll-Ver­steue­rung. Eine Über­tra­gung einer mög­li­cher­wei­se groß­zü­gi­gen Ver­wal­tungs­pra­xis auf nicht erfass­te Fäl­le kommt nicht in Betracht. Aus einem etwa­ig rechts­wid­ri­gen Ver­wal­tungs­voll­zug erwächst kein Anspruch auf Ausdehnung. 

Wich­tig für die Pra­xis sind die tat­be­stand­li­chen Eck­punk­te, die das Gericht klar her­aus­ar­bei­tet. Ein Antrag auf Ist-Ver­steue­rung setzt bei Frei­be­ruf­lern nach § 20 Absatz 1 Satz 1 Num­mer 3 UStG vor­aus, dass frei­be­ruf­li­che Umsät­ze vor­lie­gen und kei­ne Bücher geführt wer­den. Frei­wil­li­ge Buch­füh­rung steht der Geneh­mi­gung ent­ge­gen. Wer sei­nen Gewinn durch Betriebs­ver­mö­gens­ver­gleich ermit­telt, fällt regel­mä­ßig aus der Begüns­ti­gung her­aus. Der Norm­zweck ist die Ver­mei­dung zusätz­li­cher Auf­zeich­nun­gen nur für Zwe­cke der Umsatz­steu­er. Liqui­di­täts­ge­sichts­punk­te ändern dar­an nichts. 

Abschlie­ßend ließ das Finanz­ge­richt die Revi­si­on zu, wel­che unter dem Akten­zei­chen V R 16/24 anhän­gig ist. Die Fra­ge, ob die Ist-Ver­steue­rung für frei­wil­lig buch­füh­ren­de Frei­be­ruf­ler zu gewäh­ren ist, hat grund­sätz­li­che Bedeu­tung. Der Bun­des­fi­nanz­hof hat dies in der Ver­gan­gen­heit nur am Ran­de ange­spro­chen. Die obers­ten Finanz­rich­ter wer­den sich daher mit den aktu­el­len Gegen­ar­gu­men­ten und der spä­te­ren Geset­zes­er­gän­zung befassen. 

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3. Für Immobilienkäufer: Grunderwerbsteuer bei nachträglichen Sonderwünschen für noch zu errichtende Gebäude

Wer beim Bau­trä­ger­kauf nach­träg­lich »Son­der­wün­sche« bestellt, denkt an Kom­fort und Gestal­tung. Steu­er­lich steckt mehr dahin­ter. Ent­schei­dend ist, ob die zusätz­li­chen Leis­tun­gen zur grund­er­werb­steu­er­li­chen Gegen­leis­tung gehö­ren. Die Grund­er­werb­steu­er knüpft an die gesam­te Gegen­leis­tung an. Das regelt das Grund­er­werb­steu­er­ge­setz (GrEStG) in § 8 Absatz 1 und in § 9 GrEStG. 

Zusätz­li­che Zah­lun­gen des Käu­fers an den Ver­äu­ße­rer kön­nen nach § 9 Absatz 2 Num­mer 1 GrEStG die Bemes­sungs­grund­la­ge erhö­hen. Das setzt einen bereits ver­wirk­lich­ten Erwerbs­vor­gang nach § 1 Absatz 1 Num­mer 1 GrEStG, eine nach­träg­li­che zusätz­li­che Leis­tung und einen recht­li­chen Zusam­men­hang mit dem Erwerbs­ge­schäft vor­aus. Kein Zusam­men­hang liegt vor, wenn der Käu­fer sei­ne Extras direkt und eigen­stän­dig bei frem­den Hand­wer­kern beauf­tragt. Des­halb kommt es auf die Ver­trags­ge­stal­tung an. Aktu­ell muss­ten rund um das The­ma zwei Steu­er­strei­te ent­schie­den werden.

Im ers­ten Streit­fall geht es um den Kauf einer Dop­pel­haus­hälf­te als Aus­bau­haus. Im nota­ri­el­len Ver­trag ist die Bau- und Leis­tungs­be­schrei­bung ein­be­zo­gen. Sie ent­hält eine Viel­zahl von Aus­stat­tungs­merk­ma­len. Zugleich ist gere­gelt, dass die Kos­ten für Haus­an­schlüs­se vom Käu­fer zu tra­gen sind. Das Finanz­amt setzt zunächst die Grund­er­werb­steu­er auf Basis des Kauf­prei­ses fest. Spä­ter for­dert es wei­te­re Grund­er­werb­steu­er wegen nach­träg­lich bei der Ver­käu­fe­rin beauf­trag­ter Leis­tun­gen, etwa Innen­tü­ren, Moto­ren für Roll­lä­den, Flie­sen, Boden­be­lä­ge und Pflas­ter­ar­bei­ten. Auch Haus­an­schluss­kos­ten bezieht es ein. Der Käu­fer hält die Nach­trä­ge für vom Kauf unab­hän­gi­ge Abre­den. Das Finanz­ge­richt weist die Kla­ge ab. Die obers­ten Finanz­rich­ter heben die Ent­schei­dung teil­wei­se auf. Sie stel­len klar, dass die meis­ten Son­der­wün­sche zusätz­li­che Leis­tun­gen im Sin­ne des § 9 Absatz 2 Num­mer 1 GrEStG sind und der Grund­er­werb­steu­er unter­lie­gen. Für die Haus­an­schluss­kos­ten gilt das aber hier nicht. Denn die Über­nah­me die­ser Kos­ten ist bereits im ursprüng­li­chen Kauf­ver­trag ver­ein­bart. Sol­che bereits bei Ver­trags­schluss geschul­de­ten Beträ­ge gehö­ren nicht zu § 9 Absatz 2 Num­mer 1 GrEStG. In Betracht kommt dann § 9 Absatz 1 Num­mer 1 GrEStG oder eine nicht steu­er­ba­re Eigen­leis­tung. Außer­dem ist die Steu­er für die nach­träg­li­chen Leis­tun­gen in einem selb­stän­di­gen Bescheid fest­zu­set­zen. Das ent­schei­det der Bun­des­fi­nanz­hof am 30.10.2024 unter dem Akten­zei­chen II R 18/22.

Im zwei­ten Streit­fall erwer­ben Ehe­leu­te Woh­nun­gen in einem noch zu errich­ten­den Gebäu­de. Der Ver­trag ent­hält aus­drück­lich, dass Ände­rungs­wün­sche nur gegen Über­nah­me der ent­ste­hen­den Mehr­kos­ten berück­sich­tigt wer­den. Eige­ne Arbei­ten oder direk­te Auf­trä­ge an Hand­wer­ker vor Über­ga­be sind aus­ge­schlos­sen. Nach Beginn der Roh­bau­ar­bei­ten beauf­tra­gen die Erwer­ber bei der Ver­käu­fe­rin zahl­rei­che Son­der­wün­sche. Das Finanz­amt erlässt zusätz­lich zur Erst­erfas­sung einen wei­te­ren Grund­er­werb­steu­er­be­scheid. Die Erwer­ber argu­men­tie­ren, es hand­le sich um eigen­stän­di­ge, vom Kauf los­ge­lös­te Ent­schei­dun­gen. Teil­wei­se sei­en Arbei­ten erst nach Über­ga­be fer­tig­ge­stellt wor­den. Das Finanz­ge­richt folgt jedoch auch hier dem Finanz­amt. Das obers­te Finanz­ge­richt bestä­tigt zudem die­se Sicht. Die zusätz­li­chen Ver­gü­tun­gen für die Son­der­wün­sche ste­hen in einem recht­li­chen Zusam­men­hang mit dem Erwerb. Der Ver­trag fun­giert wie ein Rah­men. Er ver­pflich­tet zur Über­nah­me der Mehr­kos­ten und bin­det die Käu­fer an die Ver­käu­fer­sei­te. Dass ein­zel­ne Arbei­ten erst nach Über­ga­be fer­tig­ge­stellt wer­den, ändert dar­an und an der Grund­er­werb­steu­er­pflicht nichts. Maß­geb­lich ist die bin­den­de Ver­ein­ba­rung über die Son­der­wün­sche vor Über­ga­be. Auch hier ist die Steu­er in einem eigen­stän­di­gen Bescheid fest­zu­set­zen. So ent­schei­den die obers­ten Finanz­rich­ter am 30.10.2024 unter dem Akten­zei­chen II R 15/22.

Die Kern­aus­sa­gen der bei­den Ent­schei­dun­gen las­sen sich auf ein­fa­che Tat­be­stands­merk­ma­le herunterbrechen. 

Ers­tens braucht es einen vor­he­ri­gen Erwerb des Grund­stücks mit noch zu errich­ten­dem Gebäu­de nach § 1 Absatz 1 Num­mer 1 GrEStG. 

Zwei­tens zahlt der Erwer­ber spä­ter zusätz­lich an den Veräußerer. 

Drit­tens besteht ein recht­li­cher Zusam­men­hang mit dem Erwerbs­ge­schäft. Die­ser Zusam­men­hang ergibt sich, wenn der Ver­käu­fer ohne­hin geschul­de­te Bau­leis­tun­gen kon­kre­ti­siert, ändert oder durch hoch­wer­ti­ge­re Mate­ria­li­en ersetzt und dafür eine Mehr­ver­gü­tung erhält. Er besteht auch, wenn der Ver­trag die Tra­gung der Mehr­kos­ten regelt und die Aus­füh­rung eige­ner Arbei­ten vor Über­ga­be aus­schließt. Das bejaht das obers­te Finanz­ge­richt im Fall der Woh­nun­gen. Es ver­neint ihn nur dort, wo die Kos­ten – hier die Haus­an­schlüs­se – bereits im Ursprungs­ver­trag dem Käu­fer auf­er­legt sind. Dann han­delt es sich nicht um eine nach­träg­li­che zusätz­li­che Leis­tung nach § 9 Absatz 2 Num­mer 1 GrEStG. 

Für die Pra­xis bedeu­tet das Fol­gen­des. Wer beim Bau­trä­ger nach­träg­lich Extras bestellt und dafür an die Ver­käu­fer­sei­te zahlt, löst regel­mä­ßig zusätz­li­che Grund­er­werb­steu­er aus. 

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4. Für Eltern: Kindergeld wegen seelischer Behinderung (und deren Nachweis)

Wer für ein voll­jäh­ri­ges Kind Kin­der­geld wegen einer see­li­schen Behin­de­rung bean­sprucht, steht oft vor der Fra­ge, wie die­se Behin­de­rung rechts­si­cher nach­zu­wei­sen ist und wer ein taug­li­ches Gut­ach­ten erstel­len darf. 

Das Ein­kom­men­steu­er­ge­setz (EStG) gewährt Kin­der­geld auch nach dem 18. Geburts­tag, wenn das Kind wegen kör­per­li­cher, geis­ti­ger oder see­li­scher Behin­de­rung außer­stan­de ist, sich selbst zu unter­hal­ten. Ent­schei­dend sind der gesetz­li­che Behin­de­rungs­be­griff des Neun­ten Buchs Sozi­al­ge­setz­buch (SGB IX) und die Kau­sa­li­tät der Behin­de­rung für die feh­len­de Fähig­keit zum Selbst­un­ter­halt. Eine Behin­de­rung liegt vor, wenn die see­li­sche Gesund­heit mit hoher Wahr­schein­lich­keit län­ger als sechs Mona­te vom alters­üb­li­chen Zustand abweicht und dadurch die Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben beein­träch­tigt ist. Die Fähig­keit zum Selbst­un­ter­halt wird für jeden Monat anhand eines Ver­gleichs von Bedarf und Mit­teln geprüft. Die­se Grund­sät­ze hat das obers­te Finanz­ge­richt erneut bestätigt. 

Im ent­schie­de­nen Fall ging es um die Mut­ter einer 1996 gebo­re­nen Toch­ter. Nach Abitur und Neben­job folg­ten erheb­li­che gesund­heit­li­che Belas­tun­gen: Ent­fer­nung der Schild­drü­se wegen eines Tumors, anschlie­ßen­de Radio­the­ra­pie, spä­ter der Ver­dacht auf einen Brust­tu­mor, der sich als gut­ar­tig erwies und 2017 ent­fernt wur­de. Im Streit­zeit­raum Okto­ber 2016 bis Okto­ber 2017 erziel­te die Toch­ter nur gering­fü­gi­ge Ein­künf­te bis 450 Euro monat­lich. Die Fami­li­en­kas­se hob eine frü­he­re Kin­der­geld­fest­set­zung teil­wei­se auf und for­der­te Beträ­ge zurück. Die Mut­ter hielt dem ent­ge­gen, die Toch­ter habe wegen einer Depres­si­on ihren Unter­halt nicht sichern kön­nen. Das Finanz­ge­richt Ham­burg hol­te dar­auf­hin ein psy­cho­lo­gisch-psy­cho­the­ra­peu­ti­sches Gut­ach­ten eines Diplom-Psy­cho­lo­gen ein und gab der Kla­ge für den 13-mona­ti­gen Streit­zeit­raum statt. Die Fami­li­en­kas­se leg­te jedoch Revi­si­on ein und ver­lang­te eine ärzt­li­che Begutachtung. 

Die obers­ten Finanz­rich­ter ent­schie­den schließ­lich am 16.1.2025 unter dem Akten­zei­chen III R 9/23, dass das Finanz­ge­richt sei­ne Über­zeu­gung vom Vor­lie­gen einer see­li­schen Behin­de­rung auch auf ein retro­spek­ti­ves Gut­ach­ten eines psy­cho­lo­gi­schen Psy­cho­the­ra­peu­ten stüt­zen darf. Maß­geb­lich für die Aus­wahl eines Sach­ver­stän­di­gen ist die Sach­kun­de zur kon­kre­ten Beweis­fra­ge. Die Finanz­ge­rich­te ent­schei­den in frei­er Beweis­wür­di­gung aus dem Gesamt­ergeb­nis des Ver­fah­rens. Die Zuzie­hung und Aus­wahl eines Sach­ver­stän­di­gen ste­hen in ihrem pflicht­ge­mä­ßen Ermes­sen. Eine zusätz­li­che ärzt­li­che Stel­lung­nah­me ist nicht zwin­gend, wenn ein aus­rei­chend qua­li­fi­zier­ter psy­cho­lo­gi­scher Psy­cho­the­ra­peut die ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fra­gen fach­kun­dig beantwortet. 

Recht­lich knüpft die Ent­schei­dung an § 32 Absatz 4 Satz 1 Num­mer 3 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) an. Für den Behin­de­rungs­be­griff ist § 2 Absatz 1 des Neun­ten Buchs Sozi­al­ge­setz­buch (SGB IX) maß­geb­lich. Das Gericht betont den drei­glied­ri­gen Prü­fungs­maß­stab aus Abwei­chung vom alters­üb­li­chen Zustand, vor­aus­sicht­li­cher Dau­er von mehr als sechs Mona­ten und dar­aus fol­gen­der Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung. Für die Unfä­hig­keit zum Selbst­un­ter­halt stellt das EStG auf den monat­li­chen Abgleich von Bedarf ein­schließ­lich behin­de­rungs­be­ding­tem Mehr­be­darf und vor­han­de­nen Mit­teln ab. 

Beson­de­re Bedeu­tung hat der Blick ins Ach­te Buch Sozi­al­ge­setz­buch. § 35a des Ach­ten Buchs Sozi­al­ge­setz­buch (SGB VIII) nennt aus­drück­lich neben Fach­ärz­ten auch Kin­der- und Jugend­li­chen- Psy­cho­the­ra­peu­ten sowie psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten mit beson­de­rer Erfah­rung als sach­kun­di­ge Per­so­nen für Stel­lung­nah­men zur see­li­schen Gesund­heit. Dar­aus fol­gert das obers­te Finanz­ge­richt, dass es kei­nen Grund gibt, im Kin­der­geld­recht die Gut­ach­ter­rol­le auf Ärz­te zu beschrän­ken. Die ent­schei­den­de Fra­ge ist die Exper­ti­se im Hin­blick auf see­li­sche Stö­run­gen und deren Aus­wir­kun­gen auf die Teilhabe. 

Ange­wandt auf den Fall hielt das Finanz­ge­richt die Toch­ter im gesam­ten Streit­zeit­raum wegen einer mit­tel­gra­di­gen depres­si­ven Epi­so­de nach ICD-10 für see­lisch behin­dert. Der Sach­ver­stän­di­ge beschrieb eine aus einer Anpas­sungs­stö­rung her­vor­ge­gan­ge­ne Neu­ro­se und leg­te nach­voll­zieh­bar dar, dass die Stö­rung bis Okto­ber 2017 anhielt. Erst danach sta­bi­li­sier­te sich die Lage wie­der. Das Gericht stell­te zudem fest, dass die see­li­sche Stö­rung die Fähig­keit zur Ein­glie­de­rung in Arbeit so deut­lich ein­schränk­te, dass eine Beschäf­ti­gung von mehr als 15 Wochen­stun­den nicht in Betracht kam. Damit war die Toch­ter im Streit­zeit­raum außer­stan­de, sich selbst zu unter­hal­ten. Die Ein­wän­de der Fami­li­en­kas­se gegen Dau­er und Aus­maß der Ein­schrän­kun­gen grif­fen nicht. Eine zusätz­li­che ärzt­li­che Begut­ach­tung war nicht erfor­der­lich, zumal die Haus­ärz­tin kei­ne wei­ter­füh­ren­den Fest­stel­lun­gen bei­tra­gen konnte. 

Für die Pra­xis heißt das: Ein sorg­fäl­tig begrün­de­tes Gut­ach­ten eines psy­cho­lo­gi­schen Psy­cho­the­ra­peu­ten kann den Nach­weis einer see­li­schen Behin­de­rung im Sin­ne des EStG tra­gen. Ent­schei­dend sind eine trag­fä­hi­ge Dia­gno­se, die Dar­le­gung der Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung und der nach­voll­zieh­ba­re Zusam­men­hang zur feh­len­den Fähig­keit, den eige­nen Lebens­un­ter­halt zu bestrei­ten. Wo die Sach­kun­de stimmt, ist die ärzt­li­che Form nicht zwin­gend. Das Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 16.1.2025 unter dem Akten­zei­chen III R 9/23 stärkt damit Fami­li­en, die in psy­chisch belas­ten­den Aus­nah­me­pha­sen auf Kin­der­geld ange­wie­sen sind. 

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5. Für Erben: Konkretisierung der Voraussetzung für die Steuerbefreiung des Familienheims

Wer eine Woh­nung von den Eltern erbt, hofft oft auf die Steu­er­be­frei­ung für das »Fami­li­en­heim«. Streit gibt es vor allem dann, wenn die ver­stor­be­ne Per­son die Woh­nung nie selbst bewohnt hat, aber eigent­lich dort­hin umzie­hen woll­te, etwa wegen Krankheit. 

Das Finanz­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg hat hier­zu klar Stel­lung genom­men und die Befrei­ung ver­sagt. Maß­geb­lich ist, dass das Fami­li­en­heim vor dem Erb­fall bereits den Mit­tel­punkt des fami­liä­ren Lebens der Erb­las­se­rin gebil­det hat. Das ist bei einer nie selbst bewohn­ten Woh­nung nicht der Fall. Die Ent­schei­dung erging am 19.12.2024 unter dem Akten­zei­chen 14 K 14131/22.

Im Hin­ter­grund steht § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 des Erb­schaft­steu­er- und Schen­kung­steu­er­ge­set­zes (ErbStG). Die Vor­schrift stellt den Erwerb einer Woh­nung von Todes wegen durch Kin­der steu­er­frei, wenn der Erb­las­ser dort bis zum Erb­fall zu eige­nen Wohn­zwe­cken gelebt hat oder aus zwin­gen­den Grün­den an die­ser Selbst­nut­zung gehin­dert war und wenn der Erwer­ber die Woh­nung unver­züg­lich selbst zu Wohn­zwe­cken nutzt. Im ent­schie­de­nen Fall ver­starb die Mut­ter 2020. Zum Nach­lass gehör­ten eine Woh­nung in der B‑allee sowie ein hälf­ti­ger Mit­ei­gen­tums­an­teil an einer Woh­nung in der D‑straße, nur rund 130 Meter von­ein­an­der ent­fernt. Die Woh­nung in der D‑straße bewohn­te zuvor die Groß­mutter. Die Mut­ter leb­te bis zu ihrem Tod durch­ge­hend in der Woh­nung in der B‑allee und nutz­te die D‑straße nie als Lebens­mit­tel­punkt. Der Sohn als Allein­er­be zog nach dem Tod der Mut­ter in die D‑straße und bean­trag­te die Steu­er­be­frei­ung. Das Finanz­amt lehn­te ab. Der Sohn klagte. 

Das Finanz­ge­richt bestä­tig­te die Ver­sa­gung der Befrei­ung. Die Rich­ter leg­ten § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG teleo­lo­gisch ein­schrän­kend aus. Die Alter­na­ti­ve »oder bei der er aus zwin­gen­den Grün­den an einer Selbst­nut­zung gehin­dert war« schützt nur den Fort­be­stand eines bereits bestehen­den fami­liä­ren Lebens­mit­tel­punkts, etwa wenn jemand kurz vor dem Tod aus gesund­heit­li­chen Grün­den in ein Pfle­ge­heim umzieht. Hat der Erb­las­ser die ver­erb­te Woh­nung zu kei­nem Zeit­punkt selbst bewohnt, fehlt es am geschütz­ten Fami­li­en­ge­brauchs­ver­mö­gen. Eine Nie-Nut­zung zwi­schen Anschaf­fung und Tod reicht nicht aus. Genau dar­an schei­ter­te der Fall. Die Erb­las­se­rin nutz­te aus­schließ­lich die Woh­nung in der B‑allee als Haupt­woh­nung. Besu­che in der D‑straße und das Emp­fan­gen von Gäs­ten dort änder­ten dar­an nichts. Die Befrei­ung ist daher ausgeschlossen. 

Die Rich­ter beton­ten außer­dem, dass bau­lich getrenn­te Immo­bi­li­en eigen­stän­di­ge Ver­mö­gens­wer­te sind. Eine Behand­lung als »Ein­heit« kommt nicht in Betracht, auch wenn die Fami­lie, die nahe bei­ein­an­der lie­gen­den Woh­nun­gen sub­jek­tiv als zusam­men­ge­hö­rig emp­fand. Maß­geb­lich ist die objek­ti­ve Tren­nung. Die Annah­me einer »Ein­heit« wür­de miss­bräuch­li­che Gestal­tun­gen begüns­ti­gen und fin­det im Gesetz kei­ne Grund­la­ge. Auch inso­weit folg­te das Gericht einer ver­brei­te­ten finanz­ge­richt­li­chen Linie. 

Zur Ein­ord­nung ver­wies das Gericht auf ein­schlä­gi­ge Recht­spre­chung. So hat das Finanz­ge­richt Mün­chen am 22.10.2014 unter dem Akten­zei­chen 4 K 2517/12 eben­so eine restrik­ti­ve Aus­le­gung ver­tre­ten. Das Hes­si­sche Finanz­ge­richt ent­schied am 30.9.2015 unter dem Akten­zei­chen 1 K 1654/14 in die glei­che Rich­tung. Das Finanz­ge­richt Mün­chen urteil­te am 24.2.2016 unter dem Akten­zei­chen 4 K 2885/14. Das Finanz­ge­richt Köln ent­schied am 27.1.2016 unter dem Akten­zei­chen 7 K 247/14. Jüngst urteil­te das Nie­der­säch­si­sche Finanz­ge­richt am 13.3.2024 unter dem Akten­zei­chen 3 K 154/23. Die obers­ten Finanz­rich­ter haben zur hier strei­ti­gen Fra­ge des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG noch nicht aus­drück­lich ent­schie­den. Für § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG hat der Bun­des­fi­nanz­hof jedoch am 18.7.2013 unter dem Akten­zei­chen II R 35/11 klar­ge­stellt, dass nur der tat­säch­li­che Mit­tel­punkt des fami­liä­ren Lebens als Fami­li­en­heim gilt, sodass Zweit­woh­nun­gen nicht begüns­tigt sind. Für die Erwer­ber­sei­te hat das obers­te Finanz­ge­richt am 23.6.2015 unter dem Akten­zei­chen II R 13/13 ent­schie­den, dass die Befrei­ung ent­fällt, wenn der Erbe von vorn­her­ein nicht ein­zie­hen kann und es auch nicht tut. Das Finanz­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg knüpft an die­se Leit­ge­dan­ken an. 

Auch Argu­men­te zur zivil- oder bewer­tungs­recht­li­chen Grund­stücks­ein­heit tru­gen nicht. Ob man das »Grund­stück« im Sin­ne des Bür­ger­li­chen Gesetz­buchs oder des Bewer­tungs­ge­set­zes ver­steht, hilft hier nicht wei­ter. In bei­den Les­ar­ten blei­ben die Woh­nun­gen getrenn­te Objek­te. Das Gericht ver­wies in die­sem Zusam­men­hang zudem auf das Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 23.2.2021 unter dem Akten­zei­chen II R 29/19 sowie auf das Urteil des Finanz­ge­richts Köln vom 30.1.2019 unter dem Akten­zei­chen 7 K 1000/17.

Für die Pra­xis wich­tig sind die Tat­be­stands­merk­ma­le. Die Woh­nung darf höchs­tens 200 Qua­drat­me­ter haben. Der Erb­las­ser muss sie bis zum Erb­fall selbst genutzt haben oder aus zwin­gen­den Grün­den an der Fort­set­zung die­ser bereits auf­ge­nom­me­nen Selbst­nut­zung gehin­dert gewe­sen sein. Der Erbe muss sie unver­züg­lich selbst bewoh­nen. Fehlt die vor­an­ge­gan­ge­ne Selbst­nut­zung des Erb­las­sers voll­stän­dig, schei­det die Befrei­ung aus. Eine blo­ße Absicht zum Umzug oder eine Krank­heits­la­ge ohne vor­he­ri­ge Eigen­nut­zung hilft nicht. Getrenn­te Woh­nun­gen blei­ben getrenn­te Ver­mö­gens­wer­te. Eine »Ein­heits­be­trach­tung« fin­det nicht statt. 

Für die Pra­xis bes­ser ist die Steu­er­be­frei­ung für die Über­tra­gung des Fami­li­en­heims zu Leb­zei­ten. Die­se gilt zwar nur unter Ehe­leu­ten, hat aber dafür kaum Vor­aus­set­zun­gen, so dass die Rege­lung grund­sätz­lich per­fekt geeig­net ist, um Ver­mö­gen unter den Ehe­leu­ten gleich­mä­ßi­ger zu verteilen.

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6. Für Freiberufler: Zur kaufmännischen Führung durch einen Berufsträger

Ob eine gro­ße Gemein­schafts­pra­xis von Zahn­ärz­ten als frei­be­ruf­lich oder als gewerb­lich gilt, ent­schei­det über viel Geld. Frei­be­ruf­li­che Ein­künf­te sind nicht mit Gewer­be­steu­er belas­tet. Bei Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten ver­langt das Gesetz, dass alle Mit­un­ter­neh­mer den frei­en Beruf per­sön­lich aus­üben. Maß­stab ist § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG). Der Fall, den die obers­ten Finanz­rich­ter nun aktu­ell ent­schie­den haben, dreht sich um die Fra­ge, ob die kauf­män­ni­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Lei­tung durch einen zuge­las­se­nen Zahn­arzt als eige­ne frei­be­ruf­li­che Tätig­keit zählt. 

Die Pra­xis war eine Part­ner­schafts­ge­sell­schaft mit sie­ben appro­bier­ten Zahn­ärz­ten. Einer der Seni­or­part­ner, Dr. AM, über­nahm seit Grün­dung nahe­zu voll­stän­dig die Orga­ni­sa­ti­on. Er regel­te Ver­trä­ge, Behör­den­kon­tak­te, Qua­li­täts­ma­nage­ment, Per­so­nal, Strah­len­schutz, War­tung und Umbau­ten. Er erle­dig­te Repa­ra­tu­ren regel­mä­ßig an einem fes­ten Wochen­tag in den Pra­xis­räu­men. Behand­lun­gen führ­te er nur in sehr gerin­gem Umfang durch. Im Streit­jahr beriet er fünf Pati­en­ten kon­si­lia­risch. Nach einer Betriebs­prü­fung stuf­te das Finanz­amt die Ein­künf­te der Gesell­schaft als gewerb­lich ein. Das Finanz­ge­richt Rhein­land-Pfalz bestä­tig­te dies am 16.9.2021 unter dem Akten­zei­chen 4 K 1270/19. Die Gesell­schaft wand­te sich dage­gen mit Erfolg. 

Das obers­te Finanz­ge­richt ent­schied am 4.2.2025 unter dem Akten­zei­chen VIII R 4/22, dass die Pra­xis frei­be­ruf­li­che Ein­künf­te erzielt. Es hob das Urteil der Vor­in­stanz auf und änder­te die Fest­stel­lung der Besteue­rungs­grund­la­gen. Maß­geb­lich ist, dass ein zuge­las­se­ner Zahn­arzt den frei­en Beruf auch dann selbst aus­übt, wenn er neben einer gege­be­nen­falls äußerst gering­fü­gi­gen Behand­lungs­leis­tung vor allem orga­ni­sa­to­ri­sche und admi­nis­tra­ti­ve Auf­ga­ben für den Pra­xis­be­trieb über­nimmt. Die Rich­ter beto­nen, dass die kauf­män­ni­sche Füh­rung und Orga­ni­sa­ti­on die Grund­la­ge für die am Markt erbrach­ten zahn­ärzt­li­chen Leis­tun­gen ist. Die­se Tätig­keit ist Aus­druck der frei­be­ruf­li­chen Mit- und Zusam­men­ar­beit. Eine Min­dest­schwel­le eige­ner Behand­lung ver­langt das Gesetz nicht. Die kon­si­lia­ri­sche Bera­tung von fünf Pati­en­ten genüg­te hier zusätz­lich als nach außen gerich­te­te Tätigkeit. 

Für die Qua­li­fi­ka­ti­on einer frei­be­ruf­li­chen Mit­un­ter­neh­mer­schaft stellt die Recht­spre­chung auf kla­re Tat­be­stands­merk­ma­le ab. Jeder Gesell­schaf­ter muss per­sön­lich berufs­qua­li­fi­ziert sein und eige­ne frei­be­ruf­li­che Tätig­keit ent­fal­ten. Das gilt auch in gro­ßen Ein­hei­ten. Ent­schei­dend ist nicht, dass jeder an jeder Behand­lung mit­wirkt. Zuläs­sig ist eine arbeits­tei­li­ge Mit- und Zusam­men­ar­beit. Das Gericht knüpft an Grund­sät­ze an, die es etwa am 5.9.2023 unter dem Akten­zei­chen VIII R 31/20 sowie am 28.10.2008 unter dem Akten­zei­chen VIII R 69/06 her­vor­ge­ho­ben hat. Es ver­weist auch auf die Ent­schei­dung vom 4.8.2020 unter dem Akten­zei­chen VIII R 24/17 zur genü­gen­den, zumin­dest gering­fü­gi­gen, eigen­ver­ant­wort­li­chen Tätig­keit in mehr­stö­cki­gen Struk­tu­ren. Der Gro­ße Senat hat­te schon am 25.6.1984 unter dem Akten­zei­chen GrS 4/82 klar­ge­stellt, dass bei frei­en Beru­fen die per­sön­li­chen Merk­ma­le bei den natür­li­chen Per­so­nen vor­lie­gen müs­sen. All das galt hier. Alle Part­ner waren Zahn­ärz­te. Die Gewinn­zu­wei­sung berück­sich­tig­te die Lei­tungs- und Orga­ni­sa­ti­ons­tä­tig­keit von Dr. AM in ver­gleich­ba­rer Höhe zu den übri­gen Part­nern. Damit lag kei­ne gewerb­li­che Prä­gung vor. 

Im Ergeb­nis ist die Fest­stel­lung als frei­be­ruf­li­che Ein­künf­te zu tref­fen. Für die Pra­xis bedeu­tet die Ent­schei­dung: Auch in gro­ßen Berufs­aus­übungs­ge­mein­schaf­ten darf ein zuge­las­se­ner Berufs­trä­ger die kauf­män­ni­sche Füh­rung als sei­ne eige­ne frei­be­ruf­li­che Tätig­keit ein­brin­gen. Vor­aus­set­zung ist die per­sön­li­che Berufs­qua­li­fi­ka­ti­on, eine ech­te Ein­bin­dung in die frei­be­ruf­li­che Leis­tungs­er­brin­gung durch Lei­tung und Orga­ni­sa­ti­on und eine zumin­dest gering­fü­gi­ge, nach außen gerich­te­te fach­li­che Tätig­keit. Sind die­se Merk­ma­le erfüllt, blei­ben die Ein­künf­te der gesam­ten Gesell­schaft dem § 18 EStG zugeordnet. 

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7. Für Unternehmer: Zum Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines Fahrzeugs

Pri­vat­fahr­ten mit einem betrieb­li­chen Fahr­zeug sind ein Dau­er­bren­ner in den Steu­er­strei­ten zwi­schen Finanz­amt und Steu­er­pflich­ti­gen. Wer einen Wagen im Betriebs­ver­mö­gen hat, der typi­scher­wei­se auch pri­vat nutz­bar ist und außer­halb der Arbeits­zeit am Wohn­haus bereit­steht, löst regel­mä­ßig einen geld­wer­ten Vor­teil aus. 

Die »Ein-Pro­zent-Rege­lung« erfasst die­se Pri­vat­nut­zung pau­schal. Der Anscheins­be­weis für eine pri­va­te Mit­be­nut­zung kann ent­kräf­tet wer­den. Dafür braucht es aber belast­ba­re Tat­sa­chen. Rei­ne Behaup­tun­gen rei­chen nicht. Genau dar­um ging es vor den obers­ten Finanz­rich­tern im Ver­fah­ren vom 16.1.2025 unter dem Akten­zei­chen III R 34/22. Der Bun­des­fi­nanz­hof hob lei­der ein für den Steu­er­pflich­ti­gen güns­ti­ges Urteil auf und setz­te die Ein-Pro­zent-Rege­lung für einen Pick-up an. 

Der Hin­ter­grund: Ein Ehe­paar wur­de zusam­men zur Ein­kom­men­steu­er ver­an­lagt. Der Ehe­mann betrieb ein Unter­neh­men auf dem­sel­ben Grund­stück wie das Wohn­haus. Im Betriebs­ver­mö­gen stan­den unter ande­rem ein BMW und ab Febru­ar 2015 ein fünf­sit­zi­ger Pick-up mit einem Brut­to­lis­ten­preis von 44.458 Euro. Für bei­de Fahr­zeu­ge führ­te nie­mand ein Fahr­ten­buch. Die erwach­se­nen Kin­der nutz­ten alte Klein­wa­gen aus dem Pri­vat­ver­mö­gen. Nach den Fest­stel­lun­gen des Finanz­ge­richts stand der Pick-up außer­halb der Arbeits­zei­ten direkt vor dem Wohn­haus und war für die Fami­lie jeder­zeit ver­füg­bar. Der Unter­neh­mer ver­steu­er­te nur den BMW nach der Ein-Pro­zent-Rege­lung, nicht aber den Pick-up. Das Finanz­amt erhöh­te die Gewin­ne wegen der Pick-up-Pri­vat­nut­zung und erließ Ände­rungs­be­schei­de. Das Finanz­ge­richt Müns­ter gab der Kla­ge mit Urteil vom 16.8.2022 unter dem Akten­zei­chen 6 K 2688/19 E statt. Dage­gen leg­te der Kol­le­ge Fis­kus jedoch Revi­si­on ein und konn­te die­se letzt­lich für sich entscheiden. 

Die Stand­punk­te: Das Finanz­amt berief sich auf den Anscheins­be­weis. Ein betrieb­li­ches Auto, das pri­vat geeig­net ist und bereit­steht, wird erfah­rungs­ge­mäß auch pri­vat gefah­ren. Ohne Fahr­ten­buch greift die Pau­schal­be­wer­tung. Die Klä­ger hiel­ten dem ent­ge­gen, der Pick-up sei für die Fami­lie zu groß, tra­ge Wer­be­fo­li­en und wer­de betrieb­lich benö­tigt. Für Arbeits­we­ge sei kein Auto nötig gewe­sen. Für beson­de­re Trans­por­te habe man ande­re Lösun­gen genutzt. Außer­dem habe es den BMW und die Fahr­zeu­ge der Kin­der gegeben. 

Die Ent­schei­dung der Rich­ter bleibt den­noch hart: Maß­geb­lich ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG). Danach ist die Pri­vat­nut­zung eines zu mehr als 50 Pro­zent betrieb­lich genutz­ten Kraft­fahr­zeugs monat­lich mit 1 Pro­zent des Brut­to­lis­ten­prei­ses anzu­set­zen. Als Alter­na­ti­ve erlaubt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG die Ermitt­lung nach tat­säch­li­chen Kos­ten bei ord­nungs­ge­mä­ßem Fahrtenbuch. 

Ins­ge­samt gilt dabei jedoch der fol­gen­de Erfah­rungs­satz: Fahr­zeu­ge, die ihrer Art nach zum pri­va­ten Gebrauch geeig­net sind und pri­vat ver­füg­bar sind, wer­den auch pri­vat genutzt. Dies ist der »Beweis des ers­ten Anscheins«. Wer sich auf eine Aus­nah­me beruft, muss kon­kre­te Tat­sa­chen vor­tra­gen und nöti­gen­falls bewei­sen, die ernst­haft einen aty­pi­schen Ablauf mög­lich erschei­nen las­sen. Ein Voll­be­weis ist nicht nötig. Rei­ne Beteue­run­gen genü­gen aber auch nicht. Die­se Grund­sät­ze bekräf­tig­ten die Rich­ter und ver­wie­sen auch auf ihre bis­he­ri­ge Rechtsprechung. 

Auf den Streit­fall über­tra­gen stell­ten die obers­ten Finanz­rich­ter klar: Es gab kei­ne objek­ti­ven Umstän­de, die Pri­vat­fahr­ten aus­schlos­sen. Kei­ne feh­len­de Zulas­sung. Kei­ne feh­len­de Fahr­erlaub­nis. Kei­ne dau­er­haf­te Über­las­sung an Mit­ar­bei­ter. Die Grö­ße des Pick-up hilft nicht. Fünf­sit­zi­ge Pick-ups sind Kom­bi­na­ti­ons­fahr­zeu­ge. Sie sind typi­scher­wei­se pri­vat geeig­net und wer­den auch pri­vat genutzt. Wer­be­fo­li­en ändern dar­an nichts. Sie spre­chen eher für Außen­wer­bung auch außer­halb der Betriebs­zeit. Eine beson­de­re Ver­schmut­zung lag nicht vor. Dass der Wagen wäh­rend der Arbeits­zei­ten betrieb­lich gebraucht wur­de, spielt für die Ein-Pro­zent-Rege­lung kei­ne Rol­le. Pri­vat­nut­zung ist mor­gens, abends, am Wochen­en­de und im Urlaub mög­lich. Der Wagen stand dann aber tat­säch­lich vor dem Wohn­haus bereit. Der Ver­weis auf den BMW greift nicht, weil er eben­falls ein Betriebs­fahr­zeug war und des­halb nicht jeder­zeit unein­ge­schränkt pri­vat zur Ver­fü­gung stand. Die alten Klein­wa­gen der Kin­der sind im Sta­tus und Gebrauchs­wert nicht ver­gleich­bar und stan­den dem Unter­neh­mer nur auf Abruf zur Ver­fü­gung. Damit bleibt es beim Anscheins­be­weis. Ohne Fahr­ten­buch ist die Pau­schal­re­ge­lung anzu­wen­den. Das obers­te Finanz­ge­richt hob daher das Urteil des Finanz­ge­richts Müns­ter auf und wies die Kla­ge ab. Die Ände­rungs­be­schei­de des Finanz­amts sind rechtmäßig. 

Wer daher die Ein-Pro­zent-Rege­lung ver­mei­den will, braucht ein ord­nungs­ge­mä­ßes Fahr­ten­buch oder muss mit har­ten Fak­ten den typi­schen Gesche­hens­ab­lauf erschüt­tern. Geeig­net sind nur kla­re Aus­schluss­grün­de, etwa wenn ein Fahr­zeug tat­säch­lich nicht pri­vat genutzt wer­den kann. Lei­der bleibt es bei der fis­ka­li­schen Ein­schät­zung: Steht ein betrieb­li­cher Wagen außer­halb der Arbeits­zeit am Wohn­haus bereit, spricht die (angeb­li­che) Erfah­rung für Pri­vat­fahr­ten. Wer dem ent­geg­nen will, muss dies nach­weis­bar orga­ni­sie­ren und dokumentieren. 

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8. Für Immobilien-Personengesellschaften: Zur Maßgeblichkeit der Beteiligung am Gesellschaftskapital auch bei unmittelbarer Beteiligung

Wenn es um Grund­stü­cke im Betriebs­ver­mö­gen von Per­so­nen- und Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten geht, ent­schei­det oft ein unschein­ba­res Detail dar­über, ob Grund­er­werb­steu­er anfällt: Was genau zählt als »Anteil der Gesell­schaft« und wor­auf ist bei Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten abzu­stel­len – auf die sachen­recht­li­che Mit­be­rech­ti­gung »zur gesam­ten Hand« oder auf die ver­mö­gens­mä­ßi­ge Betei­li­gung am Gesell­schafts­ka­pi­tal? Genau an die­ser Schnitt­stel­le zwi­schen Zivil­recht und Steu­er­recht setzt die aktu­el­le Ent­schei­dung des Finanz­ge­richts Müns­ter an und klärt die steu­er­li­che Pro­blem­stel­lung für Fäl­le, in denen ein Gesell­schaf­ter eine grund­be­sit­zen­de Per­so­nen­ge­sell­schaft bereits kapi­tal­mä­ßig beherrscht und spä­ter noch den Anteil eines nur »köp­fig« mit­be­rech­tig­ten, aber am Kapi­tal unbe­tei­lig­ten Gesell­schaf­ters erwirbt. 

Im ent­schie­de­nen Streit­fall war die Klä­ge­rin zunächst als GmbH & Co. KG zu 100 % am Ver­mö­gen der grund­be­sit­zen­den T. GmbH & Co. KG betei­ligt; Kom­ple­men­tä­rin der T. GmbH & Co. KG war eine X GmbH ohne Kapi­tal­be­tei­li­gung. Die Klä­ge­rin wur­de anschlie­ßend form­wech­selnd in eine GmbH umge­wan­delt, und die Allein­ge­sell­schaf­te­rin der Klä­ge­rin brach­te ihren Geschäfts­an­teil an der X GmbH in die Klä­ge­rin ein. Jah­re spä­ter nahm die Allein­ge­sell­schaf­te­rin der Klä­ge­rin auf ihrer Ebe­ne eine Kapi­tal­erhö­hung vor. Nach einer Betriebs­prü­fung bejah­te das Finanz­amt einen steu­er­ba­ren Erwerbs­vor­gang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grund­er­werb­steu­er­ge­set­zes (GrEStG) und ver­nein­te zudem die Steu­er­ver­güns­ti­gung des § 6a GrEStG wegen nicht ein­ge­hal­te­nen Fris­ten. Die Klä­ge­rin hielt dem ent­ge­gen, dass sie schon vor der Ein­brin­gung der X GmbH zu 100 % am Ver­mö­gen der grund­be­sit­zen­den KG betei­ligt war. 

Das Finanz­ge­richt Müns­ter gab der Kla­ge statt. Es ent­schied am 16.1.2025 unter dem Akten­zei­chen 8 K 2751/21 F, dass kein Erwerbs­vor­gang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vor­liegt, weil die Klä­ge­rin bereits vor der Ein­brin­gung min­des­tens 95 % (im Sin­ne der dama­li­gen Rechts­la­ge) – tat­säch­lich 100 % – der maß­geb­li­chen Antei­le hielt. Maß­geb­lich ist nach Auf­fas­sung des Gerichts auch bei der unmit­tel­ba­ren Betei­li­gung an einer Per­so­nen­ge­sell­schaft die ver­mö­gens­mä­ßi­ge Betei­li­gung am Gesell­schafts­ka­pi­tal und nicht die sachen­recht­li­che Mit­be­rech­ti­gung am Gesamt­hand­sver­mö­gen. Damit greift der Tat­be­stand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht erneut ein, wenn der Erwer­ber schon zuvor die 95 %-Schwel­le kapi­tal­mä­ßig erreicht hatte. 

Zur Begrün­dung stellt das Gericht zunächst den gesetz­li­chen Prü­fungs­weg her­aus: § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfasst Rechts­ge­schäf­te, die den Anspruch auf Über­tra­gung von Antei­len begrün­den, wenn dadurch unmit­tel­bar oder mit­tel­bar min­des­tens 95 % der Antei­le in einer Hand ver­ei­nigt wür­den. Ist die­se Ver­ei­ni­gung bereits vor dem Rechts­ge­schäft erreicht, fehlt es am steu­er­ba­ren Tat­be­stand. Ent­schei­dend ist daher, was als »Antei­le der Gesell­schaft« gilt. Das Gericht betont, dass der Zweck der Norm auf die Beherr­schung des grund­be­sit­zen­den Rechts­trä­gers zielt. Die­se Beherr­schung spie­gelt sich typi­scher­wei­se in den Kapi­tal­be­tei­li­gun­gen wider. Wer 95 % oder mehr am Gesell­schafts­ka­pi­tal einer grund­be­sit­zen­den Per­so­nen­ge­sell­schaft hält, kann sei­nen Wil­len in grund­er­werb­steu­er­lich erheb­li­cher Wei­se durch­set­zen. Ein spä­te­rer Erwerb des Anteils eines nur »köp­fig« mit­be­rech­tig­ten, kapi­tal­mä­ßig, aber unbe­tei­lig­ten Kom­ple­men­tärs ändert an die­ser Beherr­schung nichts. 

Die obers­ten Finanz­rich­ter hat­ten frü­her für Fäl­le unmit­tel­ba­rer Betei­li­gun­gen an Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten noch stär­ker auf die gesamt­hän­de­ri­sche Mit­be­rech­ti­gung abge­stellt. In einem Urteil vom 12.3.2014 unter dem Akten­zei­chen II R 51/12 stell­te der Bun­des­fi­nanz­hof her­aus, dass auch ein Gesell­schaf­ter ohne Kapi­tal­be­tei­li­gung gesamt­hän­de­ri­scher Mit­in­ha­ber ist. Dar­aus wur­de abge­lei­tet, dass es kei­ne unmit­tel­ba­re Ver­ei­ni­gung von min­des­tens 95 % der »Antei­le« einer Per­so­nen­ge­sell­schaft geben kann, weil stets alle Gesell­schaf­ter zur gesam­ten Hand mit­be­rech­tigt sind. Das Finanz­ge­richt Müns­ter grenzt sich hier­von ab. Es ver­weist dar­auf, dass das obers­te Finanz­ge­richt sei­ne Sicht bei mit­tel­ba­ren Anteils­ver­ei­ni­gun­gen bereits fort­ent­wi­ckelt hat und dort auf die Ver­mö­gens­be­tei­li­gung abstellt; die­se Wer­tung sei fol­ge­rich­tig auch auf unmit­tel­ba­re Betei­li­gun­gen zu übertragen. 

Zur Abrun­dung ver­weist das Gericht auf die Fort­ent­wick­lung der Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs: Für mit­tel­ba­re Anteils­ver­ei­ni­gun­gen hat das obers­te Finanz­ge­richt mehr­fach klar­ge­stellt, dass die Betei­li­gung am Gesell­schafts­ka­pi­tal der zwi­schen­ge­schal­te­ten Per­so­nen­ge­sell­schaft maß­geb­lich ist, etwa mit Urtei­len vom 27.9.2017 unter dem Akten­zei­chen II R 41/15 sowie vom 28.2.2024 unter dem Akten­zei­chen II R 7/22.

Beson­ders wich­tig ist außer­dem die Ent­schei­dung vom 27.5.2020 unter dem Akten­zei­chen II R 45/17, in der die Rich­ter aus­drück­lich dar­auf hin­wei­sen, dass vie­les dafür spricht, auch bei unmit­tel­ba­ren Betei­li­gun­gen an Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten auf die Kapi­tal­be­tei­li­gung abzu­stel­len. Das Finanz­ge­richt Müns­ter macht die­sen Gedan­ken nun zur tra­gen­den Grund­la­ge sei­ner Entscheidung. 

Über­tra­gen auf den Streit­fall bedeu­tet das: Die Klä­ge­rin hielt bereits vor der Ein­brin­gung der X GmbH min­des­tens 95 % der rele­van­ten Antei­le an der grund­be­sit­zen­den T. GmbH & Co. KG, näm­lich 100 % des Gesell­schafts­ka­pi­tals. Der spä­te­re, mit­tel­ba­re Erwerb des Anteils der X GmbH – die am Kapi­tal der KG gera­de nicht betei­ligt war – führ­te des­halb nicht zu einer erst­ma­li­gen oder erneu­ten Ver­ei­ni­gung von min­des­tens 95 % der Antei­le. Ein steu­er­ba­rer Erwerbs­vor­gang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG lag nicht vor. Auf etwa­ige Fris­ten und Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 6a GrEStG kam es damit nicht mehr an. 

Für die Pra­xis lässt sich als Kern­aus­sa­ge fest­hal­ten: Bei Erwerbs­vor­gän­gen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kommt es – auch bei unmit­tel­ba­ren Betei­li­gun­gen an einer grund­be­sit­zen­den Per­so­nen­ge­sell­schaft – auf die Betei­li­gung am Gesell­schafts­ka­pi­tal an. Ist die 95 %-Schwel­le bereits kapi­tal­mä­ßig erreicht, löst die spä­te­re Ein­be­zie­hung eines nur gesamt­hän­de­risch mit­be­rech­tig­ten, aber kapi­tal­mä­ßig unbe­tei­lig­ten Gesell­schaf­ters kei­nen wei­te­ren grund­er­werb­steu­er­li­chen Tat­be­stand aus. 

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