Mandantenrundschreiben2018-02-26T13:28:25+00:00

Mandantenbrief April 2023

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Steuertermine

11.04. Umsatz­steu­er
Lohn­steu­er
Kir­chen­steu­er zur Lohnsteuer

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 14.04. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck.

Zah­lun­gen per Scheck gel­ten erst drei Tage nach Ein­gang des Schecks bei der Finanz­be­hör­de (Gewer­be­steu­er und Grund­steu­er: bei der Gemein­de- oder Stadt­kas­se) als recht­zei­tig geleis­tet. Um Säum­nis­zu­schlä­ge zu ver­mei­den, muss der Scheck spä­tes­tens drei Tage vor dem Fäl­lig­keits­tag vorliegen.

Alle Anga­ben ohne Gewähr

Vor­schau auf die Steu­er­ter­mi­ne Mai 2023:

10.05. Umsatz­steu­er
Lohn­steu­er
Kir­chen­steu­er zur Lohnsteuer

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 15.05. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck.

15.05. Gewer­be­steu­er
Grundsteuer

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 19.05. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck.

Zah­lun­gen per Scheck gel­ten erst drei Tage nach Ein­gang des Schecks bei der Finanz­be­hör­de (Gewer­be­steu­er und Grund­steu­er: bei der Gemein­de- oder Stadt­kas­se) als recht­zei­tig geleis­tet. Um Säum­nis­zu­schlä­ge zu ver­mei­den, muss der Scheck spä­tes­tens drei Tage vor dem Fäl­lig­keits­tag vorliegen.

Alle Anga­ben ohne Gewähr

Fäl­lig­keit der Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge April 2023

Die Bei­trä­ge sind in vor­aus­sicht­li­cher Höhe der Bei­trags­schuld spä­tes­tens am dritt­letz­ten Ban­ken­ar­beits­tag eines Monats fäl­lig. Für April ergibt sich dem­nach als Fäl­lig­keits­ter­min der 26.04.2023.

1. Für alle Steuerpflichtigen: Zugangsvermutung innerhalb der Drei-Tages-Frist bei zustellungsfreien Tagen

Das Finanz­ge­richt in Ber­lin-Bran­den­burg muss­te sich mit der Zugangs­ver­mu­tung des § 122 Abs. 2 Num­mer 1 der Abga­ben­ord­nung (AO) beschäf­ti­gen, wenn inner­halb der dort genann­ten Drei-Tages-Frist an einem Werk­tag regel­mä­ßig kei­ne Post­zu­stel­lung statt­fin­det. Tat­säch­lich dürf­te die­ser Sach­ver­halt in der Pra­xis gar nicht so sel­ten vor­kom­men, wes­halb die Ent­schei­dung aus Ber­lin-Bran­den­burg durch­aus eine gewis­se all­ge­mei­ne Wich­tig­keit besitzt. Eben­so wer­den dar­in die ver­fah­rens­recht­li­chen Grund­la­gen gut erklärt, was auch in ande­ren Steu­er­strei­tig­kei­ten mit der Finanz­be­hör­de hilf­reich sein kann.

Im vor­lie­gen­den Finanz­ge­richts­ver­fah­ren kommt das erst­in­stanz­li­che Finanz­ge­richt mit Ent­schei­dung vom 24.8.2022 unter dem Akten­zei­chen 7 K 7045/20 zu dem Schluss, dass in ent­spre­chen­den Fäl­len die Zugangs­ver­mu­tung kei­ne Anwen­dung fin­det, wenn die Post regel­mä­ßig nicht an allen Werk­ta­gen vom Post­dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men zuge­stellt wird.

In der Urteils­be­grün­dung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dun­gen heißt es unter ande­rem: Die Zugangs­ver­mu­tung des § 122 Abs. 2 Num­mer 1 AO ist zu einer Zeit kodi­fi­ziert wor­den, als aus­schließ­lich die Deut­sche Bun­des­post Brief­post in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land beför­der­te und zustell­te und das regel­mä­ßig an sechs Tagen in der Woche mach­te. Die Rege­lung des § 122 Abs. 2 AO stammt näm­lich bereits aus dem Jah­re 1976.

Auch wenn dem Grun­de nach auch bei der Beauf­tra­gung pri­va­ter (also nicht mit der Deut­schen Bun­des­post bzw. der Deut­schen Post AG iden­ti­scher) Post­dienst­leis­ter die Zugangs­ver­mu­tung gilt, muss den­noch die Arbeits­wei­se der Post­dienst­leis­ter in den wesent­li­chen Zügen mit denen der Deut­schen Bun­des­post über­ein­stim­men. Anders könn­te die Zugangs­ver­mu­tung nicht kodi­fi­ziert wer­den, was sich bereits aus der soge­nann­ten Sub­un­ter­neh­mer-Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs durch Beschluss vom 7.5.2019 unter dem Akten­zei­chen III B 59/18 ergibt. In die­sem Beschluss hat­te der Bun­des­fi­nanz­hof dar­ge­legt, dass die Zugangs­ver­mu­tung wider­legt ist, wenn ein beauf­trag­tes Post­dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men zur Beför­de­rung von Post­sen­dun­gen einen ande­ren Post­dienst­leis­ter ein­schal­tet und es ins­ge­samt nicht fest­steht, dass es hier­durch eben nicht zu Ver­zö­ge­run­gen kommt.

Zwar fin­det die Zugangs­ver­mu­tung auch Anwen­dung, wenn bei­spiels­wei­se wegen meh­re­rer arbeits­frei­er Tage oder Per­so­nal­aus­fall inner­halb der Drei ‑Tages-Frist an zwei Tagen kei­ne Zustel­lung statt­fin­det. So wird bei­spiels­wei­se bei Auf­ga­be zur Post am Frei­tag, den 30. April, trotz des Fei­er­ta­ges am 1. Mai der Zugang am Mon­tag, dem 3. Mai grund­sätz­lich ver­mu­tet. Inso­weit han­delt es sich jedoch um eine Son­der­kon­stel­la­ti­on, die die grund­sätz­li­che Anwen­dung der Zugangs­ver­mu­tung nicht infra­ge stel­len kann.

Dies stellt sich jeden­falls dann anders dar, wenn inner­halb der Drei-Tages-Frist voll­kom­men plan­mä­ßig an zwei auf­ein­an­der­fol­gen­den Tagen kei­ne Zustel­lung erfolgt. Dann ist dies näm­lich kei­ne Son­der­kon­stel­la­ti­on mehr.

Im Urteils­sach­ver­halt ver­hielt es sich so, dass nach glaub­haf­ter Aus­sa­ge eines Zeu­gen die Post am Sams­tag, den 16.6.2018, und dann erst wie­der am Diens­tag, den 19.6.2018, im Zustel­ler­zen­trum ange­lie­fert wur­de. Am Mon­tag, den 18.6.2018, wur­den dann die am Sams­tag, den 16.6.2018, ange­lie­fer­te oder an die­sem Tag nicht zuge­stell­te Post aus­ge­tra­gen. Die Zustel­lung durch das Post­zu­stel­lungs­un­ter­neh­men wäre daher der Zugangs­ver­mu­tung nur dann gerecht gewor­den, wenn der ange­foch­te­ne Bescheid am Sams­tag, dem 16.6.2018, als an dem auf die Auf­ga­be zur Post fol­gen­den Tag im für die Woh­nung der Klä­ge­rin zustän­di­gen Zustel­ler­zen­trum des Post­zu­stel­lungs­un­ter­neh­mens ange­lie­fert und dar­auf­hin am Mon­tag, den 18.6.2018, in den Brief­kas­ten der Klä­ge­rin ein­ge­wor­fen wor­den wäre. Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass ange­sichts der Tat­sa­che, dass im Jah­res­durch­schnitt nur 80 % der Brie­fe am Tag nach der Ein­lie­fe­rung zuzu­stel­len sind und dass weni­ger als 12 Stun­den zwi­schen Ein­lie­fe­rung im Ver­tei­ler­zen­trum und Anlie­fe­rung im Zustel­ler­zen­trum lagen, Ver­zö­ge­run­gen ohne wei­te­res denk­bar erscheinen.

Zulas­ten der Klä­ge­rin ergibt sich auch nichts ande­res dar­aus, dass sie den Brief­um­schlag, in dem ihr der ange­foch­te­ne Bescheid über­sandt wur­de, nicht vor­le­gen konn­te. Selbst­ver­ständ­lich ist die Klä­ge­rin zwar grund­sätz­lich zur Mit­wir­kung an der Auf­klä­rung des Sach­ver­halts ver­pflich­tet, indem sie den Brief­um­schlag, in dem ihr der ange­foch­te­ne Bescheid über­sandt wur­de, vor­legt. Zu die­ser Fra­ge hat sie auch bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einem Beschluss vom 21.12.2001 unter dem Akten­zei­chen VIII B 132/00 geäu­ßert. Dies gilt jedoch nicht unein­ge­schränkt. Bei­spiels­wei­se gilt es dann nicht, wenn sich auch aus dem übri­gen Vor­trag des Steu­er­pflich­ti­gen Zwei­fel am Zugang inner­halb der Drei-Tages-Frist erge­ben. So auch bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einem Urteil vom 22.5.2019 unter dem Akten­zei­chen X B 109/18.

Auch in dem oben bereits zitier­ten „Sub­un­ter­neh­mer-Urteil“ hat der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner Ent­schei­dung vom 14.6.2018 unter dem Akten­zei­chen III R 27/17 der von der Vor­in­stanz fest­ge­stell­ten Tat­sa­che, dass der Brief­um­schlag nicht vor­ge­legt wur­de, kei­ne Bedeu­tung zuge­mes­sen. Jeden­falls beto­nen die Ent­schei­dun­gen, die grund­sätz­lich von einer der­ar­ti­gen Beweis­pflicht aus­ge­hen, dass das Finanz­ge­richt den Zeit­punkt der Auf­ga­be zur Post in frei­er Beweis­wür­di­gung ermit­teln muss. So auch der Bun­des­fi­nanz­hof mit Urteil vom 27.11.2002 unter dem Akten­zei­chen X R 17/01. Inso­weit ver­steht das erst­in­stanz­li­che Gericht die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung dahin­ge­hend, dass etwa­ige Män­gel bei der Sub­stan­ti­ie­rung des Bestrei­tens uner­heb­lich sind, wenn die Zugangs­ver­mu­tung nicht greift. Folg­lich ist der Umstand, dass die Klä­ge­rin im vor­lie­gen­den Fall den Brief­um­schlag, in dem der Ein­kom­men­steu­er­be­scheid über­sandt wur­de, nicht mehr vor­le­gen kann, nicht streiterheblich.

Abschlie­ßend betont das erst­in­stanz­li­che Finanz­ge­richt noch, dass ver­blei­ben­de Unsi­cher­hei­ten im Sach­ver­halt, bei­spiels­wei­se dass der Post­zu­stel­ler sich nicht mehr erin­nern konn­te, in wel­cher Rei­hen­fol­ge er sei­ne Zustel­ler­tour gefah­ren ist, grund­sätz­lich zulas­ten des Beklag­ten, sprich des Finanz­am­tes, gehen. Der Fis­kus trägt die Fest­stel­lungs­last für den Zeit­punkt der Bekannt­ga­be des von ihm erlas­se­nen Beschei­des. Auch inso­weit kann sich der Fis­kus daher in einem ent­spre­chen­den Fall nicht auf die Zugangs­ver­mu­tung berufen.

Hin­weis: Da es das Finanz­ge­richt jedoch für höchst­rich­ter­lich klä­rungs­be­dürf­tig hält, ob die Zugangs­ver­mu­tung tat­säch­lich ent­fällt, wenn inner­halb der dort genann­ten Drei-Tages-Frist an einem Werk­tag regel­mä­ßig kei­ne Post­zu­stel­lung statt­fin­det, hat es die Revi­si­on zum Bun­des­fi­nanz­hof zugelassen.

Da sich der Fis­kus nicht mit der steu­er­zah­l­er­freund­li­chen Ent­schei­dung zufrie­den­ge­ben möch­te, hat er wie­der­um die Revi­si­on ein­ge­legt. Beim Bun­des­fi­nanz­hof in Mün­chen wird die­se unter dem Akten­zei­chen VI R 18/22 geführt. Betrof­fe­nen sei durch­aus emp­foh­len, sich an das Ver­fah­ren anzu­hän­gen, wenn es denn auf­grund der Nicht­zu­stel­lung inner­halb der Drei-Tages-Frist tat­säch­lich zu einem Frist­pro­blem gekom­men ist.

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2. Für alle Steuerpflichtigen: Bekanntgabe eines Steuerbescheides zu einer neuen Steuernummer bei umfassend erteilter Empfangsvollmacht

Das Nie­der­säch­si­sche Finanz­ge­richt hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 18.3.2022 unter dem Akten­zei­chen 7 K 272/20 klar­ge­stellt, dass wenn einem Steu­er­be­ra­ter ohne Ein­schrän­kung eine Emp­fangs­voll­macht erteilt wird, die­ser also als Emp­fangs­be­voll­mäch­tig­ter bestellt wird, die Emp­fangs­voll­macht auch für neue Steu­er­num­mern des Steu­er­pflich­ti­gen gilt. Eine irgend­wie gear­te­te Ein­schrän­kung ergibt sich auch nicht aus dem Bei­blatt des amt­li­chen Vollmachtsformulars.

Auch wenn sich der Leit­satz der Ent­schei­dung des Nie­der­säch­si­schen Finanz­ge­rich­tes eher sehr tech­nisch anhört, ist die Ent­schei­dung doch von enor­mer Bedeu­tung. Denn an der ord­nungs­ge­mä­ßen Bekannt­ga­be eines Ver­wal­tungs­ak­tes hängt so eini­ges. Bei­spiels­wei­se der Beginn der Rechts­be­helfs­frist. Tat­säch­lich ist die Ent­schei­dung jedoch auch noch für ande­re Fra­gen von außer­or­dent­li­cher Rele­vanz, bei­spiels­wei­se beim The­ma der Säum­nis­zu­schlä­ge. Ent­spre­chend der gesetz­li­chen Vor­schrift in § 240 Abs. 1 AO ist für jeden ange­fan­ge­nen Monat der Säum­nis ein Säum­nis­zu­schlag von einem Pro­zent des rück­stän­di­gen Steu­er­be­trags ver­wirkt, wenn eine Steu­er nicht bis zum Ablauf des Fäl­lig­keits­tags ent­rich­tet wird. Ent­spre­chend § 220 Abs. 1 AO rich­tet sich die Fäl­lig­keit von Ansprü­chen aus dem Steu­er­ver­hält­nis grund­sätz­lich nach den Vor­schrif­ten der Steu­er­ge­set­ze. Aller­dings tritt gemäß § 220 Abs. 2 Satz 2 AO die Fäl­lig­keit nicht vor Bekannt­ga­be der Fest­set­zung ein. Inso­weit ist auch hier rele­vant, ob ein ent­spre­chen­der Ver­wal­tungs­akt kor­rekt bekannt­ge­ge­ben wurde.

Nach § 122 Abs. 1 AO ist ein Ver­wal­tungs­akt dem­je­ni­gen Betei­lig­ten bekannt­zu­ge­ben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betrof­fen wird. Gemäß § 80 Absatz 1 Satz 1 AO kann sich ein Betei­lig­ter auch von einem Bevoll­mäch­tig­ten ver­tre­ten las­sen. Die Voll­machts­er­tei­lung ist nicht form­be­dürf­tig, sie kann münd­lich oder schrift­lich, aus­drück­lich oder kon­klu­dent erfol­gen, wie bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 15.11.1991 unter dem Akten­zei­chen VI R 81/89 klar­ge­stellt hat. Nur bei der elek­tro­ni­schen Über­mitt­lung von Voll­macht­da­ten an Lan­des­fi­nanz­be­hör­den nach § 80 a AO ist das amt­li­che Mus­ter für Voll­mach­ten im Besteue­rungs­ver­fah­ren zwin­gend zu verwenden.

Ist nun für das Ver­fah­ren ein Bevoll­mäch­tig­ter bestellt, so soll sich die Finanz­be­hör­de gemäß § 80 Abs. 5 AO an ihn wen­den. Für die Bekannt­ga­be von Ver­wal­tungs­ak­ten an einen Bevoll­mäch­tig­ten gilt inso­weit § 122 Absatz 1 Satz 3 und 4 AO. Danach kann der Ver­wal­tungs­akt auch gegen­über einem Bevoll­mäch­tig­ten bekannt­ge­ge­ben wer­den. Er soll sogar dem Bevoll­mäch­tig­ten bekannt­ge­ge­ben wer­den, wenn der Finanz­be­hör­de eine schrift­li­che oder eine nach amt­lich vor­ge­schrie­be­nem Daten­satz elek­tro­nisch über­mit­tel­te Emp­fangs­voll­macht vor­liegt, solan­ge dem Bevoll­mäch­tig­ten nicht eine Zurück­wei­sung bekannt gewor­den ist.

Eine Ver­pflich­tung zur Bekannt­ga­be eines Ver­wal­tungs­ak­tes an den Bevoll­mäch­tig­ten besteht somit dann, wenn ein Bevoll­mäch­tig­ter ein­deu­tig und unmiss­ver­ständ­lich auch als Bekannt­ga­be­adres­sat bestellt wor­den ist und sich dies unmit­tel­bar aus einer dies­be­züg­li­chen Erklä­rung des Steu­er­pflich­ti­gen ergibt. So gere­gelt in § 122 Abs. 1 Satz 4 AO und auch bereits durch den Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 5.10.2000 unter dem Akten­zei­chen VII R 96/99 bestä­tigt. Wird daher ein Steu­er­be­scheid dem betrof­fe­nen Steu­er­pflich­ti­gen bekannt­ge­ge­ben und dadurch eine von ihm erteil­te Bekannt­ga­be­voll­macht zu Guns­ten sei­nes Steu­er­be­ra­ters nicht beach­tet, ist die Bekannt­ga­be unwirk­sam! Der Bekannt­ga­be­man­gel wird durch die Wei­ter­lei­tung des Steu­er­be­scheids an den Bevoll­mäch­tig­ten aller­dings geheilt, wie bei­spiels­wei­se der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 8.12.1988 unter dem Akten­zei­chen IV R 24/87 ent­schie­den hat.

Aus­ge­hend von die­sen Grund­sät­zen gilt daher das Fol­gen­de: Hat ein Steu­er­pflich­ti­ger sei­nen Bevoll­mäch­tig­ten schrift­lich umfas­send für alle Steu­er­ar­ten bevoll­mäch­tigt und ihm auch eine umfas­sen­de Bekannt­ga­be­voll­macht erteilt, wird das Ermes­sen der Finanz­ver­wal­tung hin­sicht­lich der Aus­wahl des Bekannt­ga­be­adres­sa­ten auf null redu­ziert. Jeder Bescheid, auch ein sol­cher, bei dem eine neue Steu­er­num­mer ver­ge­ben wird, wie es bei­spiels­wei­se in Grund­er­werb­steu­er­be­schei­den der Fall ist, muss somit über den Bevoll­mäch­tig­ten bekannt­ge­ge­ben werden.

Klar und deut­lich füh­ren die Rich­ter des Nie­der­säch­si­schen Finanz­ge­rich­tes wei­ter aus, dass sich etwas ande­res auch nicht dar­aus ergibt, dass die Klä­ge­rin im vor­lie­gen­den Fall das amt­li­che Voll­machts­for­mu­lar inklu­si­ve Bei­blatt zur Voll­macht zur Ver­tre­tung in Steu­er­sa­chen genutzt hat. Zunächst hat die Klä­ge­rin kei­ne Beschrän­kung der Voll­macht auf bestimm­te Steu­er­num­mern vor­ge­nom­men. Sie hat bei der Steu­er­num­mer ledig­lich „neu“ ange­ge­ben. Damit hat sie zur Über­zeu­gung des Senats zum Aus­druck gebracht, dass die Voll­macht für alle (auch zukünf­tig zu ertei­len­de) Steu­er­num­mern gel­ten soll. Der Vor­trag des Finanz­am­tes, die Voll­macht habe sich nur auf die Ein­kom­men­steu­er­num­mer bezo­gen, ist auch inso­weit nicht schlüs­sig nach Mei­nung der erst­in­stanz­li­chen Rich­ter, da auf dem Bei­blatt von der Klä­ge­rin kei­ne Steu­er­num­mer ange­ge­ben wur­de. Das Finanz­amt hät­te daher die Voll­macht also ent­we­der gar nicht oder eben für alle (auch künf­ti­gen Steu­er­num­mern) beach­ten müssen.

Hin­weis: Inso­weit kommt einer unein­ge­schränk­ten Emp­fangs­voll­macht eine sehr hohe Bedeu­tung zu. Lei­der ist die Streit­fra­ge vor­lie­gend jedoch noch nicht erle­digt, da die Finanz­ver­wal­tung Revi­si­on beim Bun­des­fi­nanz­hof ein­ge­legt hat. Unter dem Akten­zei­chen II R 10/22 müs­sen die obers­ten Finanz­rich­ter der Repu­blik daher nun prü­fen, ob die Emp­fangs­voll­macht auch für neue Steu­er­num­mern gilt, wenn ein Steu­er­be­ra­ter ohne Ein­schrän­kung als Emp­fangs­be­voll­mäch­tig­ter bestellt wird.

Eben­so ist im kon­kre­ten Streit­fall noch zu prü­fen, ob es eine Bedeu­tung hat, dass sich die Zustän­dig­keit hin­sicht­lich der Ver­an­la­gung der Per­so­nen­ge­sell­schaft, hier wur­de die Voll­macht abge­ge­ben, und der Grund­er­werb­steu­er­stel­le in einem Finanz­amt konzentriert.

Da damit zu rech­nen ist, dass ent­spre­chen­de Fäl­le in der Pra­xis nicht gera­de sel­ten auf­tre­ten, soll­ten sich Betrof­fe­ne an das Mus­ter­ver­fah­ren anhän­gen, wenn das Finanz­amt eine unein­ge­schränk­te Emp­fangs­voll­macht nicht beach­tet hat.

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3. Für alle Steuerpflichtigen: Zur Unterbrechung der Verjährung eines Anspruchs

Mit Ent­schei­dung vom 23.8.2022 hat der Bun­des­fi­nanz­hof unter dem Akten­zei­chen VII R 46/20 klar­ge­stellt, dass die Ver­jäh­rung eines Anspruchs nur dann ent­spre­chend der Rege­lung in § 231 der Abga­ben­ord­nung (AO) unter­bro­chen wer­den kann, wenn die Ver­jäh­rungs­frist bereits in Gang gesetzt wor­den ist und noch läuft. Die­sem Grund­satz fol­gend unter­bricht eine Pfän­dung, die vor Beginn der Ver­jäh­rung ent­spre­chend § 229 Absatz 1 Satz 1 AO vor­ge­nom­men wor­den ist, die Ver­jäh­rung nicht.

Der Bun­des­fi­nanz­hof begrün­det sei­ne Ent­schei­dung, die durch­aus auch für ande­re Fäl­le von prak­ti­scher Bedeu­tung sein kann, wie folgt.

So füh­ren die obers­ten Finanz­rich­ter der Repu­blik aus, dass der Haf­tungs­an­spruch gemäß § 37 Abs. 1 AO zu den Ansprü­chen aus dem Steu­er­schuld­ver­hält­nis gehört und gemäß § 228 Satz 2 AO nach fünf Jah­ren verjährt.

Die Zah­lungs­ver­jäh­rung beginnt hin­ge­gen mit Ablauf des Kalen­der­jah­res, in dem der Anspruch erst­mals fäl­lig gewor­den ist, wie § 229 Abs. 1 Satz 1 AO zu ent­neh­men ist. Ist ein Haf­tungs­be­scheid hin­ge­gen ohne Zah­lungs­for­de­rung ergan­gen, so beginnt die Ver­jäh­rung erst mit Ablauf des Kalen­der­jah­res, in dem der Haf­tungs­be­scheid wirk­sam gewor­den ist, wie ent­spre­chend der wei­ter­ge­hen­den Vor­schrift in § 229 Abs. 2 gese­hen wer­den kann.

Durch die Ver­jäh­rung erlö­schen der Anspruch aus dem Steu­er­schuld­ver­hält­nis und die von ihm abhän­gen­den Zinsen.

Die Ver­jäh­rung eines Anspruchs wird gemäß § 231 Abs. 1 AO durch die dort genann­ten Maß­nah­men unter­bro­chen, ent­we­der punk­tu­ell oder aber für die dort bestimmt Dau­er (§ 32 Abs. 2 AO). Unter­bro­chen im Sin­ne des Abs. 1 bedeu­tet dabei, dass der nach § 229 Absatz 1 Satz 1 AO in Gang gesetz­te Frist­ab­lauf abge­bro­chen wird und mit Ablauf des Kalen­der­jah­res, in dem die Unter­bre­chung endet, eine neue Ver­jäh­rungs­frist beginnt. Die bereits ver­stri­che­ne Zeit bleibt somit unberücksichtigt.

Zu unter­schei­den ist die Unter­bre­chung einer Frist von ihrer Hem­mung. Die Hem­mung bewirkt näm­lich nur einen Still­stand des Frist­laufs. Im Fall der Anlauf­hem­mung wird der Beginn der Ver­jäh­rungs­frist auf einen spä­te­ren Zeit­punkt hin­aus­ge­scho­ben. Im Fall der Ablauf­hem­mung wird der plan­mä­ßi­ge Ein­tritt der Ver­jäh­rung hinausgeschoben.

Für die Zah­lungs­ver­jäh­rung ist eine Anlauf­hem­mung in § 229 Absatz 1 Satz 2 AO gere­gelt, dem­zu­fol­ge der Beginn der Ver­jäh­rungs­frist in den dort genann­ten Fäl­len hin­aus­ge­scho­ben wird.

Eine Ablauf­hem­mung ent­hält § 230 AO. Nach die­ser Rege­lung ist die Zah­lungs­ver­jäh­rung gehemmt, solan­ge der Anspruch wegen höhe­rer Gewalt inner­halb der letz­ten sechs Mona­te der Ver­jäh­rungs­frist nicht ver­folgt wer­den kann. Hem­mung bedeu­tet hier, dass der Zeit­raum, wäh­rend des­sen die Hem­mung besteht, in die Ver­jäh­rungs­frist nicht ein­ge­rech­net wird, dass aber nach dem Weg­fall der Hem­mung die bereits begon­ne­ne „alte“ Ver­jäh­rungs­frist weiterläuft.

Schon aus den Begriff der Unter­bre­chung und der Sys­te­ma­tik der § § 228 ff. AO folgt somit, dass eine Ver­jäh­rungs­frist nur dann unter­bro­chen wer­den kann, wenn sie bereits in Gang gesetzt wor­den ist und noch läuft. Mit­hin kann die Ver­jäh­rung eines Anspruchs auch nur durch ein Ereig­nis unter­bro­chen wer­den, das nach dem Beginn der Ver­jäh­rungs­frist ein­ge­tre­ten ist.

Dies hat die obers­te Recht­spre­chung in Bezug auf § 147 der Reichs­ab­ga­ben­ord­nung (RAO) bereits ent­schie­den. Das gilt aber auf­grund der dar­ge­leg­ten Sys­te­ma­tik in der AO und der rechts­sys­te­ma­ti­schen Unter­schei­dung zwi­schen der Unter­bre­chung und der Hem­mung einer Frist eben­so für § 231 AO. Die­se Ansicht wird nicht nur an zahl­rei­chen Stel­len in der ein­schlä­gi­gen Lite­ra­tur ver­tre­ten, son­dern auch das Finanz­ge­richt Ham­burg hat bereits in einer Ent­schei­dung vom 25.10.1989 unter dem Akten­zei­chen II 117/86 die­se Auf­fas­sung vertreten.

Zudem ent­spricht dies im Übri­gen auch der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs zum Begriff der Unter­bre­chung der Ver­jäh­rung in § 217 des Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches (BGB) bzw. den die­sen erset­zen Begriff des Neu­be­ginns der Ver­jäh­rung in § 212 BGB. Danach setzt ein Neu­be­ginn der Ver­jäh­rung den­knot­wen­dig vor­aus, dass die Ver­jäh­rung schon in Gang gesetzt wor­den ist, und kann damit frü­hes­tens ab dem eigent­li­chen Ver­jäh­rungs­be­ginn ein­set­zen. So kon­kret zu ent­neh­men bei­spiels­wei­se dem Beschluss des Bun­des­ge­richts­hofs vom 8.1.2013 unter dem Akten­zei­chen VIII ZR 344/12.

Der Sinn und Zweck der Rege­lun­gen zur Hem­mung und zur Unter­bre­chung der Ver­jäh­rung erschließt sich aus dem all­ge­mei­nen Sinn und Zweck der Regel­ver­jäh­rung öffent­lich-recht­li­cher Ansprü­che. Die­se dient dem Rechts­frie­den und der Rechts­si­cher­heit. Sie ist eine durch die Zweck­mä­ßig­keit gebo­te­ne Ein­rich­tung, denn sie zwingt den Gläu­bi­ger, sei­ne Ansprü­che zügig gel­tend zu machen.

Damit berück­sich­ti­gen die Ver­jäh­rungs­vor­schrif­ten einer­seits, dass die Beweis­bar­keit von Ansprü­chen oder auch ihre Abwei­sung umso schwie­ri­ger wird, je älter die Ansprü­che wer­den. Sie haben aber zudem auch die Auf­ga­be, einen gegen­wär­ti­gen zeit­na­hen Steu­er­voll­zug zu gewährleisten.

Für den Steu­er­pflich­ti­gen bedeu­ten sie ande­rer­seits, dass er nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung nicht mehr damit zu rech­nen braucht, für die betref­fen­den Steu­ern in Anspruch genom­men zu wer­den. In die­sem Sin­ne soll das Insti­tut der Zah­lungs­ver­jäh­rung dafür sor­gen, dass nach Ablauf einer ange­mes­se­nen Frist end­gül­tig Rechts­si­cher­heit dar­über ein­kehrt, was der Steu­er­pflich­ti­ge auf­grund der Steu­er­fest­set­zung unter Berück­sich­ti­gung anzu­rech­nen­der Vor­aus­zah­lun­gen und Abzugs­steu­ern noch zu zah­len hat bzw. was ihm zu erstat­ten ist.

Die Ver­jäh­rungs­fris­ten schaf­fen somit einen Aus­gleich zwi­schen Fis­kal­in­ter­es­se und Rechts­si­cher­heit, wie ins­be­son­de­re auch in der ein­schlä­gi­gen Lite­ra­tur erklärt wird.

Vor die­sem Hin­ter­grund sind die Bestim­mun­gen zu Hem­mung und zur Unter­bre­chung der Zah­lungs­ver­jäh­rung als Aus­nah­me­re­ge­lung zu ver­ste­hen. Sie öff­nen dem Fis­kus die Mög­lich­keit, über die Frist der fünf­jäh­ri­gen Regel­ver­jäh­rung hin­aus den staat­li­chen Steu­er­an­spruch durch­zu­set­zen. Das Bedürf­nis der Steu­er­pflich­ti­gen nach Rechts­si­cher­heit muss im gesetz­lich gere­gel­ten Umfang hin­ter dem Fis­kal­in­ter­es­se zurücktreten.

Dar­aus folgt, dass die Regel­ver­jäh­rung nur in den Fäl­len gehemmt oder unter­bro­chen wird, die aus­drück­lich im Gesetz gere­gelt sind. Das Gesetz ent­hält ins­be­son­de­re in § 231 AO eine abschlie­ßen­de Auf­zäh­lung der Unter­bre­chungs­tat­be­stän­de, wie bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 21.12.2021 unter dem Akten­zei­chen VII R 21/19 ver­deut­licht hat. Die­se Auf­fas­sung ist dabei nicht neu, denn eben­so hat der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 26.4.1999 unter dem Akten­zei­chen V R 90/87 die vor­ge­nann­te Auf­fas­sung der abschlie­ßen­den Auf­zäh­lung vertreten.

Das alles schließt eine exten­si­ve Aus­le­gung des § 231 AO zur Erfas­sung einer Sach­pfän­dung, die im Rah­men eines Arrest­ver­fah­rens bereits vor Fäl­lig­keit der Haupt­schuld vor­ge­nom­men wor­den ist, aus. Denn eine sol­che Erwei­te­rung des Anwen­dungs­be­reichs der Rege­lung zur Ver­jäh­rungs­un­ter­bre­chung wür­de den gesetz­lich vor­ge­se­he­nen Aus­gleich zwi­schen Fis­kal­in­ter­es­se und Rechts­si­cher­heit durchbrechen.

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4. Für Rentner: Entscheidendes Jahr des Rentenbeginns bei aufgeschobener Altersrente

Ins­be­son­de­re Leib­ren­ten, die unter ande­rem aus den berufs­stän­di­schen Ver­sor­gungs­wer­ken erbracht wer­den, gehö­ren zu den Ein­künf­ten aus wie­der­keh­ren­den Bezü­gen im Bereich der sons­ti­gen Ein­künf­te. Der Anteil der Ren­te, der der Besteue­rung unter­liegt, ist dabei nach dem Jahr des Ren­ten­be­ginns und dem für die­ses Jahr maß­geb­li­chen Pro­zent­satz ent­spre­chend der Tabel­le in § 22 Num­mer 1 Satz 3 Buch­sta­be a Dop­pel­buch­sta­be aa Satz 3 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) zu ent­neh­men. Der Unter­schieds­be­trag zwi­schen dem Jah­res­be­trag der Ren­te und dem der Besteue­rung unter­lie­gen­den Anteil der Ren­te ist der steu­er­freie Teil der Ren­te. Die­ser gilt ab dem Jahr, das dem Jahr des Ren­ten­be­ginns folgt, für die gesam­te Lauf­zeit des Ren­ten­be­zu­ges. Hin­sicht­lich des Besteue­rungs­an­teils kann daher pau­schal fest­ge­hal­ten wer­den, dass die­ser umso nied­ri­ger ist, je frü­her die Ren­te beginnt. So beträgt der Besteue­rungs­an­teil für 2023 83 % und steigt dann bis ins Jahr 2040 jähr­lich um einen Pro­zent­punkt auf bis zu 100 %.

Schon aus­weis­lich der Rechts­la­ge vor Inkraft­tre­ten des Alters­ein­künf­te­ge­set­zes war die Höhe des damals für die Ren­ten­be­steue­rung maß­ge­ben­den Ertrags­an­teils vom Beginn der Ren­te abhän­gig und in einer Tabel­le in § 22 EStG alte Fas­sung gere­gelt. Hier­zu hat­te bereits der Bun­des­fi­nanz­hof ent­schie­den, dass als Beginn der Ren­te der Zeit­punkt des Ent­ste­hens des Ren­ten­an­spruchs (also die Erfül­lung sei­ner Vor­aus­set­zun­gen) anzu­se­hen ist. So bei­spiels­wei­se in der Ursprungs­ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs mit Urteil vom 6.4.1976 unter dem Akten­zei­chen VIII R 184/72. Soweit ersicht­lich, hat der Bun­des­fi­nanz­hof sei­ne Auf­fas­sung zudem mit Ent­schei­dung vom 14.11.2001 unter dem Akten­zei­chen X R 90/98 zuletzt wiederholt.

Zu der ab 2005 durch das Alters­ein­künf­te­ge­setz gel­ten­den Rechts­la­ge ist dabei die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung zum dama­li­gen Begriff des „Beginns der Ren­te“ wei­ter­hin maß­geb­lich, auch wenn das Ein­kom­men­steu­er­ge­setz ab dem Jah­re 2005 den Begriff „Jahr des Ren­ten­be­ginns“ ver­wen­det. Fakt ist näm­lich inso­weit, dass sich an den Grund­la­gen auch durch den Sys­tem­wech­sel auf­grund des Alters­ein­künf­te­ge­set­zes nichts geän­dert hat und für die Ermitt­lung des steu­er­pflich­ti­gen Anteils der Ren­te wei­ter­hin das Jahr des Ren­ten­be­ginns ent­schei­dend ist. So auch zu ent­neh­men einem Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 9.12.2015 unter dem Akten­zei­chen X R 30/14.

In Über­ein­stim­mung mit der vor­ge­nann­ten Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs legt auch die Finanz­ver­wal­tung im Schrei­ben des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Finan­zen vom 19.8.2013 als Ren­ten­be­ginn den­je­ni­gen Zeit­punkt fest, ab dem die Ren­te (gege­be­nen­falls nach rück­wir­ken­der Zubil­li­gung) tat­säch­lich bewil­ligt wird. Der Ren­ten­be­scheid ist inso­weit maß­geb­lich. Dem hat sich die ein­hel­li­ge Lite­ra­tur­auf­fas­sung ange­schlos­sen, soweit dies all­ge­mein ersicht­lich ist.

Nach die­sen Grund­sät­zen ist in Fäl­len, in denen der Beginn des Ren­ten­ein­tritts auf Antrag des Ren­ten­be­rech­tig­ten zur Erlan­gung eines höhe­ren Ren­ten­an­spruchs über das Errei­chen der Regel­al­ters­gren­ze hin­aus auf­ge­scho­ben wird, zur Bestim­mung des „Jah­res des Ren­ten­be­ginns“ der Zeit­punkt maß­geb­lich, den der Ren­ten­be­rech­tig­te in Über­ein­stim­mung mit den ent­spre­chen­den Rechts­grund­la­gen des für ihn gel­ten­den Ver­sor­gungs­sys­tems als Beginn der auf­ge­scho­be­nen Alters­ren­te bestimmt.

Auf Basis die­ser Grund­la­gen for­mu­liert der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner Ent­schei­dung vom 31.8.2022 unter dem Akten­zei­chen X R 29/20 den Leit­satz, dass das für die Höhe des Besteue­rungs­an­teils maß­geb­li­che Jahr des Ren­ten­be­ginns immer das Jahr ist, in dem der Ren­ten­an­spruch ent­stan­den ist, also die Vor­aus­set­zun­gen für den Ren­ten­an­spruch erfüllt sind. Ganz klar füh­ren die obers­ten Rich­ter aus: Wird der Ren­ten­ein­tritt auf Antrag des Ren­ten­be­rech­tig­ten zur Erlan­gung eines höhe­ren Ren­ten­an­spruchs über das Errei­chen der Regel­al­ters­gren­ze hin­aus auf­ge­scho­ben, ist der Zeit­punkt maß­geb­lich, den der Ren­ten­be­rech­tig­te in Über­ein­stim­mung mit den ent­spre­chen­den Rechts­grund­la­gen des für ihn gel­ten­den Ver­sor­gungs­sys­tems als Beginn sei­ner auf­ge­scho­be­nen Alters­ren­te bestimmt.

Aus­drück­lich betont der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner vor­ge­nann­ten Ent­schei­dung schließ­lich noch, dass die­se Auf­fas­sung auch ver­fas­sungs­recht­lich halt­bar ist und nicht den all­ge­mei­nen Gleich­heits­grund­satz in Art. 3 Abs. 1 des Grund­ge­set­zes (GG) ver­letzt. Inso­weit hat­te sowohl der Bun­des­fi­nanz­hof, sogar bestä­tigt durch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, bereits mehr­fach ent­schie­den, dass im Rah­men der gesetz­li­chen Über­gangs­re­ge­lung für die Umstel­lung von der Ertrags­an­teils­be­steue­rung auf die nach­ge­la­ger­te Besteue­rung der Alters­be­zü­ge aus der Basis­ver­sor­gung auch grö­ße­re Typi­sie­run­gen und Gene­ra­li­sie­run­gen zuläs­sig sind. So bei­spiels­wei­se der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 19.5.2021 unter dem Akten­zei­chen X R 33/19 mit zahl­rei­chen Nach­wei­sen auf die Recht­spre­chung des Bundesverfassungsgerichts.

Die ver­fas­sungs­recht­lich zuläs­si­gen Typi­sie­run­gen umfas­sen auch den Umstand, dass der Gesetz­ge­ber den steu­er­frei­en Ren­ten­teil­be­trag vom Zeit­punkt des jewei­li­gen Jah­res des Ren­ten­be­ginns abhän­gig machen darf. Inso­weit wur­de ledig­lich die schon vor dem Inkraft­tre­ten des Alters­ein­künf­te­ge­setz bestehen­de Typi­sie­rung fortgeführt.

Zudem hat der Bun­des­fi­nanz­hof auch bereits ent­schie­den, dass die Rege­lung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch ver­letzt wird, dass bei einer Ren­ten­nach­zah­lung (unab­hän­gig vom Zeit­punkt des Zuflus­ses des Nach­zah­lungs­be­tra­ges und dem erst­ma­li­gen Ein­set­zen lau­fen­der Zah­lun­gen) auf den Zeit­punkt des Ent­ste­hens des Ren­ten­an­spruchs abge­stellt wird, weil Fäl­le recht­zei­ti­ger und ver­spä­te­ter Antrag­stel­lung von­ein­an­der ver­schie­den sind und daher auch zu ver­schie­de­nen steu­er­li­chen Fol­gen füh­ren kön­nen. Zudem wür­de der vom Gesetz­ge­ber in ver­fas­sungs­recht­lich zuläs­si­ger Wei­se mit der Typi­sie­rung ver­folg­te Ver­ein­fa­chungs­ef­fekt ver­lo­ren gehen, wenn ent­spre­chend dem Begeh­ren des hier kla­gen­den Steu­er­pflich­ti­gen unter­schied­li­che Besteue­rungs­an­tei­le und Ren­ten­frei­be­trä­ge anzu­set­zen wären.

Wei­ter­hin geht der Bun­des­fi­nanz­hof auch noch dar­auf ein, dass das vom Klä­ger bemüh­te Leis­tungs­fä­hig­keits­prin­zip nicht ver­letzt wird. Im End­ef­fekt wird es also dabei blei­ben, dass sich der Besteue­rungs­an­teil unab­hän­gig von der Zah­lung der Ren­te nach dem Jahr des Ren­ten­be­ginns rich­ten wird.

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5. Für Eltern und Kinder: Kindergeldanspruch bei Wegfall der Arbeitssuchendmeldung

Ent­spre­chend der gesetz­li­chen Rege­lung in § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 in Ver­bin­dung mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Num­mer 1 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) besteht für ein über 18 Jah­re altes Kind, dass das 21. Lebens­jahr noch nicht voll­endet hat, Anspruch auf Kin­der­geld, wenn es nicht in einem Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis steht und bei der Agen­tur für Arbeit im Inland als arbeits­su­chend gemel­det ist. Soweit die Basics.

Streit­be­fan­gen war in einem aktu­el­len Ver­fah­ren beim Bun­des­fi­nanz­hof, wann man als arbeits­su­chend gemel­det ist. Dazu der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner Ent­schei­dung vom 22.9.2022 unter dem Akten­zei­chen III R 37/21: Bei einer Agen­tur für Arbeit als arbeits­su­chend gemel­det ist, wer gegen­über der zustän­di­gen Agen­tur für Arbeit per­sön­lich die Tat­sa­che einer künf­ti­gen oder gegen­wär­ti­gen Arbeits­lo­sig­keit anzeigt. Dies hat so bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 18.6.2015 unter dem Akten­zei­chen VI R 10/14 klar­ge­stellt. Die Regis­trie­rung des arbeits­su­chen­den Kin­des und einer etwa­igen dar­an anknüp­fen Beschei­ni­gung kommt kei­ne ech­te Tat­be­stands­wir­kung für den Kin­der­geld­an­spruch zu. Ent­schei­dend ist, ob sich das Kind im kon­kre­ten Fall tat­säch­lich bei der Arbeits­ver­mitt­lung als arbeits­su­chend gemel­det hat.

Da kei­ne aus­drück­li­che steu­er­recht­li­che Rege­lung besteht, wann der durch eine Mel­dung als arbeits­su­chend begrün­det Sta­tus wie­der ent­fällt, sind für das Kin­der­geld inso­weit die Vor­schrif­ten des Sozi­al­rechts, hier ins­be­son­de­re § 38 des Sozi­al­ge­setz­bu­ches (SGB) III, her­an­zu­zie­hen. Auch dies hat bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in ver­schie­de­nen Ent­schei­dun­gen geklärt. So bei­spiels­wei­se in einem Urteil vom 19.6.2008 unter dem Akten­zei­chen III R 68/05 sowie auch in einer Ent­schei­dung vom 26.8.2014 unter dem Akten­zei­chen XI R 1/13.

Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs setzt der Weg­fall der Wir­kung einer Mel­dung als arbeits­su­chend nicht kon­sti­tu­tiv die wirk­sa­me Bekannt­ga­be einer Ein­stel­lungs­ver­fü­gung vor­aus. Liegt hin­ge­gen eine der Arbeits­agen­tur zur Ein­stel­lung berech­tig­te Pflicht­ver­let­zung nicht vor, ent­fällt die Wir­kung einer Mel­dung als arbeits­su­chend nur, wenn das Kind von sich aus die Been­di­gung der Arbeits­los­mel­dung ver­langt oder die wirk­sa­me Bekannt­ga­be einer Ein­stel­lungs­ver­fü­gung vor­liegt. Ist die Ver­mitt­lung man­gels einer beacht­li­chen Pflicht­ver­let­zung des arbeits­su­chen­den Kin­des zu Unrecht ein­ge­stellt wor­den und fehlt es auch an einer wirk­sa­men Ein­stel­lungs­ver­fü­gung oder einem Antrag des Kin­des auf Been­di­gung der Arbeits­su­che, besteht die Arbeits­su­chend­mel­dung für Zwe­cke des Kin­der­geld­rechts grund­sätz­lich zeit­lich unbe­fris­tet fort, was bedeu­tet, dass sie gege­be­nen­falls bis zum Errei­chen des 21. Lebens­jah­res läuft.

Auf Basis die­ser Grund­sät­ze kommt der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner aktu­el­len Ent­schei­dung unter dem Akten­zei­chen III R 73/21 zu dem Ergeb­nis: Hat die Agen­tur für Arbeit das arbeits­su­chend Kind aus der Ver­mitt­lung abge­mel­det, fehlt es aber an einer wirk­sa­men Bekannt­ga­be der Ein­stel­lungs­ver­fü­gung oder an einer ein­ver­nehm­li­chen Been­di­gung der Arbeits­su­chend­mel­dung, hängt der Fort­be­stand der Arbeits­su­chend­mel­dung davon ab, ob das arbeits­su­chen­de Kind eine Pflicht­ver­let­zung began­gen hat, wel­che die Agen­tur für Arbeit zur Ein­stel­lung der Ver­mitt­lung berech­tigt hat. Weder die Löschung der Regis­trie­rung noch die ein­ver­nehm­li­che Been­di­gung eines Berufs­be­ra­tungs­ter­mins füh­ren zum Weg­fall der Arbeitssuchendmeldung.

Hin­weis: Auch wenn die Fami­li­en­kas­sen dies schein­bar nicht wahr­ha­ben wol­len, ist dies die stän­di­ge Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs und inso­weit nur eine Bestä­ti­gung von frü­he­ren Entscheidungen.

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6. Für Immobilieneigentümer: Zur Wahl der Wertermittlungsmethode bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises einer Immobilie in Grund- und Bodenanteil sowie Gebäude

Wer­bungs­kos­ten sind ent­spre­chend der gesetz­li­chen Defi­ni­ti­on in § 9 Abs. 1 Satz 1 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) Auf­wen­dun­gen zur Erwer­bung, Siche­rung und Erhal­tung der Ein­nah­men. Die­se Wer­bungs­kos­ten kön­nen bei den Ein­künf­ten aus Ver­mie­tung und Ver­pach­tung steu­er­min­dernd abge­zo­gen wer­den, wenn sie durch die Ein­nah­men aus der Ver­mie­tung und Ver­pach­tung ver­an­lasst sind. Zu den bei den Ein­künf­ten aus Ver­mie­tung und Ver­pach­tung abzieh­ba­ren Wer­bungs­kos­ten gehört ent­spre­chend § 9 Absatz 1 Satz 3 Num­mer 7 EStG auch die Abschrei­bung für Abnut­zung für ein zur Ein­künf­te­er­zie­lung genutz­tes Gebäu­de. Bemes­sungs­grund­la­ge der Abschrei­bung sind dabei die Anschaf­fungs- oder Her­stel­lungs­kos­ten. Ist in der Pra­xis für die Anschaf­fung eines Immo­bi­li­en­ob­jek­tes ein Gesamt­kauf­preis gezahlt wor­den, ist der Kauf­preis zur Ermitt­lung der Bemes­sungs­grund­la­ge für die Abschrei­bung auf­zu­tei­len. Zunächst sind Boden- und Gebäu­de­wert geson­dert zu ermit­teln und sodann die Anschaf­fungs­kos­ten nach dem Ver­hält­nis der bei­den Wert­an­tei­le in Anschaf­fungs­kos­ten für den Grund und Boden sowie den Gebäu­de­an­teil auf­zu­tei­len. Dies hat bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner Ent­schei­dung vom 21.7.2020 unter dem Akten­zei­chen IX R 26/19 ausgeführt.

In der vor­ge­nann­ten Ent­schei­dung ging es dabei jedoch wesent­lich um die Fra­ge, ob das Finanz­ge­richt die ver­trag­li­che Kauf­preis­auf­tei­lung durch eine Kauf­preis­auf­tei­lung, wel­che mit­tels der Arbeits­hil­fe des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums ermit­telt wur­de, erset­zen darf. Dies hat­ten die obers­ten Finanz­rich­ter der Repu­blik sei­ner­zeit ganz klar ver­neint und somit der Finanz­ver­wal­tung eine schal­len­de Ohr­fei­ge erteilt. Eine ver­trag­li­che Kauf­preis­auf­tei­lung auf Grund und Boden sowie Gebäu­de, die die rea­len Wert­ver­hält­nis­se in grund­sätz­li­cher Wei­se ver­fehlt und wirt­schaft­lich nicht halt­bar erscheint, darf näm­lich nicht durch die unter Ver­wen­dung der Arbeits­hil­fe des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums ermit­tel­te Auf­tei­lung ersetzt wer­den. Ganz klar ent­schie­den die Rich­ter sei­ner­zeit, dass die Arbeits­hil­fe die von der Recht­spre­chung gefor­der­te Auf­tei­lung nach den rea­len Ver­kehrs­wer­ten von Grund und Boden im Hin­blick auf die Ver­en­gung der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Bewer­tungs­ver­fah­ren auf das ver­ein­fach­te Sach­wert­ver­fah­ren und die Nicht­be­rück­sich­ti­gung eines soge­nann­ten Orts- oder Regio­na­li­sie­rungs­fak­tors bei der Ermitt­lung des Gebäu­de­werts nicht gewährleistet.

Mit einer neu­en Ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 20.9.2022 klärt die­ser nun unter dem Akten­zei­chen IX R 12/21, dass für die Schät­zung des Werts von Grund und Boden sowie des Gebäu­de­an­teils die Immo­bi­li­en­wert-Ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kann, denn sie ent­hält aner­kann­te Grund­sät­ze für die Schät­zung von Ver­kehrs­wer­ten von Grund­stü­cken. Nach deren Bestim­mun­gen ist der Ver­kehrs­wert mit­hil­fe des Ver­gleichs­wert­ver­fah­rens (ein­schließ­lich des Ver­fah­rens zur Boden­wert­ermitt­lung), des Ertrags­wert­ver­fah­rens, des Sach­wert­ver­fah­rens oder meh­re­rer die­ser Ver­fah­ren zu ermit­teln. Die Ver­fah­ren sind nach der Art des Wert­ermitt­lungs­ob­jek­tes unter Berück­sich­ti­gung der im gewöhn­li­chen Geschäfts­ver­kehr bestehen­den Gepflo­gen­hei­ten unter sons­ti­gen Umstän­den des Ein­zel­falls, ins­be­son­de­re der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Daten, zu wäh­len. Die Wahl muss dabei begrün­det sein. Dabei ste­hen die nach den tat­säch­li­chen Gege­ben­hei­ten des jewei­li­gen Ein­zel­falls zu wäh­len­den Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­an­der gleich­wer­tig gegen­über. Der Ver­kehrs­wert ist dann aus dem Ergeb­nis des oder der her­an­ge­zo­ge­nen Ver­fah­ren unter Wür­di­gung sei­nes oder ihrer Aus­sa­ge­fä­hig­keit zu ermitteln.

Die Ermitt­lung der Ver­kehrs­wert­re­la­ti­on ist zwar Teil der Sach­ver­halts­fest­stel­lung des Finanz­ge­rich­tes, die für das Revi­si­ons­ge­richt grund­sätz­lich bin­dend ist. Der Bun­des­fi­nanz­hof als Revi­si­ons­ge­richt muss aller­dings bei Her­an­zie­hung der Immo­bi­li­en­wert-Ver­ord­nung durch die Vor­in­stanz prü­fen, ob dabei die recht­li­chen Vor­ga­ben der maß­geb­li­chen Bestim­mun­gen beach­tet wor­den sind.

Ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Wahl des Bewer­tungs­ver­fah­rens zur Ermitt­lung der Ver­kehrs­wer­te von Grund und Boden sowie Gebäu­de hat die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung die nach­fol­gen­den Grund­sät­ze aufgestellt:

Zum einen hat die Recht­spre­chung bei Miet­wohn­grund­stü­cken im Pri­vat­ver­mö­gen im Regel­fall eine Kauf­preis­auf­tei­lung unter Anwen­dung des Sach­wert­ver­fah­rens mit der Erwä­gung für ange­bracht gehal­ten, dass für den Erwerb einer sol­chen Immo­bi­lie neben Ertrags­ge­sichts­punk­ten und der siche­ren Kapi­tal­an­la­ge auch die Aus­sicht auf einen lang­fris­ti­gen steu­er­frei­en Wert­zu­wachs des Ver­mö­gens aus­schlag­ge­bend sein könn­te. So bei­spiels­wei­se der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 29.5.2008 unter dem Akten­zei­chen IX R 36/06 und in einem Beschluss vom 23.6.2005 unter dem Akten­zei­chen IX B 132/04. Fer­ner hat der Bun­des­fi­nanz­hof stets betont, dass nach den tat­säch­li­chen Gege­ben­hei­ten des jewei­li­gen Ein­zel­falls zu ent­schei­den ist, wel­ches Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren anzu­wen­den ist.

Zum ande­ren hat die Recht­spre­chung bei der Bewer­tung von Miet­wohn­grund­stü­cken im Pri­vat­ver­mö­gen auch eine Anwen­dung des Ertrags­wert­ver­fah­rens für mög­lich erach­tet, wenn die­ses zum zutref­fen­de­ren Wert geführt und die tat­säch­li­chen Wert­ver­hält­nis­se bes­ser abge­bil­det hat. Über­dies hat der Bun­des­fi­nanz­hof in ande­rem mate­ri­ell-recht­li­chen Zusam­men­hang schon frü­her ent­schie­den, dass die zur Auf­tei­lung des gebäu­de­be­zo­ge­nen Auf­wands zu bestim­men­den Ver­kehrs­wer­te des eigen­ge­nutz­ten sowie des fremd­ver­mie­te­ten Teils eines Gebäu­des nach dem Ertrags­wert­ver­fah­ren ermit­telt wer­den kön­nen, wenn eine Bewer­tung im Sach­wert­ver­fah­ren der zur Ver­mie­tung genutz­ten Flä­chen und der eigen­ge­nutz­ten Flä­chen wegen der unter­schied­li­chen Nutz­bar­keit der jewei­li­gen Berei­che zu einem ersicht­lich sach­wid­ri­gen Ergeb­nis führt. So bei­spiels­wei­se der Bun­des­fi­nanz­hof im Urteil vom 25.5.2005 unter dem Akten­zei­chen IX R 46/04 mit wei­te­ren Nennungen.

Das Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren hat die frü­he­re Recht­spre­chung zur Ermitt­lung des Ver­kehrs­werts des Boden- und des Gebäu­de­an­teils einer pri­va­ten Eigen­tums­woh­nung als nicht brauch­bar ange­se­hen, da die­se Bewer­tungs­me­tho­de nur erlau­be, die Eigen­tums­woh­nung als eine Ein­heit von Mit­ei­gen­tums­an­teil und Son­der­ei­gen­tum zu bewer­ten. Daher ist das Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren mit dem Gebot der Ein­zel­be­wer­tung nicht ver­ein­bar, wie der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 15.1.1985 unter dem Akten­zei­chen IX R 81/83 bereits her­aus­ge­ar­bei­tet hat.

Von die­sen vor­ge­nann­ten Grund­sät­zen aus­ge­hend hat sich die Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs dahin­ge­hend fort­ent­wi­ckelt, dass einer­seits bei umfas­send sanier­ten, denk­mal­ge­schütz­ten Miet­wohn­ge­bäu­den die Wert­an­tei­le für Grund und Boden sowie Gebäu­de auf der Grund­la­ge des Sach­wert­ver­fah­rens ermit­telt wer­den kön­nen, wenn ander­wei­tig ermit­tel­te Ertrags- und Ver­gleichs­wer­te die tat­säch­li­chen, an einem ange­mes­se­nen Kauf­preis zu mes­sen­den Wert­ver­hält­nis­se nicht ein­mal annä­hernd abbil­den kön­nen. Ande­rer­seits kann aber bei Miet­wohn­ge­bäu­den auch das Ertrags­wert­ver­fah­ren anzu­wen­den sein, wenn es sich im Ein­zel­fall, etwa mit Blick auf den Reno­vie­rungs­zu­stand oder die begehr­te inner­städ­ti­sche Lage, um Ren­di­te­ob­jek­te han­delt und das Sach­wert­ver­fah­ren nicht in glei­cher Wei­se zur Wert­fin­dung geeig­net erscheint, weil der mit die­ser Metho­de ermit­tel­te Wert ganz erheb­lich von dem zwi­schen den Kauf­ver­trags­par­tei­en ver­ein­bar­ten und tat­säch­lich gezahl­ten Kauf­preis abweicht.

Inso­weit hält der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner aktu­el­len Ent­schei­dung vom 20.9.2022 an den dar­ge­leg­ten Recht­spre­chungs­grund­sät­zen zur Auf­tei­lung eines Gesamt­kauf­prei­ses durch getrenn­te Ermitt­lung des Ver­kehrs­wer­tes von Grund und Boden sowie Gebäu­de unter Rück­griff auf die gleich­wer­ti­gen Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren der Immo­bi­li­en­wert-Ver­ord­nung fest.

Die genann­ten Grund­sät­ze haben wei­ter­hin ihre Berech­ti­gung und wer­den (soweit ersicht­lich) weder in der Recht­spre­chung, noch in der Finanz­ver­wal­tung oder in der Lite­ra­tur grund­sätz­lich infra­ge gestellt.

Inso­weit betont der hier erken­nen­de IX. Senat ganz aus­drück­lich, dass er die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung zum Anlass neh­men möch­te beson­ders her­vor­zu­he­ben, dass sich aus der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung kein steu­er­recht­li­cher (ins­be­son­de­re kein typi­sie­ren­der) Vor­rang bestimm­ter Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren für bestimm­te Gebäu­de­ar­ten ergibt. Das bedeu­tet auch, dass sich die Wahl der Ermitt­lungs­me­tho­de einer Ver­all­ge­mei­ne­rung schon dem Grun­de nach ent­zieht und auch nicht auf ein fall­grup­pen­spe­zi­fisch vor­ran­gi­ges Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren beschränkt wer­den kann. Denn einen von der Beur­tei­lung im Ein­zel­fall unab­hän­gi­gen Vor­rang ein­zel­ner Bewer­tungs­me­tho­den bei bestimm­ten Objekt­ar­ten kann es, ent­ge­gen der immer wie­der bei der Finanz­ver­wal­tung und in der erst­in­stanz­li­chen Recht­spre­chung auf­tre­ten­den Mei­nung, schon von Geset­zes wegen nicht gegeben.

Ganz kon­kret ergibt sich aus den Bestim­mun­gen der Immo­bi­li­en­wert-Ver­ord­nung kein Vor­rang bestimm­ter Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren. Die Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren sind viel­mehr nach der Art des Wert­ermitt­lungs­ob­jek­tes unter Berück­sich­ti­gung der im gewöhn­li­chen Geschäfts­ver­kehr bestehen­den Gepflo­gen­hei­ten und den sons­ti­gen Umstän­den des Ein­zel­falls zu wäh­len. Die Immo­bi­li­en­wert-Ver­ord­nung ist auch nicht abschlie­ßend. Es besteht daher die Mög­lich­keit, Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren wei­ter­zu­ent­wi­ckeln oder neue Ver­fah­ren zu ent­wi­ckeln. Dies ist schon einem Beschluss des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­rich­tes vom 16.1.1996 unter dem Akten­zei­chen 4 B 69/95 zum Bau­recht zu ent­neh­men. Die­se bau­recht­li­che Aus­gangs­la­ge schließt es aus, dass die finanz­ge­richt­li­che Recht­spre­chung ein bestimm­tes Ver­fah­ren zur Ermitt­lung des Ver­kehrs­wer­tes eines bebau­ten Grund­stücks bin­dend vor­gibt. Eine Recht­fer­ti­gung, von dem bau­recht­li­chen Grund­satz der Gleich­wer­tig­keit der Bewer­tungs­ver­fah­ren aus steu­er­recht­li­chen Grün­den abzu­wei­chen, besteht nicht. Nach Ansicht des Senats ver­bie­tet es ins­be­son­de­re der Grund­satz der Ein­zel­be­wer­tung nicht, einen ein­heit­li­chen Kauf­preis nach dem Ver­hält­nis der Ertrags­wer­te auf Grund und Boden einer­seits sowie Gebäu­de ande­rer­seits auf­zu­tei­len. Obwohl der Ertrags­wert des Gebäu­des nur in der Wei­se ermit­telt wer­den kann, dass von dem für die Ver­mie­tung des gesam­ten Grund­stücks erziel­ten Rein­ertrag der Ver­zin­sungs­be­trag des Boden­werts abge­zo­gen wird, han­delt es sich doch um eine Metho­de, mit der der Wert des Gebäu­des als sol­cher aus­rei­chend sicher geschätzt wer­den kann. Dabei darf die Ertrags­wert­me­tho­de nicht mit dem von der Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs ver­wor­fe­nen Rest­wert­ver­fah­ren ver­gli­chen wer­den, bei dem vom gezahl­ten Kauf­preis zunächst der Grund­stücks­wert abge­zo­gen und ledig­lich der ver­blei­ben­de Rest der Anschaf­fungs­kos­ten des Gebäu­des zuge­rech­net wird.

Soweit der Bun­des­fi­nanz­hof bis­lang schwer­punkt­mä­ßig eine Bewer­tung von Geschäfts­grund­stü­cken im Ertrags­wert­ver­fah­ren für ange­zeigt gehal­ten und dabei auf deren Cha­rak­ter als Ren­di­te­ob­jek­te abge­stellt hat, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass im Kon­text der aktu­el­len wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung auch rei­ne Wohn­im­mo­bi­li­en als Ren­di­te­ob­jek­te ange­se­hen wer­den kön­nen. Dafür spricht bei­spiels­wei­se die dyna­mi­sche Ent­wick­lung des Immo­bi­li­en­mark­tes in der Ver­gan­gen­heit und des (jeden­falls bis vor kur­zem) noch sehr nied­ri­gen Zins­ni­veaus. Dem­entspre­chend lie­gen auch dem Erwerb von zur Ver­mie­tung bestimm­tem Wohn­ei­gen­tum regel­mä­ßig Ertrags­über­le­gun­gen zugrun­de. Die Ver­hält­nis­se unter­schei­den sich damit von denen in frü­he­ren Jah­ren, für die der Bun­des­fi­nanz­hof davon aus­ge­gan­gen ist, dass für den Erwerb von Miet­wohn­grund­stü­cken neben Ertrags­ge­sichts­punk­ten und dem Aspekt der siche­ren Kapi­tal­an­la­ge vor allem die Aus­sicht auf einen lang­fris­ti­gen steu­er­frei­en Wert­zu­wachs des Ver­mö­gens aus­schlag­ge­bend war. Vor die­sem Hin­ter­grund ver­bie­tet es sich, das Ertrags­wert­ver­fah­ren außer­halb der Bewer­tung von Geschäfts­grund­stü­cken von vorn­her­ein für weni­ger geeig­net oder auch nur für nach­ran­gig zu halten.

Neben die­sen dog­ma­ti­schen Erwä­gun­gen kommt in rechts­staat­li­cher Hin­sicht hin­zu, dass in der Pra­xis der Immo­bi­li­en­be­wer­tung das Sach­wert­ver­fah­ren kei­nes­wegs über­wiegt. Viel­mehr ent­spricht es den Gepflo­gen­hei­ten des gewöhn­li­chen Geschäfts­ver­kehrs, sowohl das Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren bei der Ermitt­lung von Boden­wer­ten und auch bei bebau­ten Grund­stü­cken anzu­wen­den, als auch auf das Ertrags­wert­ver­fah­ren zurück­zu­grei­fen, wenn ver­gleich­ba­re Objek­te übli­cher­wei­se mit der Absicht erwor­ben wer­den, Erträ­ge zu erzie­len und/oder den Wert des ein­ge­setz­ten Kapi­tals zu ver­meh­ren, sowie eine Anwen­dung des Sach­wert­ver­fah­rens in Betracht zu zie­hen, wenn es sich um Son­der­ob­jek­te (bei­spiels­wei­se denk­mal­ge­schütz­te Immo­bi­li­en) han­delt oder wenn ver­gleich­ba­re Objek­te regel­mä­ßig durch Käu­fe erwor­ben wer­den, deren Alter­na­ti­ve im Neu­bau eines ent­spre­chen­des Objek­tes besteht, was am ehes­ten bei eigen­ge­nutz­ten Wohn­im­mo­bi­li­en der Fall sein dürfte.

In der Pra­xis der Immo­bi­li­en­be­wer­tung wird dem Ertrags­wert­ver­fah­ren die wei­tes­te Ver­brei­tung zuge­spro­chen. Dies soll für nahe­zu alle Gebäu­de­ar­ten gel­ten, auch für Wohn- und Teil­ei­gen­tum. Zum Teil wird aber auch eine Domi­nanz des Ver­gleichs­wert­ver­fah­rens gese­hen. Ganz deut­lich beto­nen die Rich­ter in der vor­lie­gen­den Ent­schei­dung jedoch, dass der Bun­des­fi­nanz­hof dem nicht wei­ter nach­zu­ge­hen braucht.

Hin­weis: Inso­weit kann nur abschlie­ßend wie­der­holt wer­den, dass für die Schät­zung des Wer­tes des Grund und Bodens sowie des Gebäu­de­an­teils die Immo­bi­li­en­wert-Ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kann. Wel­ches Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren dabei anzu­wen­den ist, ist nach den tat­säch­li­chen Gege­ben­hei­ten des jewei­li­gen Ein­zel­falls zu ent­schei­den. Die Wahl der Ermitt­lungs­me­tho­de ent­zieht sich einer Ver­all­ge­mei­ne­rung. Ein Vor­rang bestimm­ter Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren für bestimm­te Gebäu­de­ar­ten besteht nicht, sodass sogar auch Wert­ermitt­lungs­ver­fah­ren außer­halb der Immo­bi­li­en­wert-Ver­ord­nung Anwen­dung fin­den können.

Für die Pra­xis soll­te damit ent­ge­gen der häu­fig fis­ka­li­schen Auf­fas­sung der Finanz­ver­wal­tung eine wei­te­re, erheb­li­che Ver­ein­fa­chung geschaf­fen wor­den sein. Das Urteil ist daher zu begrü­ßen und zeigt, dass man in etwa­igen Strei­tig­kei­ten hin­sicht­lich der Auf­tei­lung des Gesamt­kauf­prei­ses gegen­über dem Finanz­amt nicht unbe­dingt nach­ge­ben sollte.

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7. Für (ehemalige) Unternehmer: Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung auch bei Veräußerung von Wirtschaftsgütern gegen wiederkehrende Bezüge im Rahmen einer Betriebsaufgabe

Wenn ein Unter­neh­mer sei­nen Betrieb im Gan­zen ver­äu­ßert, also eine Betriebs­ver­äu­ße­rung im Gan­zen statt­fin­det, ist die­se immer zu besteu­ern. Erfolgt die Betriebs­ver­äu­ße­rung gegen wie­der­keh­ren­de Bezü­ge, steht dem (ehe­ma­li­gen) Unter­neh­mer mit Blick auf die Besteue­rung ein Wahl­recht zwi­schen der Sofort­be­steue­rung und der Zufluss­be­steue­rung des ent­spre­chen­den Gewin­nes zu.

Mit Urteil vom 29.6.2022 hat der Bun­des­fi­nanz­hof unter dem Akten­zei­chen X R 6/20 ent­schie­den, dass auch der Gewinn aus der Ver­äu­ße­rung eines gro­ßen Teils der betrieb­li­chen Wirt­schafts­gü­ter gegen eine Leib­ren­te auf­grund der mit einer Betriebs­ver­äu­ße­rung gegen wie­der­keh­ren­de Bezü­ge ver­gleich­ba­ren Inter­es­sen­la­ge eben­falls der Zufluss­be­steue­rung unter­lie­gen kann. Ganz kon­kret: Auch in die­sem Fall steht dem Steu­er­pflich­ti­gen ein Wahl­recht zu, den Gewinn aus der Ver­äu­ße­rung ein­zel­ner betrieb­li­cher Wirt­schafts­gü­ter im Rah­men der Betriebs­auf­ga­be nach § 16 Abs. 3 Satz 6 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) nach Maß­ga­be des Zuflus­ses der wie­der­keh­ren­de Bezü­ge und zudem erst dann als rea­li­siert anzu­se­hen, wenn die wie­der­keh­ren­den Bezü­ge die Buch­wer­te der ver­äu­ßer­ten Wirt­schafts­gü­ter und die inso­weit ange­fal­le­nen Auf­ga­be­kos­ten über­stei­gen. Die Finanz­ver­wal­tung ist hin­ge­gen bis zu die­ser Ent­schei­dung davon aus­ge­gan­gen, dass im Fall der Betriebs­auf­ga­be nur die Sofort­be­steue­rung grei­fen kann. Eine Zufluss­be­steue­rung woll­te der Fis­kus in Fäl­len der Betriebs­auf­ga­be (im Gegen­satz zur Betriebs­ver­äu­ße­rung) hin­ge­gen nicht gewäh­ren. Mit die­ser fis­ka­li­schen Mei­nung macht der Bun­des­fi­nanz­hof durch die aktu­el­le Ent­schei­dung nun jedoch Schluss.

Zur Begrün­dung: Im Fall der Betriebs­ver­äu­ße­rung gegen bestimm­te wie­der­keh­ren­de Bezü­ge ent­spre­chend der Rege­lung in § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steu­er­pflich­ti­ge zwi­schen der Sofort­be­steue­rung und der Zufluss­be­steue­rung wäh­len. Dies war bis­her auch mit der Finanz­ver­wal­tung unumstritten.

Ver­äu­ßert also ein Steu­er­pflich­ti­ger sei­nen Betrieb gegen wie­der­keh­ren­de Bezü­ge, ins­be­son­de­re gegen eine Leib­ren­te, gewäh­ren sowohl die Recht­spre­chung als auch die Finanz­ver­wal­tung in Richt­li­nie 16 Abs. 11 der Ein­kom­men­steu­er­richt­li­ni­en (EStR) ein­kom­men­steu­er­recht­li­che Erleich­te­run­gen. Die jün­ge­re höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung geht dabei davon aus, dass zwar die Sofort­be­steue­rung der gesetz­li­che Nor­mal­fall ist, die Zufluss­be­steue­rung aber eine auf Bil­lig­keits­er­wä­gun­gen unter Berück­sich­ti­gung des Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­sat­zes beru­hen­de Aus­nah­me­re­ge­lung dar­stellt. So bei­spiels­wei­se der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner Ent­schei­dung vom 17.7.2013 unter dem Akten­zei­chen X R 40/10. Aus die­sem Grund muss der Steu­er­pflich­ti­ge bei einer Betriebs­ver­äu­ße­rung die Zufluss­be­steue­rung auch aus­drück­lich wäh­len, wie bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 5.11.2019 unter dem Akten­zei­chen X R 12/17 klar­ge­stellt hat.

Die Eröff­nung die­ses Wahl­rechts zur Zufluss­be­steue­rung hat der Bun­des­fi­nanz­hof mit dem für den Ver­äu­ße­rer ver­bun­de­nen Wag­nis begrün­det und ergän­zend auf den Ver­sor­gungs­cha­rak­ter die­ser Zah­lun­gen abgestellt.

Die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung erkennt seit lan­gem bei der Betriebs­ver­äu­ße­rung gegen Leib­ren­te das Wag­nis in der per­so­nen­be­ding­ten Unge­wiss­heit der Ren­ten­lauf­zeit durch die lebens­läng­li­che Bin­dung. So bereits zu ent­neh­men einer Ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 30.1.1974 unter dem Akten­zei­chen IV R 80/70. Dem­zu­fol­ge wird dem Ver­äu­ße­rer ein Wahl­recht ein­ge­räumt, den Ver­äu­ße­rungs­ge­winn ent­spre­chend dem Zufluss zu ver­steu­ern. Das Ein­kom­men­steu­er­ge­setz ent­hält kei­ne ein­deu­ti­ge Rege­lung über das Ver­hält­nis zwi­schen § 16 und § 34 EStG einer­seits und § 24 Num­mer 2 EStG ande­rer­seits. Des­halb ist die Ein­kom­mens­be­steue­rung einer den Beson­der­hei­ten der Ver­trags­ge­stal­tung im Ein­zel­fall gerecht wer­den­den Aus­le­gung zugäng­lich, deren Ergeb­nis dar­in bestehen kann, dass das Gesetz dem Steu­er­pflich­ti­gen inso­weit ein Wahl­recht ein­räumt. So auch bereits der sei­ner­zei­ti­gen Ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs aus 1974 zu entnehmen.

Die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung hat dar­über hin­aus das Wahl­recht zwi­schen Sofort­be­steue­rung und Zufluss­be­steue­rung in Fäl­len ande­rer lang­fris­tig wie­der­keh­ren­der Bezü­ge zuge­las­sen, die nicht im Inter­es­se des Erwer­bers, son­dern haupt­säch­lich im Inter­es­se des Ver­äu­ße­rers ver­ein­bart wur­den, um des­sen Ver­sor­gung zu sichern. Dabei hat der Bun­des­fi­nanz­hof dar­auf hin­ge­wie­sen, dass im Fall eines unge­wöhn­lich lan­gen, nicht mehr über­seh­ba­ren Zeit­raums die­se Bezü­ge ähn­lich wag­nis­be­haf­tet sind wie eine Leib­ren­te. So bei­spiels­wei­se in der Ent­schei­dung vom 26.7.1984 unter dem Akten­zei­chen IV R 137/82 mit wei­te­ren Nennungen.

Auch hat der Bun­des­fi­nanz­hof in die­sen Fäl­len auf die unge­wis­se Ver­sor­gung des Ver­äu­ße­rers abge­stellt. Erstreckt sich die Ver­sor­gung des Berech­tig­ten näm­lich über eine län­ge­re Zeit, ist eine Mil­de­rung des Grund­sat­zes der sofor­ti­gen Besteue­rung der durch die Ver­äu­ße­rung des Betriebs rea­li­sier­ten stil­len Reser­ven gebo­ten und wegen des Grund­sat­zes der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Besteue­rung die Erfas­sung des Ver­äu­ße­rungs­er­lö­ses erst im Zeit­punkt des Zuflus­ses notwendig.

Im Vor­der­grund der Argu­men­ta­ti­on die­ser Recht­spre­chung steht also das Risi­ko, dass im Fall eines frü­hen Todes des Ver­äu­ße­rers bei einer Sofort­be­steue­rung mehr ver­steu­ert wer­den muss, als dem Steu­er­pflich­ti­gen tat­säch­lich zuge­flos­sen ist. So auch der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 17.7.2013 unter dem Akten­zei­chen X R 40/10. Das Wahl­recht trägt daher dem Umstand Rech­nung, dass einer­seits die wie­der­keh­ren­den Bezü­ge mit ihrem Gegen­stands­wert zu bewer­ten sind und damit der Ver­äu­ße­rungs­ge­winn bereits im Zeit­punkt der Über­tra­gung des wirt­schaft­li­chen Eigen­tums an den wesent­li­chen Betriebs­grund­la­ge ver­wirk­licht wird, ande­rer­seits jedoch das (gemes­sen an der sta­tis­ti­schen Wahr­schein­lich­keit) vor­zei­ti­ge Ver­ster­ben des Ren­ten­be­rech­tig­ten nicht zu einer rück­wir­ken­den Kor­rek­tur des Ver­äu­ße­rungs­ge­winns führt. So zu ent­neh­men einer Ent­schei­dung des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 14.5.2002 unter dem Akten­zei­chen VIII R 8/01.

Die Zufluss­be­steue­rung bewirkt inso­weit ledig­lich eine zeit­li­che Stre­ckung der anfal­len­den Steu­er­zah­lun­gen, die sich der Steu­er­pflich­ti­ge durch den Ver­lust der Begüns­ti­gun­gen des § 16 Abs. 4 EStG, also des Frei­be­trags und des § 34 EStG, also des ermä­ßig­ten Steu­er­sat­zes, qua­si erkauft.

Im Fall einer Betriebs­auf­ga­be, bei der Wirt­schafts­gü­ter gegen lang­fris­tig wie­der­keh­ren­de Bezü­ge, ins­be­son­de­re Leib­ren­ten, ver­äu­ßert wer­den, ist das Wahl­recht zur Zufluss­be­steue­rung (wohl gemerkt natür­lich nur auf die ver­äu­ßer­ten Wirt­schafts­gü­ter) eben­falls zu gewäh­ren, wie der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner aktu­el­len Ent­schei­dung ganz aus­drück­lich betont. Es liegt inso­weit eine ver­gleich­ba­re Inter­es­sens­la­ge vor wie bei der Betriebs­ver­äu­ße­rung im Ganzen.

Bis­lang hat der Bun­des­fi­nanz­hof ledig­lich ent­schie­den, dass ein sol­ches Wahl­recht bei der Ver­äu­ße­rung eines ein­zel­nen Wirt­schafts­gu­tes gegen eine Leib­ren­te aus einem fort­be­stehen­den Betrieb nicht zu gewäh­ren ist. So ein Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 20.1.1971 unter dem Akten­zei­chen I R 147/69. Die­se Mei­nung hat der Bun­des­fi­nanz­hof damit begrün­det, dass der Betrieb nach der Ver­äu­ße­rung des Wirt­schafts­guts beim Ver­äu­ße­rer fort­be­steht und der Gewinn des Todes­jah­res durch die Auf­lö­sung der akti­vier­ten Leib­ren­ten­for­de­rung gemin­dert wird. Dies gleicht das mit der Leib­ren­te ver­bun­de­ne Risi­ko eines sta­tis­tisch vor­zei­ti­gen Ver­ster­bens aus. In den Fäl­len der Betriebs­ver­äu­ße­rung oder der Betriebs­auf­ga­be ist dies jedoch anders.

Vom Urteils­sach­ver­halt aus der Ent­schei­dung aus 1971 unter­schei­det sich jedoch eine Betriebs­auf­ga­be, bei der eben­falls Wirt­schafts­gü­ter gegen wie­der­keh­ren­de Bezü­ge ver­äu­ßert wer­den. Denn eben­so wie nach der Betriebs­ver­äu­ße­rung im Gan­zen ist der Ver­äu­ße­rer nach einer Ver­äu­ße­rung ein­zel­ner Wirt­schafts­gü­ter im Rah­men einer Betriebs­auf­ga­be nicht mehr Inha­ber des Betrie­bes. Wie bei einer Betriebs­ver­äu­ße­rung liegt es in sei­nem Inter­es­se, für die­se Ver­äu­ße­rung nicht mehr Ein­kom­men­steu­er zah­len zu müs­sen, als er nach Maß­ga­be der tat­säch­lich zuge­flos­se­nen Ren­ten­zah­lung müss­te. Die­ses Risi­ko ist auch bei einer Betriebs­auf­ga­be vor­han­den. Stirbt der (frü­he­re) Betriebs­in­ha­ber vor Errei­chen sei­ner sta­tis­ti­schen Lebens­er­war­tung, hät­te er einen Gewinn zu ver­steu­ern, der nach­träg­lich nicht kor­ri­giert wer­den kann, da kein rück­wir­ken­des Ereig­nis gege­ben ist, son­dern sich ein ver­trags­per­ma­nen­tes Wag­nis kon­kre­ti­siert hat.

Auf­grund des beschrie­be­nen Wag­nis­cha­rak­ters und im Hin­blick auf den Ver­sor­gungs­cha­rak­ter der­ar­ti­ger Bezü­ge erscheint eine Gleich­be­hand­lung von Betriebs­ver­äu­ße­rung und Betriebs­auf­ga­be jeweils gegen wie­der­keh­ren­de Bezü­ge sogar zwin­gend, so der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner aktu­el­len Ent­schei­dung. Dies gilt dabei umso mehr, als im Fall der Betriebs­ver­äu­ße­rung das Wahl­recht, die wie­der­keh­ren­den Bezü­ge erst bei Zufluss zu ver­steu­ern, schon damit eröff­net ist, wenn nur ein Teil des Kauf­prei­ses in die­ser Form erbracht wird, der ande­re Teil aber aus einer Ein­mal­zah­lung besteht.

Wie im Fall der Betriebs­ver­äu­ße­rung kann das Wahl­recht zur Zufluss­be­steue­rung bei der Betriebs­auf­ga­be im Wege einer teleo­lo­gi­schen Reduk­ti­on her­ge­lei­tet wer­den. Auch bei einem Betriebs­auf­ga­be­ge­winn, der wie der Ver­äu­ße­rungs­ge­winn zu behan­deln ist, ist nicht geklärt, ob die­se Vor­schrif­ten die Rege­lung des § 24 Num­mer 2 EStG ver­drän­gen. Sinn und Zweck der begüns­tig­ten Besteue­rung des Ver­äu­ße­rungs­ge­winns (sowie des Auf­ga­be­ge­winns) ist die Gewäh­rung einer Tarif­be­güns­ti­gung für den Fall einer zusam­men­ge­ball­ten Rea­li­sie­rung der wäh­rend vie­ler Jah­re ent­stan­de­nen stil­len Reser­ven, die in den wesent­li­chen Grund­la­gen einer betrieb­li­chen Sach­ge­samt­heit ange­sam­melt und in einem ein­heit­li­chen Vor­gang auf­ge­löst wer­den. Die Rege­lung in § 24 Num­mer 2 EStG ord­net dage­gen zuflie­ßen­de Ein­künf­te nach der Been­di­gung einer Tätig­keit oder Ein­kunfts­art dann der in der Ver­gan­gen­heit ver­wirk­lich­ten Ein­kunfts­art zu.

Da wie im Fall der Betriebs­ver­äu­ße­rung gegen wie­der­keh­ren­de Bezü­ge auch bei der Betriebs­auf­ga­be unter Ver­äu­ße­rung von Wirt­schafts­gü­tern nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass eine unver­hält­nis­mä­ßig hohe Besteue­rung trotz der Begüns­ti­gun­gen droht, bedarf es der am Zweck die­ser Norm ori­en­tier­ten Ein­schrän­kung der Besteue­rung des wag­nis­be­haf­te­ten Teils des Ver­äu­ße­rungs­ge­winns bzw. des Auf­ga­be­ge­winns. Folg­lich kann auch die­ser Teil des Auf­ga­be­ge­winns, wenn der Steu­er­pflich­ti­ge es denn will, nach dem Zufluss der Zah­lun­gen besteu­ert werden.

Ganz aus­drück­lich beto­nen die obers­ten Finanz­rich­ter der Repu­blik, dass die­ses Wahl­recht im Fall der Betriebs­auf­ga­be nicht des­halb aus­ge­schlos­sen ist, weil der Steu­er­pflich­ti­ge einen Teil der zuvor betrieb­lich genutz­ten Wirt­schafts­gü­ter in sei­nem Eigen­tum behält. Bereits bei einer Betriebs­ver­äu­ße­rung ist es für die Anwen­dung des Wahl­rechts auf Zufluss­be­steue­rung uner­heb­lich, ob der Ver­äu­ße­rer die nöti­gen Mit­tel erhält, um die im Fall der Sofort­be­steue­rung zu erbrin­gen­den Steu­ern beglei­chen zu kön­nen. Zudem stellt die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung ledig­lich auf das Wag­nis des frü­he­ren Aus­falls der wie­der­keh­ren­den Bezü­ge und/oder den Ver­sor­gungs­cha­rak­ter die­ser Zah­lung für den Ver­äu­ße­rer ab.

Eine Beschrän­kung der Zufluss­be­steue­rung auf den Fall der Betriebs­ver­äu­ße­rung lässt sich daher der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs nicht entnehmen.

Hin­weis: Einen Nach­teil gibt es jedoch lei­der den­noch: Denn der Bun­des­fi­nanz­hof stellt auch klar, dass im Fal­le der Zufluss­be­steue­rung eine ermä­ßig­te Besteue­rung nach § 34 EStG nicht in Betracht kommt. Je nach Ein­zel­fall könn­ten sich daher Ver­gleichs­be­rech­nun­gen lohnen.

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