Mandantenrundschreiben2018-02-26T13:28:25+00:00

Mandantenbrief November 2022

Word-DateiVor­he­ri­ger Man­dan­ten­briefNächs­ter Mandantenbrief

Steuertermine

10.11. Umsatz­steu­er
Lohn­steu­er
Kir­chen­steu­er zur Lohnsteuer

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 14.11. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck.

15.11. Gewer­be­steu­er
Grundsteuer

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 18.11. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck.

Zah­lun­gen per Scheck gel­ten erst drei Tage nach Ein­gang des Schecks bei der Finanz­be­hör­de (Gewer­be­steu­er und Grund­steu­er: bei der Gemein­de- oder Stadt­kas­se) als recht­zei­tig geleis­tet. Um Säum­nis­zu­schlä­ge zu ver­mei­den, muss der Scheck spä­tes­tens drei Tage vor dem Fäl­lig­keits­tag vorliegen.

Alle Anga­ben ohne Gewähr

Vor­schau auf die Steu­er­ter­mi­ne Dezem­ber 2022:

12.12. Umsatz­steu­er
Lohn­steu­er
Kir­chen­steu­er zur Lohn­steu­er
Ein­kom­men­steu­er
Kir­chen­steu­er
Körperschaftsteuer

Die drei­tä­gi­ge Zah­lungs­schon­frist endet am 18.11. für den Ein­gang der Zah­lung. Die­se Frist gilt nicht für die Bar­zah­lung und die Zah­lung per Scheck.

Zah­lun­gen per Scheck gel­ten erst drei Tage nach Ein­gang des Schecks bei der Finanz­be­hör­de (Gewer­be­steu­er und Grund­steu­er: bei der Gemein­de- oder Stadt­kas­se) als recht­zei­tig geleis­tet. Um Säum­nis­zu­schlä­ge zu ver­mei­den, muss der Scheck spä­tes­tens drei Tage vor dem Fäl­lig­keits­tag vorliegen.

Alle Anga­ben ohne Gewähr

Fäl­lig­keit der Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge Novem­ber 2022

Die Bei­trä­ge sind in vor­aus­sicht­li­cher Höhe der Bei­trags­schuld spä­tes­tens am dritt­letz­ten Ban­ken­ar­beits­tag eines Monats fäl­lig. Für Novem­ber ergibt sich dem­nach als Fäl­lig­keits­ter­min der 28.11.2022.

1. Für alle Steuerpflichtigen: Geplante Neuregelungen bei der Fotovoltaik ab 2023

Mit Datum vom 14.9.2022 hat das Bun­des­ka­bi­nett, den Ent­wurf eines Jah­res­steu­er­ge­set­zes 2022 ver­ab­schie­det. In die­sem Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung fin­den sich ins­be­son­de­re zum The­ma Foto­vol­ta­ik zahl­rei­che Rege­lun­gen, wel­che im Refe­ren­ten­ent­wurf aus dem Som­mer die­ses Jah­res noch nicht ent­hal­ten waren. Im Fol­gen­den soll daher die Neu­re­ge­lung kurz dar­ge­stellt und der bis­he­ri­gen Rege­lung gegen­über­ge­stellt wer­den. Vor­aus­sicht­lich wird die Neu­re­ge­lung auf Foto­vol­ta­ik­an­la­gen zutref­fen, die ab 2023 in Betrieb genom­men wer­den. Die Ände­run­gen sind dabei sowohl ertrag­steu­er­li­cher als auch umsatz­steu­er­li­cher Natur.

Zunächst zum Ertrag­steu­er­recht: Bis­her war es so, dass die Ein­nah­men aus dem Betrieb der Foto­vol­ta­ik­an­la­ge sol­che aus Gewer­be­be­trieb waren. Gewer­be­steu­er ist regel­mä­ßig nicht ange­fal­len, solan­ge der Gewinn ins­ge­samt unter­halb des gewer­be­steu­er­li­chen Frei­be­trags von 24.500 Euro lag. Ein­kom­men­steu­er­lich muss­te der Gewinn bei den Ein­künf­ten aus Gewer­be­be­trieb ver­steu­ert wer­den bzw. etwai­ge Anfangs­ver­lus­te konn­ten mit ande­ren Ein­künf­ten steu­er­min­dernd ver­rech­net wer­den. Ins­be­son­de­re bei den typi­schen Anla­gen auf dem Ein­fa­mi­li­en­haus oder Zwei­fa­mi­li­en­haus konn­te man jedoch auf die ein­kom­men­steu­er­li­che (und dem fol­gend auf die gewer­be­steu­er­li­chen) Regis­trie­rung ver­zich­ten, da ein Lieb­ha­be­rei-Betrieb ange­nom­men wur­de. Ins­be­son­de­re auf­grund des Eigen­ver­brauchs des pro­du­zier­ten Stroms ging man daher davon aus, dass bei Anla­gen bis zehn KW eine ent­spre­chen­de Lieb­ha­be­rei gege­ben ist und dem­entspre­chend auch ein­kom­men­steu­er­lich nichts gemacht wer­den musste.

Ab 2023 wird nun für Foto­vol­ta­ik­an­la­gen die fol­gen­de Steu­er­be­frei­ung in § 3 Num­mer 72 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) geschaf­fen. Danach sind die Ein­nah­men und Ent­nah­men im Zusam­men­hang mit dem Betrieb von auf, an oder in Ein­fa­mi­li­en­häu­sern (ein­schließ­lich Neben­ge­bäu­den) oder nicht zu Wohn­zwe­cken die­nen­den Gebäu­den vor­han­de­nen Foto­vol­ta­ik­an­la­gen mit einer instal­lier­ten Brut­to­leis­tung laut Markt­stamm­da­ten­re­gis­ter von bis zu 30 KW steuerfrei.

Eben­falls steu­er­frei sind die Ein­nah­men und Ent­nah­men aus dem Betrieb von auf, an oder in über­wie­gend zu Wohn­zwe­cken genutz­ten sons­ti­gen Gebäu­den vor­han­de­nen Foto­vol­ta­ik­an­la­gen mit einer instal­lier­ten Brut­to­leis­tung laut Markt­stamm­da­ten­re­gis­ter von bis zu 15 KW je Wohn- oder Gewerbeeinheit.

Ins­ge­samt ist die Steu­er­be­frei­ung auf höchs­tens 100 KW pro Steu­er­pflich­ti­gen oder Mit­un­ter­neh­mer­schaft begrenzt. Wer­den also aus der Anla­ge Ein­künf­te aus Gewer­be­be­trieb erzielt, so sind die­se Ein­nah­men ins­ge­samt steu­er­frei und ein Gewinn ist nicht zu ermit­teln. Inso­weit ist auch die Abfär­be­re­ge­lung des § 15 Abs. 3 Num­mer 1 EStG nicht anzu­wen­den, wie aus­weis­lich des vor­lie­gen­den Geset­zes­ent­wur­fes aus­drück­lich in § 3 Num­mer 27 EStG neu gere­gelt ist.

Die Geset­zes­be­grün­dung für die­se neue Regung fällt dabei wie folgt aus: Mit dem Ziel des Abbaus büro­kra­ti­scher Hür­den und der Set­zung eines steu­er­li­chen Anrei­zes zum Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien wer­den Ein­nah­men aus dem Betrieb von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen mit einer instal­lier­ten Gesamt­brut­to­leis­tung lt. Markt­stamm­da­ten­re­gis­ter auf, an oder in Ein­fa­mi­li­en­häu­sern (ein­schließ­lich Dächern von Gara­gen und Car­ports und ander­wei­ti­ger Neben­ge­bäu­de) oder nicht Wohn­zwe­cken die­nen­den Gebäu­den (z.B. Gewer­be­im­mo­bi­lie, Gara­gen­hof) von bis zu 30 kW (peak) ab 1.1.2023 steu­er­frei gestellt.

Die Steu­er­be­frei­ung gilt unab­hän­gig von der Ver­wen­dung des erzeug­ten Stroms. 

Für pri­va­te Immo­bi­li­en­be­sit­zer wird es künf­tig ein­fa­cher, sich für die Instal­la­ti­on einer Foto­vol­ta­ik­an­la­ge auf ihrer eigen­ge­nutz­ten oder ver­mie­te­ten Immo­bi­lie zu ent­schei­den. Die Steu­er­be­frei­ung gilt unab­hän­gig von der Ver­wen­dung des erzeug­ten Stroms. Damit sind auch Ein­nah­men aus Foto­vol­ta­ik­an­la­gen, bei denen der erzeug­te Strom voll­stän­dig in das öffent­li­che Strom­netz ein­ge­speist, zum Auf­la­den eines pri­va­ten oder betrieb­lich genutz­ten E‑Autos ver­braucht oder von Mie­tern genutzt wird, steuerfrei. 

Die Steu­er­be­frei­ung gilt dar­über hin­aus auch für Foto­vol­ta­ik­an­la­gen auf Mehr­fa­mi­li­en­häu­sern und gemischt genutz­ten Gebäu­den mit Wohn- und Gewer­be­ein­hei­ten mit über­wie­gen­der Nut­zung zu Wohn­zwe­cken bis zu einer Grö­ße von 15 kW (peak) (antei­li­ge Brut­to­leis­tung laut Markt­stamm­da­ten­re­gis­ter) pro Wohn- und Gewer­be­ein­heit. Damit wird auch der Betrieb von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen durch Pri­vat­ver­mie­ter, Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten, Genos­sen­schaf­ten und Ver­mie­tungs­un­ter­neh­men begüns­tigt. Wer­den in einem Betrieb nur steu­er­freie Ein­nah­men aus dem Betrieb von begüns­tig­ten Foto­vol­ta­ik­an­la­gen erzielt, braucht hier­für kein Gewinn mehr ermit­telt und damit z. B. auch kei­ne Anla­ge EÜR abge­ge­ben zu werden.

Bei ver­mö­gens­ver­wal­ten­den Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten (z. B. Ver­mie­tungs-GbRs) führt der Betrieb von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen, die die begüns­tig­ten Anla­gen­grö­ßen nicht über­schrei­ten, nicht zu einer gewerb­li­chen Infek­ti­on der Ver­mie­tungs­ein­künf­te. Damit kön­nen auch ver­mö­gens­ver­wal­ten­de Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten künf­tig auf ihren Miet­ob­jek­ten Foto­vol­ta­ik­an­la­gen von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- und Gewer­be­ein­heit (max. 100 kW (peak)) instal­lie­ren und ihre Mie­ter mit selbst pro­du­zier­tem Strom ver­sor­gen, ohne steu­er­li­che Nach­tei­le befürch­ten zu müssen.

Umsatz­steu­er­lich wur­den die ent­spre­chen­den klei­nen Foto­vol­ta­ik­an­la­gen bis­her so gehand­habt, dass man umsatz­steu­er­li­cher Unter­neh­mer wur­de. So konn­te der Umsatz­steu­er­be­trag aus den Ein­gangs­rech­nun­gen für die Instal­la­ti­on der Foto­vol­ta­ik­an­la­ge und den Kauf des Spei­chers vom Finanz­amt erstat­tet wer­den. Im Gegen­zug muss­te jedoch auf den Eigen­ver­brauch des Stroms oder auch auf den ver­kauf­ten Strom Umsatz­steu­er berech­net wer­den. Nach fünf Jah­ren konn­te man dann zur Klein­un­ter­neh­mer­re­ge­lung wech­seln, und muss­te so auf den Eigen­ver­brauch und den ver­kauf­ten Strom (in den Gren­zen der Klein­un­ter­neh­mer­re­ge­lung) auch kei­ne Umsatz­steu­er mehr entrichten.

Ab 2023 soll für Foto­vol­ta­ik­an­la­gen eine fak­ti­sche Steu­er­be­frei­ung geschaf­fen wer­den. Tat­säch­lich liegt zwar kei­ne Steu­er­be­frei­ung vor, viel­mehr wur­de der Steu­er­satz für ent­spre­chen­de Umsät­ze auf 0 % her­ab­ge­setzt. So ermä­ßigt sich die Umsatz­steu­er auf 0 % für die Lie­fe­run­gen von Solar­mo­du­len an den Betrei­ber einer Foto­vol­ta­ik­an­la­ge, ein­schließ­lich der für den Betrieb einer Foto­vol­ta­ik­an­la­ge wesent­li­chen Kom­po­nen­ten und der Spei­cher, die dazu die­nen, den mit Solar­mo­du­len erzeug­ten Strom zu spei­chern, wenn die Foto­vol­ta­ik­an­la­ge auf oder in der Nähe von Pri­vat­woh­nun­gen, Woh­nun­gen sowie öffent­li­chen und ande­ren Gebäu­den, die für den Gemein­wohl die­nen­den Tätig­kei­ten genutzt wer­den, instal­liert wird. Die vor­ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen gel­ten als erfüllt, wenn die instal­lier­te Brut­to­leis­tung der Foto­vol­ta­ik­an­la­ge laut Markt­stamm­da­ten­re­gis­ter nicht mehr als 30 KW beträgt oder betra­gen wird.

Eine ent­spre­chen­de Steu­er­be­frei­ung bzw. die Her­ab­set­zung des Steu­er­sat­zes auf 0 % gibt es auch für die inner­ge­mein­schaft­li­chen Erwer­be ent­spre­chen­der Foto­vol­ta­ik­an­la­gen bzw. die Ein­fuhr der zuvor bezeich­ne­ten Gegen­stän­de. Eben­so wird der Steu­er­satz auf 0 % her­ab­ge­setzt für die Instal­la­ti­on von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen sowie der Spei­cher, die dazu die­nen, die mit Solar­mo­du­len erzeug­ten Strom zu spei­chern, wenn die Lie­fe­rung der instal­lier­ten Kom­po­nen­ten die vor­ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen erfüllen.

Die Geset­zes­be­grün­dung dazu fällt wie folgt aus: Die Rege­lung sieht vor, dass auf die Lie­fe­rung, die Ein­fuhr und den inner­ge­mein­schaft­li­chen Erwerb sowie die Instal­la­ti­on von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen ein­schließ­lich der Strom­spei­cher ein Null­steu­er­satz anzu­wen­den ist. Die Rege­lung ent­las­tet die Betrei­ber von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen von Büro­kra­tie. Denn auf­grund des Null­steu­er­sat­zes kön­nen die­se die Klein­un­ter­neh­mer­re­ge­lung ohne finan­zi­el­le Nach­tei­le anwen­den. Der Vor­steu­er­ab­zug als Grund für einen Ver­zicht auf die Klein­un­ter­neh­mer­re­ge­lung ent­fällt, weil die Lie­fe­rung von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen ohne­hin nicht mehr mit Umsatz­steu­er belas­tet ist.

In der ers­ten Vari­an­te des Geset­zes gilt der Null­steu­er­satz für die Lie­fe­rung von Solar­mo­du­len an den Betrei­ber einer Foto­vol­ta­ik­an­la­ge, ein­schließ­lich der für den Betrieb einer Foto­vol­ta­ik­an­la­ge wesent­li­chen Kom­po­nen­ten und der Spei­cher, die dazu die­nen, den mit Solar­mo­du­len erzeug­ten Strom zu spei­chern. Die Steu­er­ermä­ßi­gung umfasst auch Strom­spei­cher, mit denen der von der Foto­vol­ta­ik­an­la­ge erzeug­te Strom gespei­chert wer­den soll. Zwar ist ein Strom­spei­cher nicht zwin­gend erfor­der­lich, um eine Foto­vol­ta­ik­an­la­ge zu betrei­ben, den­noch ent­schei­den sich vie­le Anla­gen­be­trei­ber, einen Strom­spei­cher zu erwer­ben. Der Kauf eines Strom­spei­chers ist mit hohen finan­zi­el­len Auf­wen­dun­gen ver­bun­den. Das Ziel der Büro­kra­tie­ent­las­tung wür­de daher ver­fehlt, wenn die Lie­fe­rung von Strom­spei­chern mit Umsatz­steu­er belas­tet wäre. Denn in die­sem Fall bestän­de wei­ter­hin ein hoher Anreiz für Betrei­ber von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen, auf die Anwen­dung der Klein­un­ter­neh­mer­re­ge­lung zu verzichten.

Vor­aus­set­zung für die Anwen­dung des Null­steu­er­sat­zes in der ers­ten Vari­an­te ist, dass die Foto­vol­ta­ik­an­la­ge auf und in der Nähe von Pri­vat­woh­nun­gen, Woh­nun­gen sowie öffent­li­chen oder ande­ren Gebäu­den, die für dem Gemein­wohl die­nen­de Tätig­kei­ten genutzt wer­den, instal­liert wird. Die­ser Tat­be­stand greift die Rege­lung in Arti­kel 98 Abs. 2 in Ver­bin­dung mit Anhang III Nr. 10c der Richt­li­nie 2006/112/EG auf und setzt sie in natio­na­les Recht um.

Durch die Über­nah­me der Richt­li­ni­en­re­ge­lung ist sicher­ge­stellt, dass das natio­na­le Recht den maxi­ma­len Spiel­raum aus­nützt, den die Richt­li­nie bei der Anwen­dung eines Null­steu­er­sat­zes für Foto­vol­ta­ik­an­la­gen den Mit­glied­staa­ten zuge­steht. Aus Grün­den der Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung gel­ten die Vor­aus­set­zun­gen als erfüllt, wenn die instal­lier­te Brut­to­leis­tung der Foto­vol­ta­ik­an­la­ge laut Markt­stamm­da­ten­re­gis­ter nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt. Die Rege­lung ver­hin­dert in einem Groß­teil der Fäl­le, dass sich der leis­ten­de Unter­neh­mer beim Erwer­ber über die Nut­zungs­art des Gebäu­des zu infor­mie­ren hat. Die Leis­tung der gelie­fer­ten Foto­vol­ta­ik­an­la­ge wird dem leis­ten­den Unter­neh­mer hin­ge­gen in der Regel bekannt sein.

In den wei­te­ren Vari­an­ten des Geset­zes ist auch die Ein­fuhr und der inner­ge­mein­schaft­li­che Erwerb von Solar­mo­du­len und Strom­spei­chern begüns­tigt, wenn die Lie­fe­rung die­ser Gegen­stän­de die Vor­aus­set­zun­gen erfüllt. 

Als letz­tes wird im Rah­men der Neu­re­ge­lung auch die Instal­la­ti­on von Foto­vol­ta­ik­an­la­gen und Spei­chern begüns­tigt, wenn die Lie­fe­rung der Kom­po­nen­ten dem Null­steu­er­satz unter­liegt. Die Rege­lung ver­mei­det Büro­kra­tie­auf­wand. Denn beim Erwerb einer Foto­vol­ta­ik­an­la­ge ein­schließ­lich deren Instal­la­ti­on ist ein­heit­lich der Null­steu­er­satz anzu­wen­den. Eine Abgren­zung zwi­schen Lie­fe­rungs- und Dienst­leis­tungs­ele­men­ten ist damit entbehrlich.

nach oben

2. Für alle Steuerpflichtigen: Kein Betriebsausgabenabzug (oder Werbungskostenabzug) für ausschließlich beim Beruf getragene bürgerliche Kleidung

Mit Urteil vom 16.3.2022 stellt der Bun­des­fi­nanz­hof unter dem Akten­zei­chen VIII R 33/18 direkt in sei­nem Leit­satz klar, dass Auf­wen­dun­gen für bür­ger­li­che Klei­dung als unver­zicht­ba­re Auf­wen­dun­gen der Lebens­füh­rung grund­sätz­lich nicht abzieh­bar sind. Sie sind nur dann als Betriebs­aus­ga­ben zu berück­sich­ti­gen, wenn es sich um „typi­sche Berufs­klei­dung“ han­delt, die nicht auch zu pri­va­ten Anläs­sen getra­gen wer­den kann.

Kon­kret führt der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner Ent­schei­dung wie folgt aus: Bei der Ermitt­lung der Ein­künf­te aus unter­neh­me­ri­scher Tätig­keit sind Auf­wen­dun­gen als Betriebs­aus­ga­ben abzu­zie­hen, wenn sie durch die Ein­künf­te­er­zie­lung ver­an­lasst sind. Eine sol­che Ver­an­las­sung ist gege­ben, wenn die Auf­wen­dun­gen mit der Ein­künf­te­er­zie­lung objek­tiv zusam­men­hän­gen und ihr sub­jek­tiv zu die­nen bestimmt sind. Dies bedeu­tet, wenn sie mit die­ser in wirt­schaft­li­chem Zusam­men­hang ste­hen, kann ein Betriebs­aus­ga­ben­ab­zug infra­ge kommen.

Aus­weis­lich des Beschlus­ses des Gro­ßen Senats des Bun­des­fi­nanz­hofs vom 21.9.2009 unter dem Akten­zei­chen GrS 1/06 ist eine sol­che Ver­an­las­sung jedoch nicht gege­ben, wenn es sich um unver­zicht­ba­re Auf­wen­dun­gen für die Lebens­füh­rung han­delt, die nach Maß­ga­be des sub­jek­ti­ven Net­to­prin­zips durch die Vor­schrif­ten zur Berück­sich­ti­gung des steu­er­li­chen Exis­tenz­mi­ni­mums pau­schal abge­gol­ten oder als Son­der­aus­ga­ben oder außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung abzieh­bar sind. Zwar las­sen sich theo­re­tisch auch Auf­wen­dun­gen etwa für bür­ger­li­che Klei­dung, für eine Bril­le oder für eine Arm­band­uhr bei fest­ste­hen­der Arbeits­zeit auf­tei­len. Der­ar­ti­ge Auf­wen­dun­gen sind aber, wenn sie nach den Vor­schrif­ten über das steu­er­li­che Exis­tenz­mi­ni­mum als Son­der­aus­ga­ben oder als außer­ge­wöhn­li­che Belas­tung zu berück­sich­ti­gen sind, grund­sätz­lich dem Anwen­dungs­be­reich des Betriebs­aus­ga­ben­ab­zugs oder des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs ent­zo­gen, um eine dop­pel­te Berück­sich­ti­gung zu ver­mei­den. Inso­weit schei­det eine Auf­tei­lung der Auf­wen­dun­gen in abzieh­ba­re Wer­bungs­kos­ten oder Betriebs­aus­ga­ben einer­seits und nicht abzieh­ba­re Auf­wen­dun­gen für die pri­va­te Lebens­füh­rung ande­rer­seits aus.

Tat­säch­lich ent­spricht es auch bereits der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs, die Auf­wen­dun­gen für bür­ger­li­che Klei­dung als nicht abzieh­bar ein­zu­ord­nen. Inso­weit hat bereits der Bun­des­fi­nanz­hof mit Beschluss vom 13.11.2013 unter dem Akten­zei­chen VI B 40/13 klar­ge­stellt, dass Auf­wen­dun­gen für bür­ger­li­che Klei­dung nach den Vor­schrif­ten über das steu­er­li­che Exis­tenz­mi­ni­mum grund­sätz­lich dem Anwen­dungs­be­reich des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs ent­zo­gen sind. Inwie­weit gleich­wohl ein beruf­li­cher Mehr­auf­wand zu berück­sich­ti­gen ist, bleibt in ers­ter Linie der Ent­schei­dung des Gesetz­ge­bers über­las­sen. Damit spie­len die Rich­ter auf die typi­sche Berufs­klei­dung an.

Inwie­weit in Bezug auf die Beklei­dung beruf­li­cher Mehr­auf­wand zu berück­sich­ti­gen ist, hat also unstrit­tig der Gesetz­ge­ber zu ent­schei­den. Die­ser hat beim Wer­bungs­kos­ten­ab­zug gere­gelt, dass Auf­wen­dun­gen für typi­sche Berufs­klei­dung als Wer­bungs­kos­ten abzieh­bar sind. Die Vor­schrift ist ent­spre­chend im Rah­men des Betriebs­aus­ga­ben­ab­zugs anwend­bar, wie nicht zuletzt bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 6.12.1990 unter dem Akten­zei­chen IV R 65/90 her­aus­ge­ar­bei­tet hat.

Den­noch führt dies alles nicht dazu, dass die im Streit­fall gel­tend gemach­ten Auf­wen­dun­gen für die Beklei­dung als Trau­er­red­ner als Betriebs­aus­ga­ben abge­zo­gen wer­den kön­nen. Defi­ni­tiv han­delt es sich inso­weit nicht um Auf­wen­dun­gen für die soge­nann­te typi­sche Berufs­klei­dung, son­dern für Klei­dung, deren Benut­zung als nor­ma­le bür­ger­li­che Klei­dung im Rah­men des Mög­li­chen und Übli­chen liegt bzw. die gewöhn­lich pri­vat getra­gen wer­den kann.

Wel­che Art von Klei­dungs­stü­cken unter den Tat­be­stand der „typi­schen Berufs­klei­dung“ im Sin­ne der gesetz­li­chen Vor­schrift fal­len, ist im Gesetz tat­säch­lich nicht näher defi­niert. Bei der Aus­le­gung des Tat­be­stands­merk­mals „typi­sche Berufs­klei­dung“ ist jedoch zu berück­sich­ti­gen, dass nach der bereits zitier­ten Recht­spre­chung des Gro­ßen Senats Auf­wen­dun­gen für bür­ger­li­che Klei­dung grund­sätz­lich den nicht abzieh­ba­ren und nicht auf­teil­ba­ren unver­zicht­ba­ren Auf­wen­dun­gen für die Lebens­füh­rung zuzu­rech­nen sind.

Typi­sche Berufs­klei­dung umfasst daher nur Klei­dungs­stü­cke, die nach ihrer Beschaf­fen­heit objek­tiv nahe­zu aus­schließ­lich für die beruf­li­che Nut­zung bestimmt und geeig­net und wegen der Eigen­art des Berufs nötig sind bzw. bei denen die beruf­li­che Ver­wen­dungs­be­stim­mung bereits aus ihrer Beschaf­fen­heit ent­we­der durch ihre Unter­schei­dungs­funk­ti­on, wie zum Bei­spiel bei Uni­form oder dau­er­haft ange­brach­te Fir­men­em­ble­me, oder durch ihre Schutz­funk­ti­on, wie bei Schutz­an­zü­gen, Arbeits­schu­hen oder ähn­li­chem, folgt.

Ent­spre­chend die­sen Grund­sät­zen schei­det die Qua­li­fi­zie­rung eines Klei­dungs­stücks als typi­sche Berufs­klei­dung immer dann aus, wenn die Benut­zung nach objek­ti­ven Kri­te­ri­en als nor­ma­le bür­ger­li­che Klei­dung im Rah­men des Mög­li­chen und Übli­chen liegt.

Zwar hat der Bun­des­fi­nanz­hof tat­säch­lich in älte­ren Ent­schei­dun­gen auch bür­ger­li­che Klei­dung, die nach ihrer Beschaf­fen­heit nicht nur nahe­zu aus­schließ­lich beruf­lich, son­dern vor allem auch pri­vat genutzt wer­den konn­te, als typi­sche Berufs­klei­dung ange­se­hen. So bei­spiels­wei­se den schwar­zen Anzug eines Lei­chen­be­stat­ters mit Urteil vom 30.9.1970 unter dem Akten­zei­chen I R 33/69.

Auch den schwar­zen Anzug und die schwar­ze Hose eines Ober­kell­ners hat der BFH in einer Ent­schei­dung vom 9.3.1979 unter dem Akten­zei­chen VI R 171/77 als typi­sche Berufs­klei­dung eingeordnet.

Wei­ter­hin sogar den schwar­zen Anzug eines katho­li­schen Geist­li­chen mit Ent­schei­dung vom 10.11.1989 unter dem Akten­zei­chen VI R 159/86.

Tat­säch­lich sieht der Bun­des­fi­nanz­hof jedoch aktu­ell sei­ne bis­he­ri­ge­re Recht­spre­chung auf­grund der zuvor zitier­ten Ent­schei­dung des Gro­ßen Senats als über­holt an. Dabei weist der Bun­des­fi­nanz­hof in sei­ner aktu­el­len Ent­schei­dung aus März 2022 aus­drück­lich noch auf die fol­gen­den Punk­te hin:

So füh­ren Auf­wen­dun­gen für bür­ger­li­che Klei­dung selbst dann nicht zum Betriebs­aus­ga­ben­ab­zug, wenn die­se Klei­dung aus­schließ­lich bei der Berufs­aus­übung genutzt wird. Dies hat der Bun­des­fi­nanz­hof auch schon in einer Ent­schei­dung vom 20.11.1979 unter dem Akten­zei­chen VI R 25/78 entschieden.

Auch ein erhöh­ter, beruf­lich ver­an­lass­ter Ver­schleiß von bür­ger­li­cher Klei­dung kann grund­sätz­lich nicht zu einem Betriebs­aus­ga­ben­ab­zug füh­ren, wie der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 24.7.1981 unter dem Akten­zei­chen VI R 171/78 her­aus­ge­ar­bei­tet hat.

Dies gilt auch, wenn die kon­kre­ten Klei­dungs­stü­cke ohne die beruf­li­chen Grün­de über­haupt nicht ange­schafft wor­den wären bzw. die Auf­wen­dun­gen infol­ge der beruf­li­chen Gepflo­gen­hei­ten beson­ders hoch sind oder eben auch Mehr­auf­wen­dun­gen für Beklei­dung ent­ste­hen, weil der Steu­er­pflich­ti­ge sei­ne indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se den Wün­schen des Arbeit­ge­bers oder den Gepflo­gen­hei­ten bestimm­ter Wirt­schafts­krei­se unter­ord­nen muss. Selbst wenn der Arbeit­ge­ber zwin­gend anord­net, bei­spiels­wei­se im Umgang mit Kun­den geho­be­ne bür­ger­li­che Klei­dung zu tra­gen, ist auch der dadurch ent­ste­hen­de Mehr­auf­wand nicht geeig­net, Wer­bungs­kos­ten für typi­sche Berufs­klei­dung anzusetzen.

Nach alle­dem kommt der Bun­des­fi­nanz­hof nach wie vor zu dem Schluss, dass auch im vor­lie­gen­den Fall die Auf­wen­dun­gen des Klä­gers für schwar­ze Klei­dung im Rah­men der Tätig­keit als Trau­er­red­ner nicht als Betriebs­aus­ga­ben abzugs­fä­hig sind.

nach oben

3. Für alle Steuerpflichtigen: Kein Rechtsschutz bei geringem Streitwert

Mit Beschluss vom 30.5.2021 kam das Finanz­ge­richt Müns­ter unter dem Akten­zei­chen 15 V 408/22 zu dem Schluss, dass es im Rah­men eines einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­rens, bei dem es in der Sum­me um einen Betrag von 4,50 Euro geht, kein Rechts­schutz­be­dürf­nis besteht.

Kon­kret lag der Sach­ver­halt wie folgt: Auf Antrag der Antrag­stel­le­rin wur­de ein Abrech­nungs­be­scheid erteilt, in dem ein Säum­nis­zu­schlag in Höhe von 4,50 Euro fest­ge­stellt wur­de. Der Säum­nis­zu­schlag ist aus­weis­lich des Abrech­nungs­be­scheids bereits in vol­ler Höhe bezahlt gewe­sen. Gegen den Abrech­nungs­be­scheid leg­te die Antrag­stel­le­rin Ein­spruch ein und bean­trag­te Aus­set­zung der Voll­zie­hung mit der Begrün­dung, dass die Erhe­bung der Säum­nis­zu­schlä­ge ver­fas­sungs­wid­rig sei.

Im oben genann­ten Beschluss kam das Finanz­ge­richt nach­voll­zieh­bar zu dem Ergeb­nis, dass es dem Antrag an einem Rechts­schutz­be­dürf­nis fehlt. Ein sol­ches ist gege­ben, wenn die mit der betref­fen­den Rechts­schutz­hand­lung ver­folg­ten Inter­es­se nach objek­ti­vem Wert­ur­teil des begehr­ten Rechts­schut­zes fähig, bedürf­tig und wür­dig erschei­nen. Nicht schutz­wür­dig ist hin­ge­gen ein Inter­es­se, das nach all­ge­mei­ner Anschau­ung so gering anzu­se­hen ist, dass es nicht die Inan­spruch­nah­me der staat­li­chen Rechts­schutz­ein­rich­tun­gen recht­fer­tigt. Nach die­ser Maß­ga­be konn­te das erken­nen­de Finanz­ge­richt Müns­ter im vor­lie­gen­den Streit­fall ein Bedürf­nis auf Rechts­schutz nicht erkennen.

Bei objek­ti­ver Sicht auf das Antrags­be­geh­ren ist ein berech­tig­tes Inter­es­se nicht gege­ben. Zwar ent­hält die anzu­wen­den­de Ver­fah­rens­ord­nung kei­ne all­ge­mei­ne Baga­tell­gren­ze für die Ein­le­gung eines Rechts­be­hel­fes. Durch die Klein­be­trags­ver­ord­nung ist jedoch bestimmt, dass die Fest­set­zung der Ein­kom­men­steu­er, Kör­per­schaft­steu­er, Erb­schaft­steu­er (und damit auch der Schen­kungsteu­er), Grund­er­werb­steu­er sowie sogar der Renn­wett- und Lot­te­rie­steu­er nur geän­dert oder berich­tigt wer­den kann, wenn die Abwei­chung von der bis­her fest­ge­setz­ten Steu­er min­des­tens zehn Euro zuguns­ten des Steu­er­pflich­ti­gen oder min­des­tens 25 Euro zulas­ten des Steu­er­pflich­ti­gen beträgt. Für den Gewer­be­steu­er­mess­be­trag lie­gen die­se Gren­zen bei zwei Euro zuguns­ten des Steu­er­pflich­ti­gen und bei fünf Euro zulas­ten des Steu­er­pflich­ti­gen, sodass beim durch­schnitt­li­chen Gewer­be­steu­er­he­be­satz in Deutsch­land von etwa 400 % eine Ände­rung bei einer Zahl­last­aus­wir­kung von bis zu acht Euro zuguns­ten bzw. 20 Euro zulas­ten des Steu­er­pflich­ti­gen aus­ge­schlos­sen wird. Auch für die Fest­stel­lung von Ein­künf­ten, die Rück­for­de­rung von Woh­nungs­bau­prä­mi­en und die Kraft­fahr­zeug­steu­er ent­hält die Klein­be­trags­ver­ord­nung ähn­lich wir­ken­de Vorgaben.

Für steu­er­li­che Neben­leis­tun­gen, wie im Streit­fall der Säum­nis­zu­schlag, ist hin­ge­gen kei­ne all­ge­mei­ne Baga­tell­gren­ze nor­miert, unter­halb derer der Steu­er­pflich­ti­ge oder die Finanz­ver­wal­tung einen rechts­wid­ri­gen Steu­er­be­scheid hin­zu­neh­men haben. Nach Auf­fas­sung des Finanz­ge­richts Müns­ter soll mit dem vor­lie­gen­den Beschluss auch kei­ne der­ar­ti­ge abso­lu­te Gren­ze kraft Rich­ter­rechts geschaf­fen wer­den. Ein Unter­schrei­ten der Baga­tell­gren­ze der Klein­be­trags­ver­ord­nung sieht der Senat jedoch als indi­zi­ell für die Fra­ge an, ob ein Rechts­schutz­be­dürf­nis nach all­ge­mei­ner Anschau­ung als schutz­wür­dig anzu­er­ken­nen ist. Dem­entspre­chend ist hier das Rechts­schutz­be­dürf­nis auf­grund des gerin­gen Betra­ges von 4,50 Euro nicht als schutz­wür­dig anzuerkennen.

Dar­über hin­aus nimmt das Gericht auch die Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung in den Blick, die der Antrags­geg­ner beim zuläs­si­gen Rechts­be­helf dem Antrag­stel­ler zu erstat­ten hät­te. Bei Ver­fah­ren über eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung wird der Streit­wert mit 10 % des aus­zu­set­zen­den Betra­ges ange­setzt. Dies wären vor­lie­gend 0,45 Euro. Bei die­sem Streit­wert ent­ste­hen Kos­ten des Bera­ters in Höhe von 111,96 Euro. Bereits mit Urteil vom 4.8.1955 hat das Sozi­al­ge­richt Düs­sel­dorf unter dem Akten­zei­chen V 539/54 klar­ge­stellt, dass in Fall­ge­stal­tun­gen, in denen die Rechts­an­walts­ge­büh­ren ein Viel­fa­ches des ein­ge­klag­ten Anspruchs betra­gen, die Fra­ge der Ver­fol­gung pro­zess­frem­der Zwe­cke im Raum steht. Dem fol­gend hat das Sozi­al­ge­richt Düs­sel­dorf dar­auf erkannt, dass beim Kla­ge­an­spruch in Höhe von sei­ner­zeit 3,90 DM und Rechts­an­walts­kos­ten in Höhe von sei­ner­zeit 100 DM die Kla­ge man­gels Rechts­schutz­be­dürf­nis­ses unzu­läs­sig ist. Die­sem Gedan­ken fol­gend sieht dies vor­lie­gend auch das Finanz­ge­richt Müns­ter im vor­lie­gen­den Fall so, da die ersatz­fä­hi­gen Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung gerun­det 25-mal so hoch sind wie die zu erstrei­ten­de Summe.

Hin­weis: Das erst­in­stanz­li­che Finanz­ge­richt hat die Beschwer­de zum BFH nicht zuge­las­sen. Auch wenn es inso­weit an einer höchst­rich­ter­li­chen Klä­rung man­gelt, ob ein Rechts­schutz­be­dürf­nis bei einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­ren über gering­fü­gi­ge steu­er­li­che Neben­leis­tun­gen anzu­er­ken­nen ist, hält der erken­nen­de Senat die Spe­zi­fi­ka­tio­nen, die für die Ent­schei­dung die­ses kon­kre­ten Ein­zel­falls aus­schlag­ge­bend gewe­sen sind, für der­art beson­ders, dass die Rechts­sa­che kei­ne grund­sätz­li­che Bedeu­tung hat. Tat­säch­lich soll­te man sich bei 4,50 Euro auch um Wich­ti­ge­res kümmern.

nach oben

4. Für alle Steuerpflichtigen: Entlastungsbetrag für alleinerziehende bei Aufnahme von Flüchtlingen

Gemäß der gesetz­li­chen Rege­lung in § 24 b Abs. 1 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) kön­nen Allein­ste­hen­de einen Ent­las­tungs­be­trag für Allein­er­zie­hen­de von der Sum­me der Ein­künf­te abzie­hen. Vor­aus­set­zung dafür ist unter ande­rem, dass zu ihrem Haus­halt min­des­tens ein Kind gehört, für das ein Frei­be­trag oder Kin­der­geld zusteht. Ent­spre­chend der gesetz­li­chen Defi­ni­ti­on in § 24 b Abs. 3 Satz 1 EStG sind Steu­er­pflich­ti­ge, die nicht die Vor­aus­set­zun­gen für die Anwen­dung des Split­ting­ver­fah­rens erfül­len oder ver­wit­wet sind und kei­ne Haus­halts­ge­mein­schaft mit einer ande­ren voll­jäh­ri­gen Per­son bil­den, allein­ste­hend. Eine Haus­halts­ge­mein­schaft mit einer ande­ren voll­jäh­ri­gen Per­son liegt ent­spre­chend der gesetz­li­chen Vor­schrif­ten vor, wenn der Steu­er­pflich­ti­ge mit der voll­jäh­ri­gen Per­son in der gemein­sa­men Woh­nung gemein­sam wirtschaftet.

Im Rah­men der Ein­kom­men­steu­er-Kurz­in­for­ma­ti­on Num­mer 2 aus 2022 stellt nun das Finanz­mi­nis­te­ri­um des Lan­des Schles­wig-Hol­stein mit Erlass vom 16.6.2022 klar, dass die Unter­brin­gung von voll­jäh­ri­gen Flücht­lin­gen aus der Ukrai­ne durch Allein­ste­hen­de in ihrem Haus­halt im Jahr 2022 nicht zu einer steu­er­schäd­li­chen Haus­halts­ge­mein­schaft im Sin­ne der gesetz­li­chen Rege­lung führt. Inso­weit führt das Finanz­mi­nis­te­ri­um des Lan­des Schles­wig-Hol­stein eine Bil­lig­keits­re­ge­lung ein.

Allein­er­zie­hen­den Flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne, die in einem Haus­halt in Deutsch­land unter­ge­bracht wer­den, kann hin­ge­gen der Ent­las­tungs­be­trag für Allein­er­zie­hen­de nicht gewährt wer­den, wenn sie mit der auf­neh­men­den Per­son eine Haus­halts­ge­mein­schaft bilden.

Hin­weis: Ganz aus­drück­lich schreibt das Finanz­mi­nis­te­ri­um des Lan­des Schles­wig-Hol­stein auch, dass die Bil­lig­keits­re­ge­lung nur im Jahr 2022 greift. Weil jedoch nach der­zeit vor­lie­gen­den Erkennt­nis­sen im Fol­ge­jahr die Pro­ble­ma­tik nicht besei­tigt sein wird, stellt sich die Fra­ge, wie dann zu ver­fah­ren ist. Es bleibt inso­weit zu hof­fen, dass dann eine erneu­te Bil­lig­keits­re­ge­lung in Kraft tritt.

nach oben

5. Für (ehemalige) Ehegatten: Realsplitting mit Auslandsbezug

Als Real­split­ting bezeich­net man in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land das Ver­fah­ren der steu­er­li­chen Berück­sich­ti­gung von Unter­halts­leis­tun­gen an den geschie­de­nen oder dau­ernd getrennt­le­ben­den Ehe­gat­ten. Inso­weit kann näm­lich der Geber die Unter­halts­leis­tung aus­weis­lich der Vor­schrift in § 10 Absatz 1a Num­mer 1 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) als Son­der­aus­ga­ben abziehen.

Eine der wesent­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ist dabei, dass die Unter­halts­leis­tun­gen vom geschie­de­nen oder dau­ernd getrennt­le­ben­den Ehe­gat­ten als sons­ti­ge Ein­künf­te im Sin­ne der Vor­schrift des § 22 Num­mer 1 a EStG ver­steu­ert wer­den. Man spricht dabei auch von dem soge­nann­ten Kor­re­spon­denz­prin­zip: Der eine ver­steu­ert und der ande­re hat die steu­er­li­che Abzugs­po­si­ti­on. Der steu­er­li­che Vor­teil in der Sum­me liegt in der Steuersatzdifferenz.

In Abwei­chung von der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung hat der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 31.3.2004 unter dem Akten­zei­chen X R 18/03 klar­ge­stellt, dass Unter­halts­leis­tun­gen, die ein unbe­schränkt Steu­er­pflich­ti­ger von sei­nem nicht unbe­schränkt steu­er­pflich­ti­gen geschie­de­nen oder dau­ernd getrennt leben­den Ehe­gat­ten erhält, nicht steu­er­bar sind.

Vor die­sem Hin­ter­grund hat aktu­ell die Ober­fi­nanz­di­rek­ti­on Frank­furt am Main mit Erlass vom 1.2.2022 zu den Unter­halts­leis­tun­gen zwi­schen geschie­de­nen oder dau­ernd getrennt­le­ben­den Ehe­gat­ten mit Aus­lands­be­zug Stel­lung genommen.

Danach gilt fol­gen­des: Die Besteue­rungs­re­ge­lung der sons­ti­gen Ein­künf­te in § 22 Num­mer 1 a EStG ent­hält auf Basis der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs eine abschlie­ßen­de Rege­lung der Besteue­rung von Ein­künf­ten eines unbe­schränkt Steu­er­pflich­ti­gen aus Unter­halts­leis­tun­gen sei­nes geschie­de­nen oder dau­ernd getrennt­le­ben­den Ehe­gat­tens. Kommt eine Besteue­rung der Unter­halts­be­zü­ge nicht in Betracht, weil die Vor­aus­set­zun­gen für den damit kor­re­spon­die­ren­den Son­der­aus­ga­ben­ab­zug nicht vor­lie­gen, kann die Steu­er­pflicht der Bezü­ge nicht auf die Rege­lung in § 22 Num­mer 1 EStG gestützt werden.

Auf der ande­ren Sei­te gilt für den Son­der­aus­ga­ben­ab­zug beim Unter­halts­leis­ten­den: Vor­aus­set­zun­gen ist ent­spre­chend der Vor­schrift in § 10 Absatz 1a Num­mer 1 EStG, dass der Emp­fän­ger der Leis­tung eben­falls unbe­schränkt steu­er­pflich­tig ist. Hat der Emp­fän­ger der Unter­halts­leis­tun­gen sei­nen Wohn­sitz in einem ande­ren Mit­glied­staat der Euro­päi­schen Uni­on, ist der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug eben­falls mög­lich. Vor­aus­ge­setzt ist dabei, dass das ande­re Land der Euro­päi­schen Uni­on die Besteue­rung der Leis­tun­gen beim Emp­fän­ger beschei­nigt. Anstel­le einer Papier­be­schei­ni­gung des ande­ren Mit­glied­staa­tes der Euro­päi­schen Uni­on ist die Bestä­ti­gung der aus­län­di­schen Finanz­be­hör­de im Rah­men einer Spon­tan­aus­kunft mög­lich. Ist die Besteue­rung der Unter­halts­leis­tung im Wohn­sitz­land des Emp­fän­gers nicht vor­ge­se­hen, so ist es bei­spiels­wei­se in Öster­reich, kommt der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land auch nicht in Betracht.

Ist der Emp­fän­ger nicht unbe­schränkt steu­er­pflich­tig und hat er auch sei­nen Wohn­sitz nicht in einem Mit­glied­staat der Euro­päi­schen Uni­on, kommt der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug nur in Betracht, wenn das jewei­li­ge Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men ent­spre­chen­de Rege­lun­gen ent­hält, wonach die Unter­halts­leis­tung besteu­ert wird. Das ist der Fall, wenn das Besteue­rungs­recht der erhal­te­nen Unter­halts­zah­lung dem Wohn­sitz­staat des Emp­fän­gers zuge­wie­sen wird. Ist hin­ge­gen dies­be­züg­lich kei­ne Rege­lung im Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men getrof­fen, ist der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug zu versagen.

Tipp: Schei­tert auf­grund der vor­ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug, ist zu prü­fen, ob unter den Vor­aus­set­zun­gen des § 33 a Abs. 1 Satz fünf EStG ein Abzug der Unter­halts­leis­tung im Rah­men der außer­ge­wöhn­li­chen Belas­tun­gen zuläs­sig ist. Viel­leicht kann man im Ein­zel­fall ja so immer noch einen Steu­er­vor­teil erreichen.

nach oben

6. Für Erben: Neues zur Beendigung der Selbstnutzung bei einem Familienheim

Ent­spre­chend der Steu­er­be­frei­ungs­re­geln im Erb­schaft­steu­er­ge­setz bleibt unter ande­rem der Erwerb von Todes wegen des Eigen­tums an einem im Inland bele­ge­nen Gebäu­de durch Kin­der im Sin­ne der Steu­er­klas­se I Num­mer 2 steu­er­frei, soweit der Erb­las­ser dar­in bis zum Erb­fall eine Woh­nung zu eige­nen Wohn­zwe­cken genutzt hat oder bei der er aus zwin­gen­den Grün­den an einer Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken gehin­dert war. Wei­te­re Vor­aus­set­zung ist, dass die Woh­nung beim Erwer­ber unver­züg­lich zur Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken bestimmt ist. Nur in die­sem Fall spricht man von einem Fami­li­en­heim. Zudem gibt es bei der Steu­er­be­frei­ung für Kin­der die Vor­aus­set­zung, dass die­se nur greift, soweit die Wohn­flä­che der Woh­nung 200 m² nicht übersteigt.

Wei­ter regelt die Steu­er­be­frei­ung, dass eine Steu­er­frei­heit mit Wir­kung für die Ver­gan­gen­heit weg­fällt, wenn der Erwer­ber das Fami­li­en­heim inner­halb von zehn Jah­ren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohn­zwe­cken selbst nutzt. Die Steu­er­be­frei­ung fällt nur dann nicht weg, wenn er aus zwin­gen­den Grün­den an einer Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken gehin­dert ist.

Vor die­sem Hin­ter­grund hat­te sei­ner­zeit das Finanz­ge­richt Düs­sel­dorf in einer Ent­schei­dung vom 8.1.2020 unter dem Akten­zei­chen 4 K 3120/18 Erb klar­ge­stellt, dass bau­li­che Män­gel an einem geerb­ten Fami­li­en­heim, die den Abriss des Gebäu­des aus wirt­schaft­li­chen Erwä­gun­gen gebo­ten erschei­nen las­sen, kei­ne zwin­gen­den objek­ti­ven Grün­de sind, die den rück­wir­ken­den Weg­fall der Erb­schaft­steu­er­be­frei­ung bei Auf­ga­be der Selbst­nut­zung zu Wohn­zwe­cken inner­halb der Zehn­jah­res­frist entgegenstehen.

Wei­ter hat das erst­in­stanz­li­che Finanz­ge­richt Düs­sel­dorf ent­schie­den, dass eine Auf­ga­be der Selbst­nut­zung des Wohn­hau­ses aus zwin­gen­den Grün­den wegen der Unmög­lich­keit der selb­stän­di­gen Haus­halts­füh­rung auch dann zu ver­nei­nen ist, wenn die die Räu­me im Ober­ge­schoss nut­zen­de Erbin aus gesund­heit­li­chen Grün­den auf die Hil­fe eines im Haus woh­nen­den Bekann­ten beim Trep­pen­stei­gen und bei ihrer Ver­sor­gung ange­wie­sen ist.

Exakt die­se Ent­schei­dung des erst­in­stanz­lich erken­nen­den Finanz­ge­richts Düs­sel­dorfs hat der Bun­des­fi­nanz­hof aktu­ell mit Urteil vom 1.12.2021 unter dem Akten­zei­chen II R 18/20 sehr deut­lich rela­ti­viert und die Sache im Ergeb­nis zurück­ver­wie­sen. Defi­ni­tiv gehen auch die obers­ten Finanz­rich­ter der Repu­blik davon aus, dass die Steu­er­be­frei­ungs­vor­schrif­ten beim Fami­li­en­heim eng aus­zu­le­gen sind. Damit begeg­nen sie kei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Beden­ken. Eine ent­spre­chen­de enge Aus­le­gung ist auch für die gere­gel­te Rück­aus­nah­me von der Nach­ver­steue­rung gegeben.

Tritt daher die Nach­ver­steue­rung ein, ist ein Steu­er­be­scheid zu ändern. In dem Merk­mal „aus zwin­gen­den Grün­den an einer Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken gehin­dert“ müs­sen sich die Hin­de­rungs­grün­de auf die Selbst­nut­zung des betref­fen­den Fami­li­en­heims bezie­hen. Ob der Erwer­ber an einem ande­ren Ort einen Haus­halt füh­ren kann, ist nicht ent­schei­dend. Der erken­nen­de Senat des Bun­des­fi­nanz­hofs teilt inso­weit nicht die Auf­fas­sung, die Unmög­lich­keit, selbst­stän­dig ein Haus­halt zu füh­ren, müs­se sich auf das Füh­ren eines eige­nen Haus­hal­tes schlecht­hin beziehen.

Die Nach­ver­steue­rung setzt nach dem Geset­zes­wort­laut zunächst vor­aus, dass „der Erwer­ber das Fami­li­en­heim nicht mehr zu Wohn­zwe­cken selbst nutzt“. Die unmit­tel­bar fol­gen­de Wen­dung „an einer Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken gehin­dert“ kann nur die Selbst­nut­zung des betref­fen­den Fami­li­en­heims mei­nen. Sie bezieht sich nicht auf die Füh­rung jeg­li­chen Haus­halts auch anderenorts.

Eine sol­che (unge­schrie­be­ne) Vor­aus­set­zung ver­fehlt zudem die Ziel­rich­tung der Vor­schrift. Die Begüns­ti­gung des Fami­li­en­heims soll unter ande­rem das Fami­li­en­ge­brauchs­ver­mö­gen erhal­ten und den gemein­sa­men fami­liä­ren Lebens­raum schüt­zen. So ist es auch bereits der Geset­zes­be­grün­dung in der sei­ner­zei­ti­gen Bun­des­tags­druck­sa­che zu ent­neh­men. Bei Auf­ga­be der Selbst­nut­zung fällt die­ses Schutz­ziel fort. Soweit das Gesetz aus Bil­lig­keits­grün­den zuguns­ten eines Erwer­bers die Nach­ver­steue­rung mit einer Rück­aus­nah­me wegen einer Zwangs­la­ge ver­sieht, kann die­se sinn­voll nur so ver­stan­den wer­den, dass sich die Zwangs­la­ge gera­de auf das nicht mehr erfüll­te Tat­be­stands­merk­mal mit dem ent­spre­chen­den Schutz­ziel bezieht. Das ist die Selbst­nut­zung des Fami­li­en­heims mit dem fami­liä­ren Lebens­raum. Das ver­fas­sungs­recht­li­che Gebot enger Aus­le­gung ver­mag kei­ne zweck­wid­ri­ge Aus­le­gung zu recht­fer­ti­gen. Dem ent­spre­chend geht das Vor­stel­lungs­bild bereits im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren dahin, die Steu­er­be­frei­ung zu belas­sen, wenn zwin­gen­de Grün­de das selbst­stän­di­ge Füh­ren eines Haus­hal­tes „in dem erwor­be­nen Fami­li­en­heim“ unmög­lich machen.

Der Erwer­ber muss also aus zwin­gen­den Grün­den an einer Selbst­nut­zung des Fami­li­en­heims zu eige­nen Wohn­zwe­cken gehin­dert sein. Es reicht dafür nicht aus, wenn sich der Erwer­ber nur auf­grund per­sön­li­cher oder wirt­schaft­li­cher Zweck­mä­ßig­keits­er­wä­gun­gen an der Selbst­nut­zung gehin­dert fühlt.

Das Merk­mal „zwin­gend“ schließt inso­weit Grün­de aus, kraft derer die Been­di­gung der Selbst­nut­zung aus Sicht des Erwer­bes nach­voll­zieh­bar und auch ver­ständ­lich scheint, jedoch Gegen­stand sei­ner frei­en Ent­schei­dung ist. Es gehört dann zur pri­va­ten Lebens­ge­stal­tung des Erwer­bes, ob und wie er das Fami­li­en­heim nut­zen möch­te. Das ist ins­be­son­de­re der Fall, wenn es nach Art und Gestal­tung nicht den per­sön­li­chen Vor­stel­lun­gen des Erwer­bes entspricht.

Dem­ge­gen­über ist der Erwer­ber aus zwin­gen­den Grün­den an einer Selbst­nut­zung des Fami­li­en­heims zu eige­nen Wohn­zwe­cken gehin­dert, wenn die­se ihm unter den kon­kre­ten Umstän­den objek­tiv unmög­lich oder unzu­mut­bar wird. Das ent­spricht dem Bil­lig­keits­kor­rek­tiv der Vor­schrift. Zwin­gen­de Grün­de lie­gen inso­weit vor, wenn dem Erwer­ber die Selbst­nut­zung des Fami­li­en­heims objek­tiv unmög­lich wird. Tat­säch­lich sind die zwin­gen­den Grün­de jedoch nicht auf die­se Fäl­le beschränkt. Ande­ren­falls erschöpft sich der Anwen­dungs­be­reich der Rück­aus­nah­me prak­tisch im Tod des Erwer­bers. Eine sol­che Rege­lung war ersicht­lich nicht gesetz­ge­be­ri­sches Ziel. Selbst der Fall der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit, der im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren als Bei­spiel dien­te und auch von der Finanz­ver­wal­tung über­nom­men wur­de, begrün­de­te regel­mä­ßig kei­ne objek­ti­ve Unmög­lich­keit. Die Pfle­ge kann im All­ge­mei­nen auch mit­hil­fe ent­spre­chen­der Diens­te im eige­nen Heim geführt wer­den, ob dies wirt­schaft­lich sinn­voll ist, ist eine Fra­ge der Zweckmäßigkeit.

Viel­mehr ist daher erfor­der­lich, aber auch aus­rei­chend, wenn dem Erwer­ber aus objek­ti­ven Grün­den die Selbst­nut­zung des Fami­li­en­heims nicht mehr zuzu­mu­ten ist. Dabei ist ein stren­ger Maß­stab anzu­le­gen, um eine ver­fas­sungs­wid­ri­ge Begüns­ti­gung zu ver­mei­den. Ein abge­schlos­se­ner Kata­log von Grün­den besteht jedoch nicht und dürf­te prak­tisch auch schwie­rig werden.

Wann ent­spre­chend die­sen Vor­ga­ben von zwin­gen­den Grün­den aus­zu­ge­hen ist, ist dabei Gegen­stand der tat­säch­li­chen Wür­di­gung. Maß­geb­lich ist dabei die Gesamt­wür­di­gung aller Tat­sa­chen. Dies gilt letz­ten Endes auch für die Fra­ge, wel­che Rück­schlüs­se aus der Lebens­füh­rung des Erwer­bes nach Ver­las­sen des Fami­li­en­heims gezo­gen wer­den kön­nen, ins­be­son­de­re aus dem Umzug in einen ande­ren selbst geführ­ten Haus­halt oder in eine Wohn­form mit Betreu­ung und Pflege.

Die Fest­stel­lungs­last für die­je­ni­gen Umstän­de, die eine Selbst­nut­zung des Fami­li­en­heims objek­tiv unmög­lich machen oder aus objek­ti­ven Grün­den unzu­mut­bar erschei­nen, trägt dabei natür­lich der Erwerber.

Nach alle­dem kom­men die obers­ten Finanz­rich­ter der Repu­blik zu dem Schluss, dass ein zwin­gen­der Grund im Sin­ne der Vor­schrift auch gege­ben sein kann, wenn der Erwer­ber zwar unter Zuhil­fe­nah­me extre­mer Hil­fe- und Pfle­ge­leis­tun­gen in der Lage ist, wei­ter in dem erwor­be­nen Fami­li­en­heim zu leben, die­se jedoch ein sol­ches Aus­maß anneh­men, dass nicht mehr von einer selbst­stän­di­gen Haus­halts­füh­rung des Erwer­bers im betref­fen­den Fami­li­en­heim gespro­chen wer­den kann. Allein die regel­mä­ßi­ge Inan­spruch­nah­me der übli­chen Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen genügt dafür aller­dings nicht. Bereits den Gesetz­ge­bungs­ma­te­ria­li­en ist inso­weit zu ent­neh­men, dass zwin­gen­de Grün­de sol­che sind, die das selbst­stän­di­ge Füh­ren eines Haus­hal­tes in dem erwor­be­nen Fami­li­en­heim unmög­lich machen. Die­ses Abgren­zungs­kri­te­ri­um ent­spricht der Ziel­set­zung der Vor­schrift, den gemein­sa­men fami­liä­ren Lebens­raum zu schüt­zen. Ver­mag der Erwer­ber die­sen Lebens­raum nicht mehr aus wesent­lich eige­ner Kraft aus­zu­fül­len, ist das Fami­li­en­heim zur äuße­ren Hül­le entwertet.

Ist der Erwer­ber aus zwin­gen­den Grün­den an einer Selbst­nut­zung zu eige­nen Wohn­zwe­cken gehin­dert, führt weder die Auf­ga­be des Eigen­tums an dem Fami­li­en­heim noch der Abriss des Gebäu­des zur Nach­ver­steue­rung. Ist die Been­di­gung der Selbst­nut­zung des Fami­li­en­heims aus den oben dar­ge­stell­ten zwin­gen­den Grün­den erb­schaft­steu­er­recht­lich unschäd­lich, muss dies auch für eine spä­te­re Ver­äu­ße­rung oder einen spä­te­ren Abriss gelten.

Hin­weis: Im ent­schie­de­nen Ein­zel­fall hat der Bun­des­fi­nanz­hof die Sache zur ander­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das erst­in­stanz­li­che Finanz­ge­richt zurück­ver­wie­sen. Defi­ni­tiv reicht es also nicht aus, wenn sich der Erwer­ber nur auf­grund per­sön­li­cher oder wirt­schaft­li­cher Erwä­gun­gen an der Selbst­nut­zung gehin­dert fühlt. Dane­ben vor­lie­gen­de gesund­heit­li­che Beein­träch­ti­gun­gen kön­nen jedoch zwin­gen­de Grün­de dar­stel­len, wenn die­se dem Erwer­ber eine selb­stän­di­ge Haus­halts­füh­rung in dem erwor­be­nen Fami­li­en­heim unzu­mut­bar machen. Dies gilt es vor­ste­hend im kon­kre­ten Ein­zel­fall zu prüfen.

nach oben

7. Für GmbH-Gesellschafter: Zum Zeitpunkt der Realisierung eines Auflösungsverlustes aus einer GmbH-Beteiligung

Aus­weis­lich der gesetz­li­chen Vor­schrif­ten in § 17 Abs. 1 und Abs. 4 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) gehört zu den Ein­künf­ten aus Gewer­be­be­trieb unter den dort genann­ten Vor­aus­set­zun­gen auch der Gewinn aus der Auf­lö­sung einer Kapi­tal­ge­sell­schaft. Steu­er­bar (also in der Fol­ge ins­be­son­de­re mit ande­ren Ein­künf­ten steu­er­min­dernd ver­re­chen­bar) ist inso­weit auch ein aus der Auf­lö­sung einer Kapi­tal­ge­sell­schaft ent­ste­hen­der Ver­lust. Ein ent­spre­chen­der Auf­lö­sungs­ver­lust ist der Betrag, um den die im Zusam­men­hang mit der Auf­lö­sung der Gesell­schaft vom Steu­er­pflich­ti­gen getra­ge­nen Kos­ten und sei­ne Anschaf­fungs­kos­ten den gemei­nen Wert des zuge­teil­ten und zurück­ge­zahl­ten Ver­mö­gens der Kapi­tal­ge­sell­schaft über­stei­gen. Zu den Anschaf­fungs­kos­ten gehö­ren dabei auch ganz aus­drück­lich die nach­träg­li­chen Anschaffungskosten.

Ent­spre­chend der Vor­schrif­ten in § 60 Abs. 1 Num­mer 4 des Geset­zes betref­fend die Gesell­schaf­ten mit beschränk­ter Haf­tung (GmbHG) ist eine GmbH durch die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über ihr Ver­mö­gen auf­ge­löst. Die Ent­ste­hung eines Auf­lö­sungs­ver­lus­tes setzt aber wei­ter vor­aus, dass mit Zutei­lung und Rück­zah­lung gemäß den ein­kom­men­steu­er­li­chen Vor­schrif­ten nicht mehr zu rech­nen ist und fest­steht, ob und in wel­cher Höhe noch nach­träg­li­che Anschaf­fungs­kos­ten oder sons­ti­ge im Rah­men des § 17 Abs. 2 EStG zu berück­sich­ti­gen­de wesent­li­che Auf­wen­dun­gen anfal­len. Inso­weit hat bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 25.1.2000 unter dem Akten­zei­chen VIII R 63/98 klar­ge­stellt, dass in einem Kon­kurs­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen einer GmbH der Auf­lö­sungs­ver­lust im Sin­ne des § 17 EStG regel­mä­ßig erst mit Abschluss des Kon­kurs­ver­fah­rens rea­li­siert ist. Auf Basis die­ser Recht­spre­chung hat auch das erst­in­stanz­li­che Finanz­ge­richt Düs­sel­dorf in sei­ner Ent­schei­dung vom 12.4.2022 unter dem Akten­zei­chen 10 K 1175/19 E klar­ge­stellt, dass die steu­er­li­che Berück­sich­ti­gung eines Auf­lö­sungs­ver­lusts auch nur nach die­sen Kri­te­ri­en erfol­gen kann.

Kon­kret gilt inso­weit fol­gen­des: Nach der Auf­lö­sung der Gesell­schaft bestimmt sich der Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Auf­lö­sungs­ge­winns oder ‑ver­lus­tes nach den Grund­sät­zen ord­nungs­mä­ßi­ger Buch­füh­rung. Die­ser Zeit­punkt ist bei einer Auf­lö­sung mit anschlie­ßen­der Liqui­da­ti­on nor­ma­ler­wei­se der Zeit­punkt des Abschlus­ses der Liqui­da­ti­on. Erst dann steht fest, ob und in wel­cher Höhe der Gesell­schaf­ter mit einer Zutei­lung und Rück­zah­lung von Ver­mö­gen der Gesell­schaft rech­nen kann, fer­ner wel­che nach­träg­li­chen Anschaf­fungs­kos­ten der Betei­li­gung anfal­len und wel­che Ver­äu­ße­rungs­kos­ten bzw. Auf­lö­sungs­kos­ten der Gesell­schaf­ter per­sön­lich zu tra­gen hat.

Aus­nahms­wei­se (wohl gemerkt eben nur aus­nahms­wei­se!) kann der Zeit­punkt, in dem der Ver­äu­ße­rungs­ver­lust rea­li­siert ist, schon vor Abschluss der Liqui­da­ti­on fest­ste­hen, wenn mit einer wesent­li­chen Ände­rung des bereits fest­ste­hen­den Ver­lus­tes nicht mehr zu rech­nen ist. Das ist zum Bei­spiel dann der Fall, wenn die Eröff­nung eines Insol­venz­ver­fah­rens man­gels Mas­se abge­lehnt wur­de, wie der Bun­des­fi­nanz­hof in einem Beschluss vom 27.11.1995 unter dem Akten­zei­chen VIII B 16/95 bereits klar­ge­stellt hat.

Eben­falls ist ein sol­cher Fall gege­ben, wenn die Gesell­schaft bereits im Zeit­punkt des Auf­lö­sungs­be­schlus­ses ver­mö­gens­los war, wie der Bun­des­fi­nanz­hof in einer ande­ren Ent­schei­dung vom 4.11.1997 unter dem Akten­zei­chen VIII R 18/94 her­aus­ge­ar­bei­tet hat. In bei­den Fäl­len ist der Ver­lust des­halb bereits fest­ste­hend, weil die Mög­lich­keit einer Aus­keh­rung von Rest­ver­mö­gen an die Gesell­schaf­ter aus­ge­schlos­sen wer­den kann.

Bei einer Auf­lö­sung der Gesell­schaft wegen Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens lässt sich die­se Fest­stel­lung regel­mä­ßig noch nicht tref­fen. Der Auf­lö­sungs­ge­winn oder eben auch der Auf­lö­sungs­ver­lust ist nach den Grund­sät­zen ord­nungs­ge­mä­ßer Buch­füh­rung zu ermit­teln, soweit die Eigen­art der Gewinn­ermitt­lung nach § 17 EStG kei­ne Abwei­chung von die­sem Grund­satz erfor­dert. Danach ist ins­be­son­de­re das Rea­li­sa­ti­ons­prin­zip zu beach­ten. Die stil­len Reser­ven sind bei Ver­äu­ße­rungs­ge­schäf­ten erst dann rea­li­siert, wenn der Ver­äu­ße­rer sei­ne Sach­leis­tung erbracht hat. Davon ist auch im Insol­venz­fall aus­zu­ge­hen. Der Ver­äu­ße­rungs­ge­winn oder der Ver­äu­ße­rungs­ver­lust ist erst dann rea­li­siert, wenn der Insol­venz­ver­wal­ter die ein­zel­nen Wirt­schafts­gü­ter des Gesell­schafts­ver­mö­gens oder das Unter­neh­men im Gan­zen ver­äu­ßert und mit dem letz­ten Geschäft die Grund­la­ge für die Schluss­ver­tei­lung geschaf­fen hat. Die Dau­er eines Insol­venz­ver­fah­rens ist nicht abzu­schät­zen. In die­ser Zeit kön­nen sich die Markt­wer­te der Wirt­schafts­gü­ter erheb­lich ver­än­dern. Eine stren­ge Beach­tung des Rea­li­sa­ti­ons­prin­zips ist des­halb gebo­ten, weil damit der oft erheb­li­che Auf­wand an Ermitt­lung und Bewer­tung des Gesell­schafts­ver­mö­gens durch die Betei­lig­ten und Pro­gno­sen über den ver­mut­li­chen Aus­gang des Insol­venz­ver­fah­rens ver­mie­den wer­den kann.

Ver­mö­gens­lo­sig­keit in dem Sin­ne, dass eine Ver­la­ge­rung des Ver­lust­ent­ste­hungs­zeit­punk­tes in Betracht kommt, ist aus­schließ­lich dann gege­ben, wenn nach ordent­li­cher kauf­män­ni­scher Betrach­tungs­wei­se kein Ver­mö­gen mehr vor­han­den ist, das als Aktiv­pos­ten in der Bilanz auf­ge­nom­men wer­den kann und zur Befrie­di­gung der Gläu­bi­ger oder der Ver­tei­lung an die Gesell­schaf­ter zur Ver­fü­gung steht. So auch bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 13.3.2018 unter dem Akten­zei­chen IX R 38/16.

In allen ande­ren Fäl­len kann daher ein Auf­lö­sungs­ver­lust einer Kapi­tal­ge­sell­schaft nicht bereits mit ande­ren Ein­künf­ten ver­rech­net werden.

nach oben

8. Für (Nach-) Erben: Freibeträge beim Zusammentreffen mehrerer Nacherbschaften

Mit Ent­schei­dung vom 1.12.2021 haben die obers­ten Finanz­rich­ter der Repu­blik unter dem Akten­zei­chen II R 1/20 ent­schie­den, dass dem Nach­er­ben auf Antrag für alle der Nach­erbfol­ge unter­lie­gen­den Erb­mas­sen ins­ge­samt ledig­lich ein Frei­be­trag zusteht, wenn meh­re­re Erb­las­ser den­sel­ben Vor­er­ben und nach des­sen Tod den­sel­ben Nach­er­ben ein­ge­setzt haben.

Zum Hin­ter­grund der Ent­schei­dung. Der Anfall der Nach­erb­schaft gilt grund­sätz­lich als Erwerb vom Vor­er­ben. Wäh­rend zivil­recht­lich der Vor­er­be und der Nach­er­be zwar nach­ein­an­der, aber bei­de vom ursprüng­li­chen Erb­las­ser erben, gilt erb­schaft­steu­er­lich der Vor­er­be als Erbe. So gere­gelt in § 6 Abs. 1 des Erb­schaft­steu­er­ge­set­zes (ErbStG). Sein Erwerb unter­liegt in vol­lem Umfang und ohne Berück­sich­ti­gung der Beschrän­kung durch das Nach­er­ben­recht der Erb­schaft­steu­er. Bei Ein­tritt der Nach­erbfol­ge haben die­je­ni­gen, auf die das Ver­mö­gen über­geht, den Erwerb als vom Vor­er­ben stam­mend zu ver­steu­ern. Die Vor­schrift fin­giert dabei für erb­schaft­steu­er­li­che Zwe­cke, dass der Nach­er­be Erbe des Vor­er­ben wird. So auch bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 31.8.2021 unter dem Akten­zei­chen II R 2/20. Alle Besteue­rungs­merk­ma­le sind im Ver­hält­nis zur Per­son des Vor­er­ben (und eben nicht zur Per­son des Erb­las­sers) anzu­wen­den. Dies hat unter ande­rem die Fol­ge, dass für die Besteue­rung des Nach­erbfalls die Steu­er­klas­se nach dem Ver­hält­nis des Nach­er­ben zum Vor­er­ben und nicht zum Erb­las­ser gilt.

Geht beim Tod des Vor­er­ben neben dem zur Nach­erb­schaft gehö­ren­den Ver­mö­gen zugleich eige­nes Ver­mö­gen des Vor­er­ben auf den Nach­er­ben über, weil der Nach­er­be gleich­zei­tig Allein­er­be oder Mit­er­be nach dem Vor­er­ben ist, lie­gen zivil­recht­lich zwei Erb­fäl­le vor. Ein Erb­fall nach dem Erb­las­ser und ein wei­te­rer nach dem Vor­er­ben. Erb­schaft­steu­er­recht­lich han­delt es sich gleich­wohl um einen ein­heit­li­chen Erwerb vom Vor­er­ben. So auch bereits der Bun­des­fi­nanz­hof in einer Ent­schei­dung vom 2.12.1998 unter dem Akten­zei­chen II R 43/97, wie auch in einem Beschluss vom 28.2.2007 unter dem Akten­zei­chen II B 82/06. Ein etwai­ger nega­ti­ver Erwerb aus der Vor­erb­schaft kann daher mit einem posi­ti­ven Erwerb aus der Erbein­set­zung ver­rech­net wer­den und umgekehrt.

Die­se Grund­sät­ze gel­ten dabei unab­hän­gig davon, ob der Nach­er­be eine oder meh­re­re Nach­erb­schaf­ten erhält, solan­ge er die­se von dem­sel­ben Vor­er­ben auf des­sen Tod hin erlangt. Die erb­schaft­steu­er­li­che Fik­ti­on des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ErbStG wird durch den Antrag, die Erb­schaft als vom Erb­las­ser stam­mend zu behan­deln, zwar modi­fi­ziert, nicht aber auf­ge­ho­ben. Auf Antrag ist der Ver­steue­rung das Ver­hält­nis des Nach­er­ben zum Erb­las­ser zugrun­de zu legen. Geht in die­sem Fall auch eige­nes Ver­mö­gen des Vor­er­ben auf den Nach­er­ben über, sind bei­de Ver­mö­gens­an­fäl­le hin­sicht­lich der Steu­er­klas­se getrennt zu behan­deln. Für das eige­ne Ver­mö­gen des Vor­er­ben kann ein Frei­be­trag jedoch nur gewährt wer­den, soweit der Frei­be­trag für das der Nach­erbfol­ge unter­lie­gen­de Ver­mö­gen nicht ver­braucht ist. Die Steu­er ist für jeden Erwerb jeweils nach dem Steu­er­satz zu erhe­ben, der für den gesam­ten Erwerb gel­ten wür­de. Trotz der spe­zi­el­len Regeln zur Berech­nung der Steu­er liegt ein ein­heit­li­cher Erwerb vor.

Ent­spre­chend der Rege­lung Erb­schaft­steu­er­ge­setz ste­hen dem Nach­er­ben bei ent­spre­chen­der Antrag­stel­lung zwar zwei Frei­be­trä­ge im Sin­ne von § 16 ErbStG zu, zum einem für das der Nach­erbfol­ge unter­lie­gen­de Ver­mö­gen, zum ande­ren für das eige­ne Ver­mö­gen des Vor­er­ben. Die­se befin­den sich jedoch in einem Abhän­gig­keits­ver­hält­nis zuein­an­der. Die Decke­lung des für das Ver­mö­gen des Vor­er­ben gel­ten­den Frei­be­trags auf den noch nicht für die Nach­erb­schaft ver­brauch­ten Frei­be­trag bewirkt, dass der Nach­er­be für den gesam­ten Erwerb einen Frei­be­trag maxi­mal in der Höhe bean­spru­chen kann, der dem jeweils höhe­ren Frei­be­trag entspricht.

Schon aus den Geset­zes­ma­te­ria­li­en wird daher nach Auf­fas­sung des Bun­des­fi­nanz­hofs deut­lich, dass durch die­se Rege­lung unge­recht­fer­tig­te Vor­tei­le für den Nach­er­ben hin­sicht­lich der Frei­be­trä­ge ver­mie­den wer­den sol­len. Dem Nach­er­ben soll­te nicht für jede Ver­mö­gens­mas­se geson­dert ein Frei­be­trag zuste­hen, son­dern ins­ge­samt nur der Frei­be­trag, der für sein güns­ti­ge­res Ver­wandt­schafts­ver­hält­nis zum Erb­las­ser maß­ge­bend ist.

Haben meh­re­re Erb­las­ser daher den­sel­ben Vor­er­ben und auf des­sen Tod den­sel­ben Nach­er­ben ein­ge­setzt, steht dem Nach­er­ben auf Antrag für alle der Nach­erbfol­ge unter­lie­gen­den Erb­mas­sen ins­ge­samt ledig­lich ein Frei­be­trag zu. Die­ser rich­tet sich nach dem Ver­hält­nis zu dem­je­ni­gen Erb­las­ser, für den es der Nach­er­be bean­tragt hat. Soweit die­ser Frei­be­trag nicht ver­braucht ist, ver­bleibt ein Frei­be­trag für das Ver­mö­gen des Vor­er­ben. Tat­säch­lich ergibt sich aus der gesetz­li­chen Rege­lung des Erb­schaft­steu­er­ge­set­zes kei­ne aus­drück­li­che Rege­lung zur Gewäh­rung von Frei­be­trä­gen, soweit es zum Zusam­men­tref­fen meh­re­rer Nach­erb­schaf­ten kommt, aller­dings ergibt sich die­ses Ergeb­nis bereits aus dem Rege­lungs­kon­zept der Vorschrift.

Hin­weis: In der wei­te­ren Urteils­be­grün­dung erläu­tert der Bun­des­fi­nanz­hof noch aus­führ­lich, war­um er die­se Mei­nung ver­tritt. Inter­es­sier­te sind inso­weit auf die wei­te­re Urteils­be­grün­dung des obers­ten Bun­des­fi­nanz­hofs ver­wie­sen. Für die Pra­xis ist hin­ge­gen viel wich­ti­ger: Haben nun meh­re­re Erb­las­ser den­sel­ben Vor­er­ben und bei des­sen Tod den­sel­ben Nach­er­ben ein­ge­setzt, steht dem Nach­er­ben auf Antrag ins­ge­samt nur ein Frei­be­trag zu! Die obers­ten Finanz­rich­ter der Repu­blik haben sich damit ganz aus­drück­lich gegen eine Ver­viel­fäl­ti­gung der Frei­be­trä­ge aus­ge­spro­chen. Die­se Aus­sa­ge und ins­be­son­de­re die Fol­gen gilt es nun in der Pra­xis zu beach­ten und gege­be­nen­falls Tes­ta­men­te oder Erb­ver­trä­ge ent­spre­chend anzu­pas­sen, damit man zukünf­tig auch in den Genuss meh­re­rer Frei­be­trä­ge gelan­gen kann. Im Ein­zel­fall ist hier Hand­lungs­be­darf gegeben!

nach oben


UST-ID hier prüfen Kontakt