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Gebäude: Kürzere Restnutzungsdauer kann durch Wertgutachten nachgewiesen werden

Wird im Rah­men eines Wert­gut­ach­tens die Rest­nut­zungs­dau­er eines Gebäu­des nach der Wert­ermitt­lungs­ver­ord­nung bestimmt, kann die­se der Berech­nung des AfA-Sat­zes zugrun­de gelegt wer­den. Dies hat der 1. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter entschieden.

Der Klä­ger erwarb im Jahr 2011 im Rah­men eines Zwangs­ver­stei­ge­rungs­ver­fah­rens ein Grund­stück mit einem im Jahr 1955 errich­te­ten Gebäu­de, das er seit­dem zur Erzie­lung von Miet­ein­künf­ten nutz­te. Das Amts­ge­richt hat­te im Zwangs­ver­stei­ge­rungs­ver­fah­ren ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten zur Ermitt­lung des Grund­stücks­werts auf den Stich­tag 17. Mai 2010 in Auf­trag gege­ben. Der öffent­lich bestell­te und ver­ei­dig­te Sach­ver­stän­di­ge mach­te in sei­nem Gut­ach­ten u. a. Anga­ben zum Moder­ni­sie­rungs­stand und zu erfor­der­li­chen Instand­set­zungs­ar­bei­ten und kam danach zu einem fik­ti­ven Bau­jahr von 1960 und zu einer Rest­nut­zungs­dau­er des Gebäu­des von 30 Jah­ren. Dem Gut­ach­ten leg­te er die Rege­lun­gen der zum Stich­tag gül­ti­gen Wert­ermitt­lungs­ver­ord­nung (WertV) zugrunde.

Der Klä­ger mach­te in sei­nen Ein­kom­men­steu­er­erklä­run­gen für die Streit­jah­re 2012 bis 2016 eine jähr­li­che AfA des Gebäu­des von 3,33 % als Wer­bungs­kos­ten aus Ver­mie­tung und Ver­pach­tung gel­tend. Das Finanz­amt berück­sich­tig­te dem­ge­gen­über ledig­lich einen AfA-Satz von 2 %, da das Gut­ach­ten weder eine kür­ze­re tech­ni­sche Nut­zungs­dau­er durch Dar­le­gung eines mate­ri­el­len Ver­schlei­ßes der Roh­bau­ele­men­te noch eine kür­ze­re wirt­schaft­li­che Nut­zungs­dau­er im steu­er­recht­li­chen Sin­ne bele­ge. Die Ermitt­lung der Rest­nut­zungs­dau­er im Sin­ne der WertV sei auf die steu­er­recht­li­che Rest­nut­zungs­dau­er nicht über­trag­bar, da sie nicht im Zusam­men­hang mit der gesetz­li­chen Typi­sie­rung der AfA-Rege­lung stehe.

Der 1. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter hat der Kla­ge in Bezug auf den AfA-Satz statt­ge­ge­ben. Grund­sätz­lich sei ein Gebäu­de zwar nach fes­ten AfA-Sät­zen (im Streit­fall 2 % pro Jahr) abzu­schrei­ben. Bei einer tat­säch­lich kür­ze­ren Nut­zungs­dau­er des Gebäu­des als 50 Jah­re kön­ne aber nach Wahl des Steu­er­pflich­ti­gen von ent­spre­chend höhe­ren Sät­zen aus­ge­gan­gen wer­den. Nach der BFH-Recht­spre­chung (Urteil vom 28. Juli 2021 IX R 25/19) kön­ne sich der Steu­er­pflich­ti­ge jeder Dar­le­gungs­me­tho­de bedie­nen, die im Ein­zel­fall zur Füh­rung des erfor­der­li­chen Nach­wei­ses geeig­net erschei­ne. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Finanz­amts sei hier­für kein Bau­sub­stanz­gut­ach­ten erfor­der­lich. Da für die Schät­zung einer kür­ze­ren Rest­nut­zungs­dau­er kei­ne Gewiss­heit, son­dern allen­falls eine größt­mög­li­che Wahr­schein­lich­keit erfor­der­lich sei, kön­ne die Schät­zung des Steu­er­pflich­ti­gen viel­mehr nur dann ver­wor­fen wer­den, wenn sie ein­deu­tig außer­halb eines ange­mes­se­nen Schät­zungs­rah­mens liege.

Nach Auf­fas­sung des Senats habe der Sach­ver­stän­di­ge auf­grund sach­li­cher Kri­te­ri­en eine von der gesetz­li­chen Typi­sie­rung abwei­chen­de gerin­ge­re Rest­nut­zungs­dau­er von 30 Jah­ren ermit­telt. Er habe fun­dier­te Aus­füh­run­gen zu den erfor­der­li­chen Instand­set­zungs­ar­bei­ten und zum Zustand des Gebäu­des gemacht. Die modell­haf­te Ermitt­lung der Rest­nut­zungs­dau­er von 30 Jah­ren anhand der WertV sei für das Gericht nach­voll­zieh­bar und lie­ge jeden­falls nicht (erheb­lich) außer­halb des zuläs­si­gen Schätzungsrahmens.

Das Urteil ist rechtskräftig.

FG Müns­ter, Mit­tei­lung vom 15.03.2022 zum Urteil 1 K 1741/18 E vom 27.01.2022 (rkr)

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