Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Keine Verpflichtung des Betriebsstätten-Finanzamts zur sog. Schattenveranlagung bei fehlerhafter Einbehaltung der Lohnsteuer für beschränkt Steuerpflichtige

Der 9. Senat des Nie­der­säch­si­schen Finanz­ge­richts hat ent­schie­den, dass der Haf­tungs­tat­be­stand mit dem Ent­ste­hen der Ein­kom­men­steu­er mit Ablauf des Kalen­der­jah­res (§ 36 Abs. 1 EStG) wei­ter­hin an den Lohn­steu­er­an­spruch und nicht an den bereits ent­stan­de­nen Ein­kom­men­steu­er­an­spruch anknüpft mit der Fol­ge, dass damit die vor­läu­fig ent­stan­de­ne Lohn­steu­er­schuld des Arbeit­neh­mers Grund­la­ge der Haf­tung bleibt, und nicht des­sen Einkommensteuerschuld.

Im Streit­fall hat­te die Klä­ge­rin, eine GmbH, für zwei ihrer beschränkt steu­er­pflich­ti­gen Arbeit­neh­mer (Ehe­paar aus den Nie­der­lan­den) die Lohn­steu­er feh­ler­haft nach Lohn­steu­er­klas­se I anstatt nach Lohn­steu­er­klas­se VI ein­be­hal­ten und an das beklag­te Finanz­amt abge­führt. Im Anschluss an eine Lohn­steu­er­au­ßen­prü­fung erließ der Beklag­te (Betriebs­stät­ten-Finanz­amt) einen Haf­tungs­be­scheid über Lohn­steu­er und sons­ti­ge Lohn­steu­er­ab­zugs­be­trä­ge für die Zeit von Janu­ar 2016 bis Dezem­ber 2019. Im Ein­spruchs- und Kla­ge­ver­fah­ren begehr­te die Klä­ge­rin die Auf­he­bung die­ses Haf­tungs­be­schei­des u. a. mit der Begrün­dung, dass die tat­säch­li­che Ein­kom­men­steu­er­schuld der Arbeit­neh­mer nied­ri­ger sei und eine Haf­tung auf­grund der Akzess­orie­tät und des Feh­lens eines Straf­cha­rak­ters aus­zu­schei­den habe. Zur Begrün­dung leg­te die Klä­ge­rin die Ein­kom­men­steu­er­be­schei­de 2016 und 2019 sowie die Ein­kom­men­steu­er­erklä­run­gen 2017 und 2018 für die Arbeit­neh­me­rin vor. Für den Arbeit­neh­mer füg­te die Klä­ge­rin ledig­lich Berech­nun­gen über die sich erge­ben­de Ein­kom­men­steu­er­schuld sowie nie­der­län­di­sche Steu­er­be­schei­de zum Nach­weis der nie­der­län­di­schen Ein­künf­te bei. Das Finanz­amt redu­zier­te dar­auf­hin die Haf­tungs­be­trä­ge ledig­lich bezüg­lich der Arbeit­neh­me­rin für 2016 und 2019, da sich aus den Ein­kom­men­steu­er­be­schei­den eine gegen­über den Lohn­steu­er­be­trä­gen gerin­ge­re Ein­kom­men­steu­er­schuld ergab. Im Übri­gen lehn­te das Finanz­amt eine wei­te­re Redu­zie­rung der Haf­tungs­be­trä­ge ab. Wegen Ein­tritts der Fest­set­zungs­ver­jäh­rung sei­en kei­ne Ein­kom­men­steu­er­be­schei­de 2017 und 2018 erlas­sen wor­den. Das Betriebs­stät­ten-Finanz­amt sei nicht ver­pflich­tet, inso­weit sog. Schat­ten­ver­an­la­gun­gen auf­grund von Ein­kom­men­steu­er­erklä­run­gen oder – wie im Fal­le des ande­ren Arbeit­neh­mers – vor­ge­leg­ten Steu­er­be­rech­nun­gen durchzuführen.

Der 9. Senat folg­te im Ergeb­nis die­ser Auf­fas­sung und wies die Kla­ge als unbe­grün­det ab. Der Wort­laut des § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG (»Jah­res­lohn­steu­er«) und § 42d Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG sprä­chen dafür, dass sich die Haf­tung nach Ablauf des Kalen­der­jah­res auf die­se Jah­res­lohn­steu­er bezie­he und nicht auf eine zu die­sem Zeit­punkt ent­ste­hen­de Ein­kom­men­steu­er des Arbeit­neh­mers. Auch steu­er­sys­te­ma­tisch sei die­se Aus­le­gung gebo­ten. § 42d EStG sei Teil der Steu­er­erhe­bungs­vor­schrif­ten. Das EStG tren­ne streng nach Lohn­steu­er­ab­zugs­ver­fah­ren und Ver­an­la­gungs­ver­fah­ren (§ 46 EStG). Das Lohn­steu­er­ab­zugs­ver­fah­ren beschrän­ke sich auf die Ein­künf­te aus nicht­selb­stän­di­ger Arbeit und habe kei­ne Bin­dungs­wir­kung für ein spä­te­res Ver­an­la­gungs­ver­fah­ren. Aus den glei­chen Grün­den ist nach Auf­fas­sung des NFG auch nicht von Belang, ob eine abge­ge­be­ne Ein­kom­men­steu­er­erklä­rung wie im Streit­fall infol­ge Ein­tritts der Fest­set­zungs­ver­jäh­rung nicht in einen Ein­kom­men­steu­er­be­scheid mün­det oder sich auf­grund von vor­ge­leg­ten Berech­nun­gen ggf. eine gerin­ge­re Ein­kom­men­steu­er­schuld ergibt. Alles ande­re wür­de aus Sicht des Gerichts dazu füh­ren, dass das Betriebs­stät­ten-Finanz­amt des Arbeit­ge­bers in sol­chen Fäl­len sog. Schat­ten­ver­an­la­gun­gen durch­füh­ren und die Auf­ga­ben des Ver­an­la­gungs­fi­nanz­amts über­neh­men müss­te. Eine der­ar­ti­ge Ver­mi­schung von Lohn­steu­er­ab­zugs- und Ver­an­la­gungs­ver­fah­ren sei aber steu­er­sys­te­ma­tisch ver­fehlt und ver­fas­sungs­recht­lich nicht gebo­ten. Denn die Haf­tung für die Jah­res­lohn­steu­er – ohne Betrach­tung der tat­säch­li­chen Ein­kom­men­steu­er­schuld – stel­le kei­ne Straf­steu­er dar. Eine sol­che Haf­tung ent­spre­che viel­mehr den gesetz­li­chen Vorschriften.

Der 9. Senat des Nie­der­säch­si­schen Finanz­ge­richts hat die Revi­si­on zum Bun­des­fi­nanz­hof zugelassen.

FG Nie­der­sach­sen, Mit­tei­lung vom 18.06.2025 zum Urteil 9 K 155/22 vom 16.04.2025 (nrkr – BFH-Az.: VI R 8/25)

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