Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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DStV zum Koalitionsvertrag: Steuerfreiheit von Zuschlägen für Mehrarbeit

Zuschlä­ge für Mehr­ar­beit steu­er­frei stel­len – das haben die Koali­ti­ons­part­ner ange­kün­digt. Ziel ist es, mehr Men­schen zu frei­wil­li­ger Mehr­ar­beit zu moti­vie­ren. Der Deut­sche Steu­er­be­ra­ter­ver­band (DStV) unter­stützt das Ziel, dem Fach­kräf­te­man­gel ent­ge­gen­zu­wir­ken. Die kon­kre­te Maß­nah­me sieht er aber kritisch.

Eine Idee – mit vie­len offe­nen Fragen

Die Bun­des­re­gie­rung will Zuschlä­ge für Mehr­ar­beit steu­er­frei stel­len. Die Rege­lung soll grei­fen, wenn Beschäf­tig­te über die tarif­lich ver­ein­bar­te oder dar­an ori­en­tier­te Voll­zeit­ar­beit hin­aus tätig sind. Als Voll­zeit gel­ten min­des­tens 34 Wochen­stun­den bei Tarif­bin­dung und 40 Stun­den bei nicht tarif­lich gere­gel­ten Arbeits­ver­hält­nis­sen. Die Maß­nah­me soll gemein­sam mit den Sozi­al­part­nern aus­ge­stal­tet wer­den. Der DStV begrüßt zwar grund­sätz­lich den poli­ti­schen Wil­len, zusätz­li­che Arbeit zu beloh­nen. Gleich­zei­tig stel­len sich aber vie­le Fragen.

Steu­er­frei­heit wider­spricht betrieb­li­cher Praxis

In der Pra­xis wer­den Über­stun­den oft nicht ver­gü­tet, son­dern durch Frei­zeit aus­ge­gli­chen. Auch Tarif­ver­trä­ge schrei­ben vor, dass Mehr­ar­beit auf Arbeits­zeit­kon­ten ein­ge­stellt wird. Sol­che Arbeits­zeit­kon­ten wer­den von vie­len Beschäf­tig­ten und Unter­neh­men – unab­hän­gig von Bran­che und Grö­ße – genutzt. Damit erhal­ten sie zeit­li­che Fle­xi­bi­li­tät – auch zur bes­se­ren Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf. Wer­den Zuschlä­ge für Mehr­ar­beit steu­er­lich begüns­tigt, könn­ten Arbeit­ge­be­rin­nen und Arbeit­ge­ber unter Druck gera­ten, Über­stun­den sofort aus­zu­be­zah­len. Das gefähr­det den Bestand bewähr­ter Arbeits­zeit­kon­ten. Das wäre dar­über hin­aus ein tie­fer Ein­griff in betrieb­li­che Abläu­fe. Feh­len die­se Über­stun­den, könn­te es bei kurz­fris­ti­gen Auf­trags­schwan­kun­gen auch deut­lich schnel­ler zur Inan­spruch­nah­me von Kurz­ar­beit kommen.

Steu­er­frei­heit kann zu Fehl­an­rei­zen führen

Ein wei­te­res Risi­ko: Tarif­ver­trags­par­tei­en könn­ten die Wochen­ar­beits­zeit gezielt absen­ken – etwa auf 34 Stun­den. Wer dann wei­ter 38 oder 40 Stun­den arbei­tet, könn­te zusätz­lich zum Ent­gelt abga­ben­freie Zuschlä­ge für die wei­te­ren 4 bis 6 Stun­den erhal­ten – ohne ech­te Mehr­ar­beit zu leis­ten. Auf die­se Wei­se lie­ßen sich Net­to­löh­ne erhö­hen, ohne das Arbeits­vo­lu­men aus­zu­bau­en. Das unter­läuft das Ziel der Regelung.

Wett­be­werbs­nach­tei­le vermeiden

In vie­len klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men (KMU) und den Frei­en Beru­fen gel­ten meist 40 Stun­den pro Woche als regu­lä­re Arbeits­zeit. Für sie exis­tie­ren in der Regel kei­ne Tarif­ver­trä­ge. Die Gren­ze für begüns­tig­te Mehr­ar­beit liegt damit bei ihnen höher als in tarif­ge­bun­de­nen Berei­chen. Damit wür­den Beschäf­tig­te dort sel­te­ner in den Genuss steu­er­frei­er Zuschlä­ge kom­men. Dadurch ent­steht ein deut­li­cher Wett­be­werbs­nach­teil beim Hal­ten und Gewin­nen von Fachkräften.

Ange­sichts der aktu­el­len wirt­schaft­li­chen Lage ist dar­über hin­aus frag­lich, ob die Maß­nah­me geeig­net ist, Mehr­ar­beit wirk­sam anzu­rei­zen. Vie­le KMU dürf­ten gegen­wär­tig finan­zi­ell kaum in der Lage sein, neben dem Über­stun­den­ent­gelt zusätz­lich steu­er­freie Zuschlä­ge zu zah­len. Soweit sich nur gro­ße Unter­neh­men Zuschlä­ge für Mehr­ar­beit leis­ten kön­nen, ver­schärft sich der Wett­be­werbs­nach­teil zu Las­ten der KMU. Doch selbst in gro­ßen Unter­neh­men könn­ten Zuschlä­ge auf­grund der wirt­schaft­li­chen Lage auf aus­ge­wähl­te Beschäf­tig­te begrenzt wer­den. Inso­fern erscheint die Steu­er­frei­heit der Zuschlä­ge eher in wirt­schaft­li­chen Auf­schwung­pha­sen ein wirk­sa­mes Instru­ment zu sein.

Abgren­zung kom­plex – neue Büro­kra­tie droht

Die geplan­te Rege­lung wirft grund­le­gen­de Anwen­dungs­fra­gen auf: Wann beginnt eine Über­stun­de, für die zusätz­lich zum Ent­gelt ein steu­er­frei­er Zuschlag gezahlt wer­den kann? Ab der ers­ten Minu­te oder erst nach einer bestimm­ten Zeit­gren­ze? Müs­sen die­se Über­stun­den ange­ord­net sein? Was gilt bei fle­xi­blen Arbeits­zeit­mo­del­len oder bei meh­re­ren Teil­zeit­jobs, die zusam­men über 40 Stun­den hin­aus­ge­hen? Greift die Steu­er­frei­heit der Zuschlä­ge auf das Ent­gelt für geleis­te­te Über­stun­den auch bei Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rern einer GmbH? Ohne kla­re Regeln dro­hen Rechts­un­si­cher­hei­ten. Zugleich steigt der büro­kra­ti­sche Auf­wand. Arbeit­ge­ber müss­ten die Arbeits­zei­ten exakt doku­men­tie­ren. Gera­de klei­ne­re Unter­neh­men wären dadurch stark belastet.

Fazit

DStV-Prä­si­dent StB Tors­ten Lüth warnt: »Mehr­ar­beit steu­er­lich zu för­dern, ist ein ver­ständ­li­cher Gedan­ke. Doch die Umset­zung erscheint in der Pra­xis kaum hand­hab­bar. Die Steu­er­frei­heit von Zuschlä­gen für Mehr­ar­beit gefähr­det fle­xi­ble Arbeits­zeit­mo­del­le, erhöht den büro­kra­ti­schen Auf­wand und benach­tei­ligt vie­le Arbeit­ge­ber – ins­be­son­de­re die Frei­en Beru­fe. Statt zusätz­li­cher büro­kra­ti­scher Belas­tun­gen braucht es ein­fa­che und gerech­te Lösun­gen, die tat­säch­lich zu mehr Arbeits­leis­tung führen.«

DStV, Mit­tei­lung vom 22.05.2025

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