Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Lieferung von Mieterstrom stellt eine selbstständige Hauptleistung dar, sodass aus der Anschaffung einer Photovoltaikanlage ein Vorsteuerabzug resultiert

Das Finanz­ge­richt Müns­ter hat ent­schie­den, dass die Lie­fe­rung von Mie­ter­strom kei­ne unselbstständige Neben­leis­tung zur umsatz­steu­er­frei­en Wohn­raum­ver­mie­tung, son­dern eine selbstständige Haupt­leis­tung dar­stellt. Dar­aus folgt, dass der Ver­mie­ter bei Anschaf­fung einer Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge (PV-Anla­ge) zum Vor­steu­er­ab­zug berech­tigt ist.

Der Kläger ist Eigen­tü­mer eines umsatz­steu­er­frei ver­mie­te­ten Mehr­fa­mi­li­en­hau­ses und lie­fert sei­nen Mie­tern Strom, den er über die Betriebs­kos­ten abrech­net. Auf dem Mehr­fa­mi­li­en­haus instal­lier­te der Kläger eine PV-Anla­ge. Im Rah­men einer ¶rderung der Kre­dit­an­stalt für Wie­der­auf­bau hat­te sich das Kläger dazu ver­pflich­tet, 50 Pro­zent der Strom­lie­fe­run­gen inner­halb des Miet­ob­jekts abzu­neh­men. Soweit der durch die PV-Anla­ge pro­du­zier­te Strom nicht aus­reich­te, gewährleistete der Kläger die Strom­ver­sor­gung durch den Bezug und die Wei­ter­lie­fe­rung exter­nen Stroms.

Aus der Anschaf­fung der PV-Anla­ge mach­te der Kläger einen Vor­steu­er­ab­zug gel­tend. Das Finanz­amt gelang­te dem­ge­genü­ber im Rah­men einer Umsatz­steu­er-Son­der­prü­fung zu dem Ergeb­nis, dass die bei­den Leis­tun­gen Ver­mie­tung und Strom­lie­fe­rung so eng zusam­men­hin­gen, dass die Strom­lie­fe­rung als Neben­leis­tung umsatz­steu­er­recht­lich das Schick­sal der Haupt­leis­tung (Ver­mie­tung) tei­le. Da die Woh­nun­gen umsatz­steu­er­frei ver­mie­tet wür­den, sei der Vor­steu­er­ab­zug aus der Anschaf­fung der PV-Anla­ge inso­weit – also um 50 % – ausgeschlossen.

Der 15. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter hat der hier­ge­gen gerich­te­ten Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die PV-Anla­ge wer­de vollumfänglich für steu­er­pflich­ti­ge Ausgangsumsätze des Klägers ver­wen­det. Die Strom­lie­fe­run­gen des Klägers an sei­ne Mie­ter wür­den kei­ne unselbstständigen Neben­leis­tun­gen zu den nach § 4 Nr. 12 Buchst. a) UStG umsatz­steu­er­frei­en Ver­mie­tungs­leis­tun­gen, son­dern selbstständige Haupt­leis­tun­gen in Form von Lie­fe­run­gen dar­stel­len. Dies gel­te sowohl für den vom Kläger mit der PV-Anla­ge eigen­pro­du­zier­ten als auch für den von exter­nen Strom­an­bie­tern bezo­ge­nen Strom.

Eine ein­heit­li­che Leis­tung lie­ge vor, wenn meh­re­re Ein­zel­leis­tun­gen oder Hand­lun­gen des Steu­er­pflich­ti­gen für den Kun­den so eng mit­ein­an­der ver­bun­den sei­en, dass sie objek­tiv eine ein­zig untrenn­bar wirt­schaft­li­che Leis­tung bil­den, deren Auf­spal­tung wirk­lich­keits­fremd wäre. Im Zusam­men­hang mit der Ver­mie­tung von Immo­bi­li­en sei­en zwei Fall­grup­pen zu unter­schei­den: Ver­fü­ge der Mie­ter über die ¶glichkeit, die Lie­fe­ran­ten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede ste­hen­den Gegenstände oder Dienst­leis­tun­gen auszuwählen, könnten die ent­spre­chen­den Leis­tun­gen grundsätzlich als von der Ver­mie­tung getrennt ange­se­hen wer­den. Dies gel­te ins­be­son­de­re, wenn der Mie­ter über den Umfang der erhal­te­nen Leis­tun­gen, die in Abhängigkeit des Ver­brauchs abge­rech­net wer­den könnten, ent­schei­den könne. Sofern dem­ge­genü­ber die Ver­mie­tung eines Gebäudes in wirt­schaft­li­cher Hin­sicht offen­sicht­lich mit den beglei­ten­den Leis­tun­gen objek­tiv eine Gesamt­heit bil­de, könne davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Leis­tung mit der Ver­mie­tung eine ein­heit­li­che Leis­tung bil­de. Aus­ge­hend davon habe der Bun­des­fi­nanz­hof mit Urtei­len vom 11. Novem­ber 2015 (Az. V R 37/14) und vom 17. Juli 2024 (Az. XI R 8/21) ange­nom­men, dass die den Miet­ne­ben­kos­ten zugrun­de lie­gen­den Leis­tun­gen wie die Zur­ver­fü­gung­stel­lung von Was­ser, Elektrizität oder ¤rme, über deren Ver­brauch der Mie­ter ent­schei­den könne und die durch die Anbrin­gung von indi­vi­du­el­len ¤hlern kon­trol­liert und in Abhängigkeit des Ver­brauchs abge­rech­net wür­den, grundsätzlich als von der Ver­mie­tung getrennt anzu­se­hen seien.

Im Streit­fall hätten die Mie­ter über die ¶glichkeit ver­fügt, den Lie­fe­ran­ten und die Nutzungsmodalitäten des Stroms frei zu wählen. Hier­für spre­che bereits das gesetz­li­che Kop­pe­lungs­ver­bot von Miet- und Energieversorgungsverträgen nach § 42a Abs. 2 des Ener­gie­wirt­schafts­ge­set­zes. Der durch­schnitt­li­che Ver­brau­cher könne daher erken­nen, dass Miet- und Stromlieferungsverträge von­ein­an­der unabhängig sei­en. Auch im kon­kre­ten Streit­fall hätten vier Miet­par­tei­en im Rah­men gericht­li­cher Aus­kunfts­er­su­chen bestätigt, dass sie Kennt­nis von ihrer Frei­heit zum Wech­sel des Strom­an­bie­ters gehabt hätten. Bei den wei­te­ren drei Miet­par­tei­en sei davon aus­zu­ge­hen, dass sie sich nicht ernst­haft mit der Wechselmöglichkeit beschäftigt hätten, dies aber leicht hätten erken­nen können. Zudem hätten die Mie­ter über ihren Strom­ver­brauch ent­schei­den können, der durch sepa­ra­te Stromzähler ermit­telt werde.

Der Senat sei auch nicht an die nor­min­ter­pre­tie­ren­de Ver­wal­tungs­auf­fas­sung in Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE gebun­den, wonach die Lie­fe­rung von Strom in der Regel als Neben­leis­tung zur umsatz­steu­er­frei­en Wohn­raum­ver­mie­tung anzu­se­hen sei.

FG Müns­ter, Mit­tei­lung vom 17.03.2025 zum Urteil 15 K 128/21 U vom 18.02.2025

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