Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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¶rderung des demokratischen Staatswesens als gemeinnütziger Zweck und Prüfungstiefe bei Freistellungsbescheiden nach § 60a AO

Das Finanz­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg hat ent­schie­den, dass der Begriff der ¶rderung des demo­kra­ti­schen Staats­we­sens (§ 52 Abs. 2 Nr. 24 AO) sich aus grund­recht­lich ver­bürg­ten Prin­zi­pi­en, Rech­ten und Wer­ten ablei­ten las­sen muss. Dazu gehört ins­be­son­de­re die ¶rderung der Aus­Ã¼­bung der grund­ge­setz­lich ver­bürg­ten Grund­rech­te, wie im Streit­fall der Mei­nungs­frei­heit, sowie die ¶rderung all­ge­mei­ner demo­kra­ti­scher Teil­ha­be, die sich aus dem Demo­kra­tie­prin­zip ergibt (vgl. auch die Par­al­le­l­ent­schei­dung 8 K 8198/22, über die wir ges­tern berich­tet haben).

Aus­gangs­punkt die­ses Rechts­streits ist zugleich die Fra­ge der Prü­fungs­tie­fe des § 60a Abs. 6 AO bei Ver­sa­gung eines Frei­stel­lungs­be­schei­des nach § 60a Abs. 1 AO. Hier­nach kann ein Finanz­amt einen Frei­stel­lungs­be­scheid ver­sa­gen, wenn bis zum Zeit­punkt des Erlas­ses des erst­ma­li­gen ¶rperschaftsteuerbescheids oder Frei­stel­lungs­be­scheids bereits Erkennt­nis­se vor­lie­gen, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Vor­aus­set­zun­gen verstößt. Die Vor­schrift wur­de durch JStG 2020 ein­ge­führt (BGBl. I 2020 S. 3096). Aus­weis­lich der Geset­zes­be­grün­dung soll hier­durch die rechtsmissbräuchliche Ver­wen­dung des Fest­stel­lungs­be­scheids aus­ge­schlos­sen wer­den. In der Begrün­dung wird aus­drück­lich auf Missbrauchsfälle sog. extre­mis­ti­scher Orga­ni­sa­tio­nen ver­wie­sen (Bun­des­tags-Druck­sa­che 19/25160, S. 204).

Der Kläger – ein nicht ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein – betrieb auf einer Inter­net­sei­te einen sog. Online-Blog, auf wel­chem Ver­eins­mit­glie­der und Gast­au­toren zu einem aktu­el­len The­ma (i. w. S.) Beiträge veröffentlichten. Streit­ge­gen­stand war inso­weit die Ableh­nung des Erlas­ses eines Frei­stel­lungs­be­schei­des, weil dem Beklag­ten bereits Erkennt­nis­se zur ¤tigkeit des Klägers vor­la­gen, obgleich der Kläger noch kei­ne ¶rperschaftsteuererklärungen nebst ¤tigkeitsberichten vor­ge­legt hatte.

Das Gericht hat hier die Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH-Urteil vom 10. Janu­ar 2019 – V R 60/17, BStBl II 2019 S. 301; sog. Attac-Recht­spre­chung) bekräftigt. Eine Ver­ei­ni­gung zur ¶rderung der Volks­bil­dung und des demo­kra­ti­schen Staats­we­sens muss in ihrer „politischen Bil­dun­g“ „geistig offen“ sein und darf gera­de nicht das Ziel ver­fol­gen, ¶sungsvorschläge für Pro­blem­fel­der der Tages­po­li­tik durch­zu­set­zen, denn eine steu­er­li­che Gemein­nüt­zig­keit stün­de sonst im Kon­flikt mit den stren­gen Vor­ga­ben des Grund­ge­set­zes und des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur Par­tei­en­fi­nan­zie­rung. Der Kläger hat aber nach Überzeugung des Gerichts gera­de kon­kre­te Pro­blem­fel­der der Tages­po­li­tik ent­spre­chend the­ma­ti­siert. Die ¶rderung des demo­kra­ti­schen Staats­we­sens war höchstens Nebenfolge.

Das Gericht hat zudem ent­schie­den, dass der Beklag­te bei § 60a Abs. 6 AO nicht auf bestimm­te Prüf­fel­der beschränkt ist, son­dern ins­be­son­de­re auch Hin­wei­se zu kon­kre­ten ¤tigkeiten berück­sich­ti­gen kann. Aller­dings führt nach Auf­fas­sung des Gerichts die Ver­sa­gung des Fest­stel­lungs­be­scheids nicht zu einer abschließenden Ent­schei­dung hin­sicht­lich der Frei­stel­lung, denn die­se erfolgt allein im Ver­an­la­gungs­ver­fah­ren und mün­det in einem posi­ti­ven Frei­stel­lungs­be­scheid nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AO bzw. in einer Ver­sa­gung eines sol­chen Beschei­des. Der Rege­lungs­ge­halt des Ableh­nungs­be­schei­des betrifft nur die feh­len­de vorläufige Ver­trau­ens­schutz­wir­kung der geson­der­ten Fest­stel­lung der satzungsmäßigen Voraussetzungen.

Das Gericht hat die Revi­si­on zugelassen.

FG Ber­lin-Bran­den­burg, Pres­se­mit­tei­lung vom 16.01.2024 zum Urteil 8 K 8012/23 vom 14.11.2023

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