Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Sinnlose“ Erklärung kann in einen Einspruch umgedeutet werden

Wird gegenü­ber dem Finanz­amt eine Stel­lung­nah­me zu einer strei­ti­gen Fra­ge abge­ge­ben, die nicht als Ein­spruch aus­ge­legt wer­den kann, kommt gleich­wohl nach dem Rechts­ge­dan­ken des § 140 BGB eine Umdeu­tung in einen Ein­spruch in Betracht. Dies hat der 8. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter entschieden.

Im Hin­blick auf eine beab­sich­tig­te Haf­tungs­inan­spruch­nah­me für Steu­er­schul­den einer KG rich­te­te das Finanz­amt schrift­li­che Anfra­gen an die bei­den Kläger. Nach­dem bis auf einen Fristverlängerungsantrag des Pro­zess­ver­tre­ters der bei­den Kläger kei­ne wei­te­re Rück­mel­dung erfolgt war, erließ das Finanz­amt jeweils Haf­tungs­be­schei­de, die es bei­den Klägern an ihre Pri­vat­an­schrift zustell­te. Inner­halb der Ein­spruchs­frist nahm der Prozessbevollmächtigte für bei­de Kläger inhalt­lich zu den zuvor gestell­ten Anfra­gen Stel­lung. Die Haf­tungs­be­schei­de waren ihm zum Zeit­punkt der Abfas­sung die­ser Schrei­ben nicht bekannt. Nach Kennt­nis­nah­me der Beschei­de trug der Pro­zess­ver­tre­ter vor, sei­ne Schrei­ben sei­en als Ein­sprüche zu wer­ten. Da die Ein­spruchs­frist zu die­sem Zeit­punkt bereits abge­lau­fen war, ver­warf das Finanz­amt die Ein­sprüche wegen Frist­ab­laufs als unzulässig.

Die Kla­ge, mit der die Kläger ledig­lich die iso­lier­te Auf­he­bung der Ein­spruchs­ent­schei­dun­gen bean­trag­ten, hat­te Erfolg. Der 8. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter hat aus­ge­führt, dass das Finanz­amt die Ein­sprüche zu Unrecht als unzulässig ver­wor­fen habe. Die Haf­tungs­be­schei­de sei­en zunächst wirk­sam an die Pri­vat­adres­sen der Kläger zuge­stellt wor­den, da der Pro­zess­ver­tre­ter zuvor kei­ne Voll­mach­ten vor­ge­legt habe. Die inner­halb der Ein­spruchs­frist ein­ge­gan­ge­nen Schrei­ben könnten zwar nicht als Ein­sprüche aus­ge­legt, aber in sol­che umge­deu­tet werden.

Eine Aus­le­gung schei­te­re dar­an, dass der wirk­li­che Wil­le nicht auf Anfech­tung der Haf­tungs­be­schei­de gerich­tet gewe­sen sein könne, weil dem Pro­zess­ver­tre­ter die Beschei­de nicht bekannt gewe­sen seien.

Nach dem Rechts­ge­dan­ken des § 140 BGB kom­me jedoch eine Umdeu­tung in Betracht. Die­se zivil­recht­li­che Vor­schrift regelt, dass ein nich­ti­ges Rechtsgeschäft, das den Erfor­der­nis­sen eines ande­ren Rechtsgeschäfts ent­spricht, in ein wirk­sa­mes Rechtsgeschäft umge­deu­tet wer­den kann, wenn ein ent­spre­chen­der Wil­le anzu­neh­men ist. Grundsätzlich sei die Umdeu­tung auch im Steu­er­recht anerkannt.

Nach Auf­fas­sung des Gerichts sei­en wegen des Gebots effek­ti­ven Rechts­schut­zes auch „sinnlose“ Verfahrenserklärungen umdeutungsfähig. Im Streit­fall sei erkenn­ba­res Ziel der bei­den Stel­lung­nah­men des Pro­zess­ver­tre­ters, auf des­sen Kennt­nis­ho­ri­zont abzu­stel­len sei, die Ver­hin­de­rung der Haf­tungs­inan­spruch­nah­me der Kläger gewe­sen. Die­ses Ziel habe er aber nach Erlass der Haf­tungs­be­schei­de nur durch Ein­le­gung von Ein­sprüchen errei­chen können. Es sei kein ver­nünf­ti­ger Grund ersicht­lich, wes­halb er nicht gegen die Beschei­de Ein­sprüche ein­ge­legt hätte, wenn ihm deren Exis­tenz bekannt gewe­sen wäre.

Einer Umdeu­tung ste­he auch nicht ent­ge­gen, dass die Stel­lung­nah­men von einem Rechts­an­walt ver­fasst wur­den, deren Verfahrenserklärungen grundsätzlich beim Wort zu neh­men sei­en. Hier­von sei eine Aus­nah­me zu machen, wenn dem Rechts­kun­di­gen die tatsächliche Ver­fah­rens­si­tua­ti­on nicht bekannt gewe­sen sei. Da die Umdeu­tung ein verschuldensunabhängiges Rechts­in­sti­tut dar­stel­le, sei schließlich uner­heb­lich, dass die Kläger ihren Pro­zess­ver­tre­ter schuld­haft nicht recht­zei­tig über die Zustel­lung der Haf­tungs­be­schei­de infor­miert hätten.

Der Senat hat die Revi­si­on zuge­las­sen. Die­se ist beim Bun­des­fi­nanz­hof unter dem Akten­zei­chen VII R 7/23 anhängig.

FG Müns­ter, Mit­tei­lung vom 15.02.2023 zum Urteil 8 K 1080/21 vom 12.01.2023 (nrkr – BFH-Az.: VII R 7/23)

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