Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

zurück

Rechtswidrige Ermessensentscheidung aufgrund erstmals im Klageverfahren vorgetragener Umstände

Der 4. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter ent­schie­den, dass im Kla­ge­ver­fah­ren gegen einen Haf­tungs­be­scheid vom Haf­tungs­schuld­ner erst­mals vor­ge­tra­ge­ne Umstände dazu füh­ren können, dass sich die vom Finanz­amt getrof­fe­ne Ermes­sens­ent­schei­dung als rechts­wid­rig erweist.

Der Kläger wur­de vom Finanz­amt als Geschäftsführer einer GmbH für deren Steuerrückstände nach § 69 AO in Haf­tung genom­men. Nach­dem er im Ein­spruchs­ver­fah­ren gegenü­ber dem Finanz­amt nicht den vollständigen Sach­ver­halt dar­ge­legt hat­te, gab er im Kla­ge­ver­fah­ren erst­mals wahrheitsgemäß an, dass er ledig­lich als sog. Stroh­mann fun­giert habe und tatsächlich von einem fak­ti­schen Geschäftsführer von der Geschäftsführung aus­ge­schlos­sen gewe­sen sei. Fer­ner stell­te sich im Kla­ge­ver­fah­ren her­aus, dass der Kläger sei­ne Geschäftsführerstellung bereits vor Beginn des Haf­tungs­zeit­raums auf­grund rechtskräftiger Ver­ur­tei­lung wegen Insol­venz­ver­schlep­pung kraft Geset­zes ver­lo­ren hatte.

Der 4. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Er hat bei sei­ner Ent­schei­dung offen gelas­sen, ob bereits die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen einer Haf­tungs­inan­spruch­nah­me des Klägers wegen des Weg­falls sei­ner nomi­nel­len Geschäftsführerstellung ent­fal­len sind. Jeden­falls habe sich die Ermes­sens­ent­schei­dung des Finanz­amts nachträglich als feh­ler­haft erwie­sen. Dem Finanz­amt sei zwar kei­ne Ermitt­lungs­pflicht­ver­let­zung vor­zu­wer­fen, weil viel­mehr der Kläger versäumt habe, den Sach­ver­halt im Ein­spruchs­ver­fah­ren vollständig und zutref­fend dar­zu­le­gen. Dies füh­re jedoch nicht dazu, dass nachträglich bekannt gewor­de­ne Umstände nicht mehr berück­sich­tigt wer­den dürften.

Viel­mehr sei der im Haf­tungs­be­scheid getrof­fe­nen Ermes­sens­ent­schei­dung im Kla­ge­ver­fah­ren in zwei­fa­cher Hin­sicht der Boden ent­zo­gen wor­den. Durch die rechtskräftige Ver­ur­tei­lung des Klägers wegen Insol­venz­ver­schlep­pung habe er sein Amt als Geschäftsführer kraft Geset­zes ver­lo­ren. Der Rechts­schein des Han­dels­re­gis­ters, in dem er wei­ter­hin als Geschäftsführer ein­ge­tra­gen war, rei­che für eine Haf­tung nach § 69 AO nicht aus. Fer­ner habe das Finanz­amt sein ihm wegen der Exis­tenz eines fak­ti­schen Geschäftsführers zuste­hen­des Aus­wahler­mes­sen nicht erkannt. Die­se neu bekannt gewor­de­nen Umstände sei­en geeig­net, eine für den Kläger güns­ti­ge­re Ermes­sens­ent­schei­dung zumin­dest zu ermöglichen.

Die vom Senat zuge­las­se­ne Revi­si­on ist beim Bun­des­fi­nanz­hof unter dem Akten­zei­chen VII R 4/23 anhängig.

FG Müns­ter, Mit­tei­lung vom 15.02.2023 zum Urteil 4 K 1158/20 L vom 19.12.2022 (nrkr – BFH-Az.: VII R 4/23)

UST-ID hier prüfen Kontakt