Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zur Durchführung eines ärztlich verordneten Funktionstrainings (Wassergymnastik) keine außergewöhnlichen Belastungen 

Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanz­ge­richts hat­te sich mit der Fra­ge zu befas­sen, inwie­weit Auf­wen­dun­gen für die Durch­füh­rung von Funk­ti­ons­trai­ning (ärztlich ver­ord­ne­te Was­ser­gym­nas­tik) in einem Fit­ness­stu­dio als außergewöhnliche Belas­tun­gen im Sin­ne des § 33 Abs. 1 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG) abzugsfähig sind.

Im zugrun­de­lie­gen­den Sach­ver­halt wur­de einer behin­der­ten Klägerin (GdB 30) zur Behand­lung der zuneh­mend schmerz­haf­ten Bewegungseinschränkungen, zur funk­tio­na­len Ver­bes­se­rung und zur Schmerz­re­duk­ti­on ein Funk­ti­ons­trai­ning in Form von Was­ser­gym­nas­tik ärztlich ver­ord­net. Die zuständige Kran­ken­kas­se über­nahm die Kos­ten für ein wöchentliches Funk­ti­ons­trai­ning. Nach­dem die Klägerin die Was­ser­gym­nas­tik­kur­se zunächst in einem Ver­ein durch­ge­führt hat­te, ent­schied sie sich schließlich, die Kur­se in einem näher zu ihrem Wohn­ort gele­ge­nen Fit­ness­stu­dio zu absol­vie­ren. Das Funk­ti­ons­trai­ning wur­de hier von qua­li­fi­zier­ten Übungsleitern mit einer gül­ti­gen Übungsleiterlizenz für den Reha­bi­li­ta­ti­ons­sport durch­ge­führt. Vor­aus­set­zung dafür war jedoch, dass sich die Klägerin als Mit­glied im Fit­ness­stu­dio anmel­den und den (redu­zier­ten) Bei­trag für das auf die Teil­nah­me an den ver­ord­ne­ten Kur­sen zuge­schnit­te­ne Modul („Wellness und Spa“) bezah­len muss­te. Neben der Teil­nah­me an dem ver­ord­ne­ten Funk­ti­ons­trai­ning beinhal­te­te der Bei­trag auch noch die Sau­na­be­nut­zung und wei­te­re Aqua-Fit­ness­kur­se. Das Fit­ness­stu­dio stell­te der Klägerin auch noch den wöchentlichen Bei­trag für den Reha-Ver­ein, der das Funk­ti­ons­trai­ning durch­führ­te, in Rechnung.

Ver­geb­lich mach­te die Klägerin ihre Gesamt­kos­ten (Fit­ness­stu­dio­bei­trag, Reha Ver­eins­bei­trag, Fahrt­kos­ten) als Teil ihrer Heil­be­hand­lungs­kos­ten im Sin­ne von § 33 EStG geltend.

Das Niedersächsischen Finanz­ge­richts gab der Kla­ge nur zum Teil statt. Es ver­tritt die Auf­fas­sung, dass die Fitnessstudio-Mitgliedsbeiträge für ein für die Teil­nah­me an dem ver­ord­ne­ten Funk­ti­ons­trai­ning zuge­schnit­te­nes Grund­mo­dul (im Streit­fall: „Wellness und Spa“) jeden­falls dann kei­ne außergewöhnlichen Belas­tun­gen im Sin­ne des § 33 EStG dar­stel­len, wenn mit dem Mit­glieds­bei­trag auch wei­te­re Leis­tun­gen abge­gol­ten wer­den (im Streit­fall: Sau­n­a­nut­zung; Aqua Fit­ness­kur­se), die ihrer Art nach nicht nur von kran­ken, son­dern auch gesun­den Men­schen in Anspruch genom­men wer­den, um die Gesund­heit zu erhal­ten, das Wohl­be­fin­den zu stei­gern oder die Frei­zeit sinn­voll zu gestal­ten, und eine Auf­tei­lung nach objek­ti­ven Kri­te­ri­en nicht möglich ist. Gegen die Zwangsläufigkeit spricht danach ins­be­son­de­re, wenn dem Steu­er­pflich­ti­gen die ¶glichkeit eröffnet ist, die ärztlich ver­ord­ne­ten Kur­se auch außerhalb eines Fit­ness­stu­di­os durch­füh­ren zu können. Allein die räumliche ¤he des Fit­ness­stu­di­os zum Wohn­ort, die Ein­spa­rung von Park- und Fahrt­kos­ten sowie die größere zeit­li­che Flexibilität hin­sicht­lich der Durch­füh­rung und Nach­ho­lung der Kur­se könnten die Zwangsläufigkeit der Mitgliedsbeiträge für das Fit­ness­stu­dio nicht begründen.

Das Finanz­ge­richt hat aus­drück­lich offen­ge­las­sen, ob etwas Ande­res gel­ten könne, wenn dem Steu­er­pflich­ti­gen zur Durch­füh­rung der ärztlich ver­ord­ne­ten Kur­se in einem Fit­ness­stu­dio kei­ne sinn­vol­le Alter­na­ti­ve zur Ver­fü­gung steht.

Erfolg hat­te die Kla­ge jedoch hin­sicht­lich der Abzugsfähigkeit der zwangsläufig ange­fal­le­nen Beiträge für einen Reha-Ver­ein, der die ärztlich ver­ord­ne­ten Kur­ses in einem Fit­ness­stu­dio durch­führt. Die­se zählen nach Überzeugung des Finanz­ge­richts zu den als außergewöhnliche Belas­tun­gen anzu­er­ken­nen­den Heil­be­hand­lungs­kos­ten. Zum Abzug zuzu­las­sen waren nach Auf­fas­sung des 9. Senats zudem die Auf­wen­dun­gen für die Fahr­ten zum Fit­ness­stu­dio, die ausschließlich im Zusam­men­hang mit der Durch­füh­rung der ärztlich ver­ord­ne­ten Kur­se anfal­len. Die­se teil­ten das Schick­sal der Kurs­kos­ten als zwangsläufige Heil­be­hand­lungs­kos­ten (im Streit­fall: Übernahme der Kurs­kos­ten durch die Kran­ken­kas­se) und stell­ten daher eben­falls außergewöhnliche Belas­tun­gen dar.

Das Finanz­ge­richt hat die Revi­si­on wegen grundsätzlicher Bedeu­tung zuge­las­sen. Sofern die Revi­si­on auch ein­ge­legt wird, erhält der BFH auf­grund der großen Brei­ten­wir­kung der Pro­ble­ma­tik Gele­gen­heit, höchstrichterlich zu klären, ob und ggf. inwie­weit bei medi­zi­ni­scher Indi­ka­ti­on der Behand­lung die Mitgliedsbeiträge für ein Fit­ness­stu­dio – gera­de auch in den ¤llen, in denen wie im Streit­fall min­des­tens ein auf die Behand­lung zuge­schnit­te­nes Grund­mo­dul für die Ableis­tung der Kur­se gebucht wer­den muss – außergewöhnliche Belas­tun­gen sein können.

FG Nie­der­sach­sen, Mit­tei­lung vom 19.01.2023 zum Urteil 9 K 17/21 vom 14.12.2022

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