Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags

Die Erhe­bung des Solidaritätszuschlags war in den Jah­ren 2020 und 2021 noch nicht ver­fas­sungs­wid­rig. Dies hat der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) entschieden.

Die Kläger wen­den sich gegen die Fest­set­zung des Solidaritätszuschlags in den Jah­ren 2020 und 2021. Das Finanz­amt hat­te für das Jahr 2020 einen Bescheid über 2.078 € und für das Jahr 2021 einen Vor­aus­zah­lungs­be­scheid über ins­ge­samt 57 € Solidaritätszuschlag erlas­sen. Vor dem Finanz­ge­richt hat­te das kla­gen­de Ehe­paar kei­nen Erfolg. Mit ihrer beim Bun­des­fi­nanz­hof ein­ge­leg­ten Revi­si­on brach­ten sie vor, die Fest­set­zung des Solidaritätszuschlags verstoße gegen das Grund­ge­setz. Sie berie­fen sich auf das Aus­lau­fen des Soli­dar­pakts II und damit der Auf­bau­hil­fen für die neu­en Bundesländer im Jahr 2019 sowie die damit zusammenhängende Neu­re­ge­lung des ¤nderfinanzausgleichs. Der Solidaritätszuschlag dür­fe als Ergänzungsabgabe nur zur Abde­ckung von Bedarfs­spit­zen erho­ben wer­den. Sein Aus­nah­me­cha­rak­ter ver­bie­te eine dau­er­haf­te Erhe­bung. Auch neue Zusatz­las­ten, die etwa mit der Coro­na­pan­de­mie oder dem Ukrai­ne-Krieg ein­her­gin­gen, könnten den Solidaritätszuschlag nicht recht­fer­ti­gen. Die Erhe­bung ver­let­ze sie zudem in ihren Grund­rech­ten. Bei dem Solidaritätszuschlag han­de­le es sich seit der im Jahr 2021 in Kraft getre­te­nen Gesetzesänderung um eine ver­kapp­te „Rei­chen­steu­er“, die gegen den im Grund­ge­setz ver­an­ker­ten Gleich­heits­grund­satz verstoße.

Der BFH ist dem nicht gefolgt. Beim Solidaritätszuschlag han­del­te es sich in Jah­ren 2020 und 2021 um eine ver­fas­sungs­recht­lich zulässige Ergänzungsabgabe; eine Vor­la­ge der Sache an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ist daher nicht geboten.

Eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grund­ge­set­zes) hat die Funk­ti­on, einen zusätzlichen Finanz­be­darf des Bun­des ohne Erhöhung der üb­ri­gen Steu­ern zu decken. Die Abga­be muss nicht von vorn­her­ein befris­tet wer­den und der Mehr­be­darf für die Ergänzungsabgabe kann sich auch für längere Zeiträume erge­ben. Aller­dings ist ein dau­er­haf­ter Finanz­be­darf regelmäßig über die auf Dau­er ange­leg­ten Steu­ern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Des­halb kann eine verfassungsgemäß beschlos­se­ne Ergänzungsabgabe dann ver­fas­sungs­wid­rig wer­den, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Ein­füh­rung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dau­er­haf­te Finan­zie­rungs­lü­cke ent­stan­den ist.

Der Solidaritätszuschlag soll­te bei sei­ner Ein­füh­rung im Jahr 1995 der Abde­ckung der im Zusam­men­hang mit der deut­schen Ver­ei­ni­gung ent­stan­de­nen finan­zi­el­len Las­ten dienen.

Mit dem Aus­lau­fen des Soli­dar­pakts II und der Neu­re­ge­lung des ¤nderfinanzausgleichs zum Jah­res­en­de 2019 hat der Solidaritätszuschlag sei­ne Recht­fer­ti­gung als Ergänzungsabgabe nicht verloren.

Eine zwin­gen­de rechts­tech­ni­sche Ver­bin­dung zwi­schen dem Soli­dar­pakt II, dem ¤nderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag besteht nicht. Zudem bestand in den Streit­jah­ren 2020 und 2021 nach wie vor ein wie­der­ver­ei­ni­gungs­be­ding­ter Finanz­be­darf des Bun­des. Der Gesetz­ge­ber hat in der Geset­zes­be­grün­dung auf die­sen fort­be­stehen­den Bedarf, der unter ande­rem im Bereich der Ren­ten­ver­si­che­rung und des Arbeits­markts gege­ben war, hin­ge­wie­sen. Er hat wei­ter­hin schlüs­sig dar­ge­legt, dass die Ein­nah­men aus dem ab 2021 fort­ge­führ­ten Solidaritätszuschlag zukünf­tig die fort­be­stehen­den wie­der­ver­ei­ni­gungs­be­ding­ten Kos­ten nicht decken werden.

Dass sich die­se Kos­ten im Lau­fe der Zeit wei­ter ver­rin­gern wer­den, hat der Gesetz­ge­ber mit der ab dem Jahr 2021 in Kraft tre­ten­den Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezie­her höherer Ein­kom­men und der damit ver­bun­de­nen Redu­zie­rung des Auf­kom­mens in Rech­nung gestellt. Aus dem Gesetz zur Rück­füh­rung des Solidaritätszuschlags wird daher deut­lich, dass der Gesetz­ge­ber die­sen nicht unbe­grenzt erhe­ben will, son­dern nur für eine Übergangszeit. Ein finan­zi­el­ler Mehr­be­darf des Bun­des, der aus der Bewältigung einer Genera­tio­nen­auf­ga­be resul­tiert, kann auch für einen sehr lan­gen Zeit­raum anzu­er­ken­nen sein. Die­ser Zeit­raum ist beim Solidaritätszuschlag jeden­falls 26 bzw. 27 Jah­re nach sei­ner Ein­füh­rung noch nicht abgelaufen.

Da der ursprüng­li­che Zweck für die Ein­füh­rung des Solidaritätszuschlags in den Jah­ren 2020 und 2021 noch nicht ent­fal­len war, kommt es auf eine mögliche Umwid­mung des Zuschlags für die Finan­zie­rung der Kos­ten der Coro­na­pan­de­mie oder des Ukrai­ne-Krie­ges nicht an.

Der Solidaritätszuschlag verstößt auch nicht gegen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 des Grund­ge­set­zes). Ab dem Jahr 2021 wer­den auf­grund der erhöhten Frei­gren­zen nur noch die Bezie­her höherer Ein­kom­men mit Solidaritätszuschlag belas­tet. Die dar­in lie­gen­de Ungleich­be­hand­lung ist aber gerecht­fer­tigt. Bei Steu­ern, die wie die Ein­kom­men­steu­er und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steu­er­pflich­ti­gen aus­ge­rich­tet sind, ist die Berück­sich­ti­gung sozia­ler Gesichts­punk­te zulässig. Daher kann auch der Gesetz­ge­ber beim Solidaritätszuschlag, der im wirt­schaft­li­chen Ergeb­nis eine Erhöhung der Ein­kom­men­steu­er dar­stellt, sozia­len Gesichts­punk­ten Rech­nung tra­gen und die­sen auf Steu­er­pflich­ti­ge mit hohen Ein­künf­ten beschränken. Vor die­sem Hin­ter­grund ist die ab 2021 bestehen­de Staf­fe­lung des Solidaritätszuschlags mit Blick auf das Sozi­al­staats­prin­zip des Grund­ge­set­zes gerechtfertigt.

BFH, Pres­se­mit­tei­lung vom 30.1.2023 zu Urteil vom 17.01.2023 – IX R 15/20

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