Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Solidaritätszuschlag: Festsetzung ab dem Veranlagungszeitraum 2020 weiterhin verfassungsgemäß?

Ja – so ent­schied das Finanz­ge­richt (FG) Baden-Würt­tem­berg. Das FG Baden-Würt­tem­berg wies die zulässige Kla­ge der Kläger als unbe­grün­det ab. Die ein­ge­leg­te Revi­si­on ist beim Bun­des­fi­nanz­hof unter dem Az. IX R 9/22 anhängig.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des beklag­ten Finanz­amts sei die Kla­ge zulässig, obwohl hin­sicht­lich der Fra­ge, ob der Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß sei, die Fest­set­zung vorläufig ergan­gen sei. Die beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) anhängigen Ver­fah­ren (Az. 2 BvR 1505/20, 2 BvL 6/14 und 2 BvR 1421/19) könnten nach Auf­fas­sung des FG Baden-Würt­tem­berg unzulässig sein bzw. unter­schie­den sich vom Streit­fall. Das beim BVerfG anhängige Ver­fah­ren 2 BvR 1505/20 rich­te sich unmit­tel­bar gegen die gesetz­li­che Neu­re­ge­lung des Solidaritätszuschlags. Der Rechts­weg sei im Gegen­satz zum Streit­fall nicht ausgeschöpft wor­den. Die Ver­fah­ren 2 BvL 6/14 und 2 BvR 1421/19 beträfen weder Veranlagungszeiträume nach dem Aus­lau­fen des Soli­dar­pakts II noch die streitgegenständliche Geset­zes­fas­sung des Geset­zes zur Rück­füh­rung des Solidaritätszuschlags (Rückf­SolZG) ab Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2021. Die­se eröffne im Ver­gleich zu den vor­he­ri­gen Geset­zes­fas­sun­gen neue Streitfragen.

Der 10. Senat des FG Baden-Würt­tem­berg war nicht von der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des Solidaritätszuschlags über­zeugt und wies die Kla­ge als unbe­grün­det ab. Er berück­sich­tig­te die Geset­zes­be­grün­dung zur Ein­füh­rung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe (Aus­gleich tei­lungs­be­ding­ter Son­der­las­ten), die Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs (verfassungsgemäße Fest­set­zung des Solidaritätszuschlags auf­grund der fis­ka­li­schen Aus­nah­men­si­tua­ti­on infol­ge der Wie­der­ver­ei­ni­gung), das Aus­lau­fen des Soli­dar­pakts II mit Aus­wir­kun­gen auf den Finanz­aus­gleich seit 2020 sowie den Sinn und Zweck einer Ergänzungsabgabe (subsidiäres Finanz­mit­tel zur Finan­zie­rung eines auf­ga­ben­be­zo­ge­nen Mehr­be­darfs des Bun­des), deren Auf­kom­men ausschließlich dem Bund zuste­he. Die Ergänzungsabgabe beschränke sich auf Mehr­be­las­tun­gen des Bun­des. Die Gestal­tungs­frei­heit ermögliche die Wahl zwi­schen einer Ergänzungsabgabe und einer Steuererhöhung, solan­ge die dem Bund und den ¤ndern zuste­hen­den Steu­ern nicht ausgehöhlt wer­den. Die kassenmäßigen Steu­er­ein­nah­men sowie die ¶he des Solidaritätszuschlags beleg­ten jedoch ein ange­mes­se­nes Verhältnis.

Ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen der Kläger müs­se eine Ergänzungsabgabe weder befris­tet noch nur für einen kur­zen Zeit­raum erho­ben wer­den. Dies gel­te im Streit­fall auch, obwohl eine verfassungsgemäß beschlos­se­ne Ergänzungsabgabe ver­fas­sungs­wid­rig wer­den könne, wenn sich die für die Ein­füh­rung maßgebenden Verhältnisse grund­le­gend änderten. Denn der wie­der­ver­ei­ni­gungs­be­ding­te zusätzliche Finan­zie­rungs­be­darf des Bun­des, z. B. im Bereich der Ren­ten­ver­si­che­rung, bestehe fort. Außerdem habe der Gesetz­ge­ber „die kon­kre­te fis­ka­li­sche Aus­nah­me­la­ge hin­rei­chend deut­lich erkenn­bar“ gemacht. Eine genaue Bezeich­nung der zu finan­zie­ren­den Auf­ga­ben in der Geset­zes­be­grün­dung, d. h. die Anga­be einer detail­lier­ten Zweck­be­stim­mung, sei nicht erfor­der­lich. Neue Auf­ga­ben könnten hin­zu­kom­men, so z. B. die Finan­zie­rung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Coro­na-Pan­de­mie und der Aus­nah­me­si­tua­ti­on infol­ge des Ukrai­ne-Kon­flikts. Die­ser beson­de­re Finanz­be­darf könne zu berück­sich­ti­gen sein. Im Haus­halts­plan könnte eine ent­spre­chen­de Fest­stel­lung erfolgen.

Auch die kon­kre­te Aus­ge­stal­tung der Fest­set­zung des Solidaritätszuschlags ab Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2021 sei verfassungsgemäß. Frei­gren­zen und eine sog. Mil­de­rungs­zo­ne sei­en unter Beach­tung der gesetz­ge­be­ri­schen Gestal­tungs­frei­heit und der zulässigen Ver­fol­gung von ¶rderungs- und Len­kungs­zwe­cken aus sozia­len Grün­den zulässig. Die­se Maßnahmen mit stärkerer Besteue­rung höherer Ein­kom­men entsprächen dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Sie stell­ten nach der Geset­zes­be­grün­dung „zudem eine wirk­sa­me Maßnahme zur Stärkung der Arbeits­an­rei­ze, Kauf­kraft und Bin­nen­kon­junk­tur dar. Bür­ge­rin­nen und Bür­ger mit mitt­le­ren und nied­ri­ge­ren Ein­kom­men hätten eine deut­lich höhere Kon­sum­quo­te als Spit­zen­ver­die­nen­de, d. h. sie sei­en typi­scher­wei­se gezwun­gen, deut­lich mehr von ihrem Ein­kom­men für Gü­ter und Dienst­leis­tun­gen aus­zu­ge­ben“. Im Übrigen sei bereits der Spit­zen­steu­er­satz gesenkt und ein Aus­gleich geschaf­fen wor­den. In Bezug auf die Besteue­rung von Kapitalerträgen gebe es eine sog. Güns­ti­ger­prü­fung, sodass die­se Ein­künf­te ent­we­der mit dem Abgel­tungs­steu­er­satz mit Fest­set­zung eines Solidaritätszuschlags in vol­ler ¶he auf die Kapi­tal­ertrag­steu­er oder mit dem nied­ri­ge­ren indi­vi­du­el­len Steu­er­satz berech­net wer­den können. Außerdem sei die feh­len­de Ein­be­zie­hung von ¶rperschaften in die geplan­te Abschmel­zung des Solidaritätszuschlags infol­ge der völlig ande­ren Tarif­struk­tur zulässig.

FG Baden-Würt­tem­berg, Pres­se­mit­tei­lung vom 05.07.2022 zum Urteil 10 K 1693/21 vom 16.05.2022 (nrkr – BFH-Az.: IX R 9/22).

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