Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Kindergeld: Ermittlung des Lebensbedarfs eines behinderten Kindes

Kin­der­geld wird einem Kind gewährt, wel­ches wegen einer vor Voll­endung des 25. Lebens­jah­res ein­ge­tre­te­nen körperlichen, geis­ti­gen oder see­li­schen Behin­de­rung außerstande ist, sich selbst zu unter­hal­ten. Infol­ge­des­sen kommt es dar­auf an, ob das Kind sei­nen exis­ten­zi­el­len Lebens­be­darf mit den ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln decken kann.

Das Finanz­ge­richt Baden-Würt­tem­berg ent­schied, dass bei der Ermitt­lung der dem Kind zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­tel nur der steu­er­pflich­ti­ge Ertrags­an­teil einer pri­va­ten Ren­te zu berück­sich­ti­gen sei. Das Finanz­ge­richt setz­te sich außerdem mit ver­fah­rens­recht­li­chen Fra­gen, dem Bekannt­ga­be­zeit­punkt bei Ein­schal­tung eines pri­va­ten Post­dienst­leis­ters und der von der beklag­ten Fami­li­en­kas­se ange­wand­ten Änderungsnorm, aus­ein­an­der. Es ließ die Revi­si­on beim Bun­des­fi­nanz­hof zu.

Die beklag­te Fami­li­en­kas­se hat­te für den Streit­zeit­raum Dezem­ber 2019 bis Juli 2021 Kin­der­geld fest­ge­setzt. Sie hob die­se Fest­set­zung mit Beschei­den vom ¤rz 2021 auf. Der Kinds­va­ter mach­te gel­tend, es gebe kei­ne Änderungsnorm. Die Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Außerdem habe die Fami­li­en­kas­se die Ein­künf­te und Bezü­ge des Kinds feh­ler­haft berech­net. Des­sen Erb­schaft von der Mut­ter sei zweck­ge­bun­den gewe­sen und zum Abschluss einer pri­va­ten Ren­ten­ver­si­che­rung ver­wen­det wor­den. Die abwei­sen­de Ein­spruchs­ent­schei­dung datiert vom 28. Juli 2021, der Absen­de­ver­merk vom 29. Juli 2021. Die Fami­li­en­kas­se schil­der­te die inter­ne Orga­ni­sa­ti­on der Post­auf­ga­be unter Ein­schal­tung eines pri­va­ten Post­dienst­leis­ters. Nach den Anga­ben des Ver­tre­ters des Klägers ging ihm die Ein­spruchs­ent­schei­dung am 3. August 2021 zu. Sei­ne Kla­ge vom 3. Sep­tem­ber 2021 sei fristgemäß.

Die Kla­ge hat­te Erfolg. Das Finanz­ge­richt Baden-Würt­tem­berg ent­schied, die Kla­ge sei inner­halb der Monats­frist erho­ben wor­den. Ein Abgangs­ver­merk der Stel­le, die das Schrift­stück an die Post­aus­gangs­stel­le wei­ter­lei­te, rei­che nicht aus. Erfor­der­lich sei ein Absen­de­ver­merk der Post­stel­le. Die Schil­de­run­gen der orga­ni­sa­to­ri­schen Abwick­lung las­se zwar auf eine Post­auf­ga­be am 29. Juli 2021 schließen. Die Zugangs­fik­ti­on am drit­ten Tag sei jedoch erschüt­tert. Der Ver­fah­rens­ab­lauf des Post­dienst­leis­ters sei nicht bekannt, ein tatsächlicher Zugang am 3. August 2022 möglich und die Kla­ge zulässig.

Änderungen in den einen Kin­der­geld­an­spruch begrün­den­den Verhältnissen habe es nicht gege­ben. Die Fami­li­en­kas­se habe bereits bei der Kin­der­geld­fest­set­zung Kennt­nis von der pri­va­ten Ren­te des Kinds gehabt. Der (rück­wir­ken­de) Auf­he­bungs­be­scheid sei daher rechtswidrig.

Außerdem sei der Kläger kin­der­geld­be­rech­tigt. Sein Kind sei nicht imstan­de, sich selbst zu unter­hal­ten. Es sei „(neben den Ein­künf­ten aus Kapitalvermögen) nur der steu­er­pflich­ti­ge Ertrags­an­teil der pri­va­ten Ren­te zu berück­sich­ti­gen“. Es kom­me auf die Ein­künf­te und Bezü­ge im Sin­ne des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes an. Lau­fen­de oder ein­ma­li­ge Geld­zu­wen­dun­gen von Eltern sei­en unschädliches Kindesvermögen. Es dür­fe kei­nen Unter­schied machen, wie das Kind das ererb­te Vermögen ver­wen­de, ob es die geerb­ten Mit­tel abhe­be oder mit die­sen eine pri­va­te Lebens­ver­si­che­rung abschließe und die Ren­te zum Lebens­un­ter­halt ein­set­ze. Nichts Ande­res gel­te, wenn das Kind den von der Mut­ter geerb­ten Geld­be­trag vor Abschluss der pri­va­ten Ren­ten­ver­si­che­rung um (im Verhältnis zum geerb­ten Vermögen gerin­ge) eige­ne Mit­tel auf­sto­cke. Die monat­li­chen Ren­ten­zah­lun­gen stell­ten, soweit sie deren steu­er­pflich­ti­gen Ertrags­an­teil über­stie­gen, eine unbe­acht­li­che Vermögensumschichtung dar. Die nach dem Ein­kom­men­steu­er­ge­setz ermit­tel­ten zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­tel des Kinds deck­ten damit des­sen exis­ten­zi­el­len Lebens­be­darf nicht. Die Auf­nah­me einer Erwerbsfähigkeit schei­de auf­grund der Behin­de­rung aus. Wer­de der Auf­he­bungs­be­scheid vom 10. ¤rz 2021 in Gestalt der Ein­spruchs­ent­schei­dung auf­ge­ho­ben, lebe die Kin­der­geld­fest­set­zung wie­der auf.

FG Baden-Würt­tem­berg, Pres­se­mit­tei­lung vom 07.06.2022 zum Urteil 1 K 2137/21 vom 14.04.2022

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