Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Erlöschen von Zollschuld und Einfuhrumsatzsteuer bei Reparatur eines Segelbootes aus der Schweiz in Deutschland

Die man­gels Gestel­lung und Zollan­mel­dung von Waren ent­stan­de­ne Zoll­schuld erlischt eben­so wie die Ein­fuhr­um­satz­steu­er, wenn den Zollbehörden nach­ge­wie­sen wird, dass die Waren nicht ver­wen­det oder ver­braucht, son­dern aus dem Zoll­ge­biet der Uni­on ver­bracht wor­den sind und wenn kein ¤uschungsversuch vorliegt.

Sach­ver­halt

Der Kläger, der sei­nen Wohn­sitz in der Schweiz hat, wen­det sich gegen die Fest­set­zung von Ein­fuhr­ab­ga­ben für ein Segel­boot. Er ver­brach­te das Boot, das in der Schweiz auf ihn zuge­las­sen war, am 28. ¤rz 2017 auf einem Bootsanhänger mit sei­nem Pkw aus der Schweiz kom­mend über den Gren­zü­ber­gang beim Zoll­amt A‑Autobahn nach Deutsch­land, ohne hier­für an der Gren­ze eine Zoll­ab­fer­ti­gung durch­zu­füh­ren. Eine Zoll­strei­fe folg­te dem Gespann und hielt es an. Zum Sach­ver­halt befragt, erläuterte der Kläger den Kon­troll­be­am­ten, dass er zur Fir­ma XY in B unter­wegs sei, um an dem Außenbordmotor fällige Ser­vice- und War­tungs­ar­bei­ten durch­füh­ren zu las­sen. Die Beam­ten lei­te­ten dar­auf­hin gegen den Kläger ein Steu­er­straf­ver­fah­ren ein und setz­ten mit Ein­fuhr­ab­ga­ben­be­scheid vom 28. ¤rz 2017 aus­ge­hend von einem geschätzten Zoll­wert des ein­ge­führ­ten Boo­tes von 21.000 Euro Zoll in ¶he von 357,00 Euro und Ein­fuhr­um­satz­steu­er in ¶he von 4.057,83 Euro fest. Nach­dem der Kläger die Ein­fuhr­ab­ga­ben in ¶he von 4.414,83 Euro bezahlt und eine Straf­si­cher­heit in ¶he von 3.580,00 Euro hin­ter­legt hat­te, setz­te er sei­ne Fahrt zur Fir­ma XY fort. Die Kos­ten für deren Arbei­ten belie­fen sich auf ins­ge­samt 1.173,70 Euro. Bis zur Wie­der­aus­fuhr des Segel­boo­tes in die Schweiz, die aus­weis­lich eines vom Zoll­amt A‑Autobahn hierü­ber erstell­ten Beschau­be­fun­des am 18. Mai 2017 erfolg­te, wur­de das Boot nach dem inso­weit unbe­strit­te­nen Vor­trag des Klägers im Zoll­ge­biet nicht ander­wei­tig genutzt. Die nach erfolg­lo­sem Ein­spruchs­ver­fah­ren erho­be­ne Kla­ge hat­te Erfolg. Das FG hob den Ein­fuhr­ab­ga­ben­be­scheid auf.

Aus den Gründen

Für das streitgegenständliche Boot sei zwar nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a des Uni­ons­zoll­ko­dex (UZK) zunächst eine Zoll­schuld ent­stan­den; ob dies auch für die Ein­fuhr­um­satz­steu­er gel­te, sei dage­gen zwei­fel­haft. Das FG könne die­se Fra­ge aller­dings offen­las­sen, da sowohl die Zoll­schuld als auch eine etwai­ge Ein­fuhr­um­satz­steu­er­schuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK wie­der erlo­schen seien.

Ent­ste­hung der Einfuhrzollschuld

Nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK ent­stün­de eine Ein­fuhr­zoll­schuld u. a. dann, wenn eine der in den zoll­recht­li­chen Vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Ver­pflich­tun­gen in Bezug auf das Ver­brin­gen von Nicht-Uni­ons­wa­ren in das Zoll­ge­biet der Uni­on nicht erfüllt sei.

Im Streit­fall habe der Kläger gegen die aus Art. 139 Abs. 1 UZK fol­gen­de Ver­pflich­tung verstoßen, in das Zoll­ge­biet der Uni­on ver­brach­te Waren bei ihrer Ankunft unver­zü­g­lich zu gestel­len. Der Kläger habe unstrei­tig am 28. ¤rz 2017 mit sei­nem Pkw und dem auf dem Anhänger ver­la­de­nen Segel­boot, das in der Schweiz auf ihn zuge­las­sen sei, aus der Schweiz kom­mend den Gren­zü­ber­gang A pas­siert, ohne gegenü­ber der zuständigen Zollbehörde eine ent­spre­chen­de aus­drück­li­che Gestel­lungs­mit­tei­lung abzu­ge­ben. Dar­Ã¼­ber hin­aus habe der Kläger für das streitgegenständliche Boot auch kei­ne (aus­drück­li­che) Zollan­mel­dung nach Art. 158 Abs. 1 UZK abgegeben.

Gestel­lung und Zollan­mel­dung waren nicht wegen nur vor­Ã¼­ber­ge­hen­der Ver­wen­dung entbehrlich

Die Gestel­lung der Ware und die Abga­be einer Zollan­mel­dung sei­en vor­lie­gend nicht ent­behr­lich gewe­sen. Dies erfor­de­re, dass in Bezug auf die ein­ge­führ­te Ware die Vor­aus­set­zun­gen des Ver­fah­rens der vor­Ã¼­ber­ge­hen­den Ver­wen­dung erfüllt sei­en. Dies sei bei dem Segel­boot indes nicht der Fall gewesen.

Nach Art. 250 UZK könnten in der vor­Ã¼­ber­ge­hen­den Ver­wen­dung für die Wie­der­aus­fuhr bestimm­ter Nicht-Uni­ons­wa­ren im Zoll­ge­biet der Uni­on Gegen­stand einer beson­de­ren Ver­wen­dung unter vollständiger oder teil­wei­ser Befrei­ung von den Ein­fuhr­ab­ga­ben sein. Die vollständige Befrei­ung von den Ein­fuhr­ab­ga­ben für im Straßen‑, Schie­nen- oder Luft­ver­kehr und in der See- und Bin­nen­schiff­fahrt ein­ge­setz­te Beförderungsmittel wer­de u. a. gewährt, wenn sie außerhalb des Zoll­ge­biets der Uni­on auf den Namen einer außerhalb die­ses Gebiets ansässigen Per­son amt­lich zuge­las­sen sei­en und von einer außerhalb des Zoll­ge­biets der Uni­on ansässigen Per­son ver­wen­det wür­den. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sei­en vor­lie­gend nicht erfüllt, denn das Boot sei weder zum Zeit­punkt sei­nes Ver­brin­gens noch zu irgend­ei­nem ande­ren Zeit­punkt vor sei­ner Wie­der­aus­fuhr am 18. Mai 2017 „eingesetzt“ wor­den. Der Kläger habe es viel­mehr auf einem Pkw-Anhänger ver­la­den zur Fir­ma XY in B trans­por­tiert und nach Erle­di­gung der Arbei­ten wie­der aus dem Zoll­ge­biet der Uni­on aus­ge­führt, ohne es zwi­schen­zeit­lich als Beförderungsmittel genutzt zu haben. Davon, dass das Segel­boot „in der See- und Bin­nen­schiff­fahrt ein­ge­setz­t“ gewe­sen wäre, könne unter die­sen Umständen kei­ne Rede sein.

Kei­ne akti­ve Veredelung

Das Boot sei auch nicht ordnungsgemäß in das Ver­fah­ren der akti­ven Ver­ede­lung über­führt wor­den. Die Inan­spruch­nah­me der akti­ven Ver­ede­lung bedür­fe gemäß Art. 211 Abs. 1 Buchst. a UZK der Bewil­li­gung und müs­se bean­tragt wer­den. Die Bewil­li­gung könne zwar in ver­ein­fach­ter Form bean­tragt und erteilt wer­den, set­ze dann aber die Abga­be einer Stan­dard-Zollan­mel­dung zur Überführung der Waren in die akti­ve Ver­ede­lung vor­aus. Eine Überführung in das Ver­fah­ren durch kon­klu­den­tes Ver­hal­ten sei nicht möglich. Die Zoll­schuld sei des­halb wegen Verstoßes gegen die Gestel­lungs­pflicht (Art. 139 Abs. 1 UZK) und die Ver­pflich­tung zur Abga­be einer (aus­drück­li­chen) Zollan­mel­dung (Art. 158 Abs. 1 UZK) nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entstanden.

Zwei­fel am Ent­ste­hen von Einfuhrumsatzsteuer

Ob neben der Zoll­schuld dar­Ã¼­ber hin­aus Ein­fuhr­um­satz­steu­er ent­stan­den sei, sei dage­gen zwei­fel­haft. Für die Ver­wirk­li­chung des Tat­be­stands der Ein­fuhr­um­satz­steu­er rei­che es nicht aus, dass Gegenstände (körperlich) in das Gebiet der EU gelang­ten. Viel­mehr set­ze eine Ein­fuhr im Sin­ne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 30 der Mehr­wert­steu­er-Sys­tem­richt­li­nie wei­ter vor­aus, dass der in das Gebiet der Uni­on ver­brach­te Gegen­stand in den Wirt­schafts­kreis­lauf der Uni­on ein­ge­he und einem Ver­brauch, d.h. dem mit Mehr­wert­steu­er belas­te­ten Vor­gang, zuge­führt wer­den könne. Die­se Vor­aus­set­zung sei nach Auf­fas­sung des FG nicht erfüllt. Das streitgegenständliche Segel­boot sei weder Gegen­stand einer Lie­fe­rung noch sei mit ihm eine Dienst­leis­tung erbracht wor­den; der Kläger selbst habe es im Zoll­ge­biet auch nicht als Beförderungsmittel genutzt, son­dern an ihm ledig­lich die Kiel­schwert­hal­te­rung abändern, den Motor kon­trol­lie­ren, die Kraft­stoff­fil­ter­an­la­ge instand­set­zen sowie den Abgas­schwamm erneu­ern lassen.

Zoll­schuld und Ein­fuhr­um­satz­steu­er sind erloschen

Aber selbst wenn man die Ent­ste­hung von Ein­fuhr­um­satz­steu­er vor­lie­gend abwei­chend beur­tei­len woll­te, wäre eine etwa ent­stan­de­ne Ein­fuhr­um­satz­steu­er – wie auch die Zoll­schuld – jeden­falls nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK erlo­schen. Nach die­ser Vor­schrift erlösche eine ent­stan­de­ne Zoll­schuld, wenn den Zollbehörden nach­ge­wie­sen wer­de, dass die Waren nicht ver­wen­det oder ver­braucht, son­dern aus dem Zoll­ge­biet der Uni­on ver­bracht wor­den sei­en, und wenn kein ¤uschungsversuch vor­lie­ge (Art. 124 Abs. 6 UZK).

Der Begriff der Ver­wen­dung im Sin­ne des Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK sei nach Auf­fas­sung des FG restrik­tiv und ins­be­son­de­re unter Berück­sich­ti­gung des Wirt­schafts­zoll­ge­dan­kens aus­zu­le­gen. Vor die­sem Hin­ter­grund stel­le die Ein­fuhr des Boo­tes und die Vor­nah­me von Arbei­ten an dem­sel­ben kei­ne das Erlöschen der Zoll­schuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK ausschließende Ver­wen­dung dar. Das Segel­boot selbst sei vom Kläger im Zoll­ge­biet nicht als Beförderungsmittel genutzt und des­halb nicht in Kon­kur­renz zu unionsansässigen Ver­mie­tern oder Verkäufern von Boo­ten getre­ten. Die im Zoll­ge­biet der Uni­on durch­ge­führ­ten Arbei­ten am Segel­boot, die im Rah­men eines (bewil­lig­ten) Ver­fah­rens der akti­ven Ver­ede­lung unstrei­tig möglich gewe­sen wären, ohne dass für das Boot Ein­fuhr­ab­ga­ben ent­stan­den wären, beeinträchtigten eben­falls kei­ne wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen ein­hei­mi­scher Unternehmen.

Die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen für das Erlöschen der Zoll­schuld sei­en, eben­falls erfüllt. Ins­be­son­de­re sei dem Kläger nach den kon­kre­ten Umständen kein ¤uschungsversuch vor­zu­wer­fen, son­dern er habe das Boot ohne vor­he­ri­ge Zoll­ab­wick­lung nach Deutsch­land ver­bracht, weil er eine sol­che auf­grund der geplan­ten Wie­der­aus­fuhr – rechts­ir­rig – nicht für erfor­der­lich gehal­ten habe. Dar­Ã¼­ber hin­aus sei nach­ge­wie­sen, dass das streitgegenständliche Segel­boot am 18. Mai 2017 wie­der aus dem Zoll­ge­biet der Uni­on ver­bracht wur­de. Damit sei nicht nur die Zoll­schuld, son­dern auch eine etwa ent­stan­de­ne Ein­fuhr­um­satz­steu­er erloschen.

FG Baden-Würt­tem­berg, Mit­tei­lung vom 26.08.2022 zum Urteil 11 K 2900/21 vom 25.01.2022 (nrkr – BFH-Az.: VII R 17/22)

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