Aktuelle Informationen2018-02-26T13:29:37+00:00

 

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Leistungen einer Hygienefachkraft sind umsatzsteuerfrei

Gegenü­ber Alten- und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen erbrach­te Leis­tun­gen einer selbstständigen Hygie­ne­fach­kraft sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt­Sys­tRL umsatz­steu­er­frei. Dies hat der 15. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter entschieden.

Der Kläger ist aus­ge­bil­de­ter Fach­kran­ken­pfle­ger für Kran­ken­haus­hy­gie­ne und als selbstständige Hygie­ne­fach­kraft tätig. Sei­ne Leis­tun­gen erbringt er unter ande­rem gegenü­ber Krankenhäusern, Alten­hei­men und Pfle­ge­zen­tren. Hier­zu gehören die Schu­lung, Bera­tung und Fort­bil­dung des Per­so­nals, die Erstel­lung von Hygie­nekon­zep­ten und ‑plänen, die Fest­le­gung der Vor­ge­hens­wei­se bei einer Iso­lie­rung von Pati­en­ten sowie Haus­be­ge­hun­gen. Das Finanz­amt behan­del­te die gegenü­ber Krankenhäusern erbrach­ten Leis­tun­gen des Klägers als umsatz­steu­er­frei, unter­warf jedoch die gegenü­ber Alten- und Pfle­ge­hei­men erbrach­ten Leis­tun­gen der Besteue­rung. Mit sei­ner Kla­ge begehr­te der Kläger eine vollständige Frei­stel­lung sei­ner Umsätze, da Alten­hei­me im Hin­blick auf Hygie­ne­stan­dards Krankenhäusern gleich­zu­stel­len seien.

Der 15. Senat des Finanz­ge­richts Müns­ter hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die strei­ti­gen Leis­tun­gen fie­len zwar nicht unter eine natio­na­le Befrei­ungs­vor­schrift des UStG; der Kläger könne sich aber unmit­tel­bar auf die MwSt­Sys­tRL beru­fen. Den für eine Ein­ord­nung der Leis­tun­gen als Heil­be­hand­lun­gen im Sin­ne von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erfor­der­li­chen unmit­tel­ba­ren Bezug zu einer Behandlungstätigkeit in Krankenhäusern oder ande­ren medi­zi­ni­schen Ein­rich­tun­gen im Ein­zel­fall habe der Kläger nicht nach­ge­wie­sen. Aus dem glei­chen Grund könne er sich auch nicht auf die Befrei­ungs­vor­schrift für Leis­tun­gen einer Hygie­ne­fach­kraft zur Ver­hü­tung von nos­o­ko­mia­len Infek­tio­nen und zur Ver­mei­dung der Wei­ter­ver­brei­tung von Krank­heits­er­re­gern (§ 4 Nr. 14 Buchst. e UStG) beru­fen. Zudem sei die­se Vor­schrift im Streit­jahr 2012 noch nicht anwend­bar gewe­sen. Auch die Vor­aus­set­zun­gen des § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG lägen nicht vor, da die Alten- und Pfle­ge­hei­me kei­ne häusliche Pfle­ge erbracht hätten bzw. der Kläger sei­ne Leis­tun­gen nicht unmit­tel­bar gegenü­ber den Heim­be­woh­nern erbracht habe.

Aller­dings fie­len die strei­ti­gen Leis­tun­gen unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt­Sys­tRL, wonach eng mit der Betreu­ung oder Pfle­ge hilfs­be­dürf­ti­ger Per­so­nen ver­bun­de­ne Leis­tun­gen steu­er­frei sei­en. Die­se Vor­schrift sei nicht vollständig in natio­na­les Recht umge­setzt wor­den, sodass der Kläger sich unmit­tel­bar hier­auf beru­fen könne. Die Hygie­neleis­tun­gen sei­en eng mit den der Sozi­al­für­sor­ge und der sozia­len Sicher­heit unter­fal­len­den Umsätzen der Alten- und Pfle­ge­hei­me ver­bun­den, da gera­de dort die Ein­hal­tung hygie­ni­scher Anfor­de­run­gen unerlässlich sei, was ins­be­son­de­re während der noch andau­ern­den Coro­na-Pan­de­mie mehr als deut­lich gewor­den sei. Gera­de Bewoh­ner die­ser Ein­rich­tun­gen sei­en beson­ders anfällig für Infek­tio­nen und damit beson­ders schutz­be­dürf­tig. Der Kläger sei auch als Ein­rich­tung mit sozia­lem Cha­rak­ter anzu­er­ken­nen, da sein ¤tigkeitsbereich durch spe­zi­fi­sche Vor­schrif­ten des HeimG sowie durch Emp­feh­lun­gen der beim Robert-Koch-Insti­tut ein­ge­rich­te­ten Kom­mis­si­on für Kran­ken­haus­hy­gie­ne und Infektionsprävention gere­gelt und die ¤tigkeit von über­ra­gen­dem Gemein­wohl­in­ter­es­se sei.

Der Senat hat die Revi­si­on wegen grundsätzlicher Bedeu­tung zugelassen.

FG Müns­ter, Pres­se­mit­tei­lung vom 15.10.2021 zum Urteil 15 K 2712/17 vom 01.06.2021

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